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Steuerverschwendung im Amt? Dienstwagen-Affäre Heiko Geue: Finanzministerium Sachsen-Anhalt muss Einsicht in Fahrtenbücher geben

Von Kai Gauselmann 08.12.2016, 07:10
Der ehemalige Finanzstaatssekretär von Sachsen-Anhalt, Heiko Geue (SPD)
Der ehemalige Finanzstaatssekretär von Sachsen-Anhalt, Heiko Geue (SPD) dpa-Zentralbild

Magdeburg - NGen-MZ: Privatfahrten auf Staatskosten? [DText-71-82990147]NGen-MZ: Private DienstreisenRechtsprechung  ist definitiv ein Ausdauersport. Und Journalismus auch. Ein Beleg für beides ist dieser Text: Die Bemühungen dazu begannen vor 47 Monaten und drei Wochen. Den fast vier Jahre andauernden Aufwand  hatte eine einfache Frage ausgelöst:  Hat Finanz-Staatssekretär Heiko Geue (SPD) seine Fahrten mit dem Dienstwagen korrekt abgerechnet?

Die MZ hatte aufgrund von Hinweisen den Verdacht auf Steuerverschwendung und bohrte nach. Ein langer Kampf gegen ein immer wieder mauerndes Ministerium - bis jetzt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt hat den Anspruch auf Auskunft zu Geues Fahrtenbüchern bestätigt - das Finanzministerium will das nun endlich akzeptieren.

Privat- oder Dienstfahrten?

Die Fahrtenbücher-Frage war ein Aspekt zu einer größeren, die Journalisten im Dienste ihrer Leser zu stellen haben: Wird korrekt mit Steuergeldern umgegangen?  Dass das im damals von Jens Bullerjahn