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Diesel-Skandal Diesel-Skandal: So soll der Panscher-Prozess endlich vorankommen

Von Ralf Böhme 27.03.2018, 08:00
Alexander Jacobi sieht gute Chancen, Ansprüche in Millionenhöhe auf insolvenzrechtlichem Wege durchzusetzen.
Alexander Jacobi sieht gute Chancen, Ansprüche in Millionenhöhe auf insolvenzrechtlichem Wege durchzusetzen. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Er ist Langstreckenläufer. Das macht den Kopf frei, hält fit. Rechtsanwalt Alexander Jacobi weiß: Nicht zuletzt darauf kommt es an, wenn man sich mit der Dieselpanscher-Mafia in Sachsen-Anhalt anlegt. Die vielleicht letztlich entscheidende Frage: Wer hat den längeren Atem? Bei aller Professionalität ist in diesem ungewöhnlichen Fall unendlich viel Ausdauer gefragt. Um an Täter und ihr Vermögen heranzukommen, muss der promovierte Jurist einen Riesenberg an geschäftlichen Unterlagen prüfen.

Dieselpanscher-Skandal: Sachsen-Anhalts mutmaßlich größter Steuerbetrug

Der Auftrag dafür kommt vom Amtsgericht Stendal. Auslöser ist die Pleite der Mineralölfirma B & GmbH in Burg (Jerichower Land). Ehemalige Inhaber und Geschäftspartner sind in Sachsen-Anhalts mutmaßlich größten Steuerbetrug verwickelt. Jacobi ermittelt als Insolvenzverwalter. Gelingt es ihm, Licht in das Dunkel der mutmaßlich kriminellen Geschäftspraktiken zu bringen, können Gläubiger, die auf ihr Geld warten, endlich hoffen. Und es geht um sehr, sehr viel Geld, das auf zivilrechtlichem Weg eingetrieben werden soll. Die Rede ist von Millionen.

Steht Bio drauf, ist aber gewöhnlicher Diesel, geringfügig durch Chemiekalienzusätze verändert. Das ist der Mini-Trick, um Maxi-Steuern zu sparen. Sachsen-Anhalt spielt laut Zoll, wenn es um gepanschten Diesel geht, oft eine Rolle. Mehr als andere Bundesländer gilt die Region als Knotenpunkt in Netzwerken, die Straftäter europaweit geknüpft haben. So würden die kriminellen Händler ihre Transportkosten niedrig halten - umso mehr, da gepanschtes Mineralöl meistens nach Ost- und Südeuropa geht. Dort seien die nach dem Vorbild der Mafia organisierten Banden auf weitere illegale Steuervorteile aus. Die Fälle von Burg gelten dafür als exemplarische Beispiele. (mz)

Insgesamt sollen die Dieselpanscher nach Angaben der Magdeburger Staatsanwaltschaft einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro angerichtet haben. Der Trick ist simpel und folgenreich: Treibstoff wie Diesel, für den Abgaben fällig sind, wird durch geringe chemische Zusätze minimal verändert und ist dann - freilich nur auf dem Papier - plötzlich steuerfreier Biodiesel. Führend im internationalen Netzwerk mit manipulierten Laborwerten und Rechnungen: Deutsche, Polen, Türken und Italiener. Einige von ihnen stehen in Magdeburg vor Gericht. Eines der insgesamt drei Strafverfahren geht bald ins vierte Jahr, bisher ohne greifbares Ergebnis.

Insolvenzverwalter: „Einige Gerichtsprozesse sind inzwischen anhängig“

Im Gegensatz dazu ist Jacobi mit seinem Insolvenzverfahren, das Soll und Haben gegenüberstellt, gut gestartet. Aktuell macht der Ermittler bereits verschiedene finanzielle Ansprüche geltend. Zu Einzelheiten hält sich der Anwalt zwar bedeckt, aber der Fakt wiegt schwer: „Einige Gerichtsprozesse sind inzwischen anhängig.“ Die erste Auseinandersetzung findet ihm zufolge im Juni an einem Gericht in Berlin statt.

Was für gute Erfolgsaussichten spricht: Mit Jacobi ist ein ausgewiesener Experte am Werk. In der Branche gilt der gebürtige Leipziger als akribischer „Wühler“ mit kriminalistischem Gespür. Als erfahrener Insolvenzpraktiker ist er es gewohnt, härter als andere zu verhandeln. Anders, so sein Standpunkt, lassen sich Unternehmen weder retten noch abwickeln. 13 Jahre ist der promovierte Jurist in diesem Metier tätig. Gelingt ihm das kleine Wunder, das unvollständige Puzzle zu komplettieren, könnte sich die 13 als Glückszahl erweisen. Hauptgewinner wären wohl Sachsen-Anhalt und der Bund. Ihnen steht der größte Teil des schon verloren geglaubten Steuergeldes der Dieselpanscher zu.

Dieselpanscher-Mafia: „Das sind internationalen Betrügerbanden“

Wer und was ist die Dieselpanscher-Mafia, die Jacobi mit seinem Vorgehen massiv herausfordert? Wolfgang Schmitz, Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn, sagt: „Das sind internationalen Betrügerbanden mit deutschen Helfershelfern.“ Sachsen-Anhalt spiele dabei eine besondere Rolle. Das Land sei der bevorzugte Handelsplatz mit rekordverdächtigen Schadenszahlen.

Spuren führen, wie der Zoll bestätigt, oft nach Ost- und Südeuropa. Die Firma, die Jacobi in den Fokus nimmt, macht da eine Ausnahme. Ehemalige Chefs, wohnhaft in Deutschland, kommen ursprünglich aus Polen und aus der Türkei. Deutsche sitzen häufig in örtlichen Geschäftsleitungen oder sind in Labors beschäftigt. Mittelsleute, zuständig für den Vertrieb des gepanschten Diesels, rekrutiert man gern in Italien oder auch Österreich. So ist der Kreis derjenigen, die Insolvenzverwalter Jacobi eventuell zur Kasse bittet, diesesmal eher groß als klein.

Dieselpanscher-Skandal: Auch Personen „mit ansonsten weißer Weste“ im Visier

Wie die MZ aus Justizkreisen erfahren hat, handelt es sich dabei ausdrücklich nicht nur um jene Personen, die schon auf der Anklagebank des Magdeburger Landgerichtes sitzen. Dem Vernehmen nach müssten sich nun auch Leute im unternehmerischen Bereich „mit ansonsten weißer Weste“ den Fragen von Jacobi stellen. Und das geht womöglich schneller als gedacht.

Betroffen sind beispielsweise eine ganze Reihe von Unternehmen und Beratern. Jacobi, der Anwalt aus Halle, agiert jedoch nicht allein. Hinter ihm steht eine große Kanzlei mit überdurchschnittlicher Power: Stapper-Jacobi-Schädlich. Noch im Gedächtnis sind die schlagzeilenträchtigen Insolvenzverfahren wie um den Handball-Bundesligisten HC Leipzig oder die bewältigte Krise des mitteldeutschen Großdienstleisters Zimmermann Personalservice. Die aktuelle Dieselpanscher-Problematik besitzt aber allein wegen der erwartbaren hohen Geldbeträge einen noch höheren Stellenwert.

Dieselpanscher-Skandal: Arbeit dürfte noch mindestens ein Jahr andauern

So ist ein spezialisiertes Anwaltsteam darauf angesetzt, um Jacobi zu unterstützen und finanzielle Ansprüche der Gläubiger bis ins letzte Detail juristisch hieb- und stichfest zu erfassen. Die Arbeit dürfte aus derzeitiger Sicht noch mindestens ein Jahr andauern. „Es gibt Anzeichen dafür, dass es um Forderungen in Millionenhöhe geht.“ Adressaten sind Leute in Schlüsselstellungen des Dieselpanscher-Kartells. Dazu gehört ein Ostdeutscher mit Anwesen in der Altmark. Auch ein polnischer Ferrari-Fahrer, der in Berlin lebt, steht im Fokus.

Nicht nur Berufskollegen in Mitteldeutschland verfolgen den Einsatz des Insolvenzverwalters. Bundesweit sehen Zollfahnder und Staatsanwälte darin einen erfolgversprechenden Weg, um bandenmäßig herbeigeführte Steuervergehen rechtlich in den Griff zu bekommen. Dass der Blick dabei jetzt erneut auf Sachsen-Anhalt fällt, überrascht Szene-Kenner nicht. Das von Jacobi abzuwickelnde Unternehmen gilt als Blaupause für massenhafte und jahrelange Dieselpanscherei zum Nachteil des Fiskus. So ist es gelungen, das kriminelle Treiben mit einem europäischen Firmengeflecht aus 55 Unternehmen zu tarnen.

Dieselpanscher-Krimi ist „in der Tat um ein ungewöhnliches Verfahren“

Damit ist absehbar, dass es vermutlich nicht bei einem Prozess bleibt. Kein Wunder, denn auch aus Jacobis Sicht handelt es sich bei dem Dieselpanscher-Krimi „in der Tat um ein ungewöhnliches Verfahren“. Nicht zuletzt deshalb: „Es sind extrem hohe Geldsummen und der Verdacht auf strafbare Handlungen im Spiel.“ Das erkläre, warum sich etliche Beteiligte angesichts seiner konkreten Fragen zunächst sehr wortkarg geben. „Aber da habe ich das dafür notwendige Durchhaltevermögen“, versichert der Marathon-Mann. (mz)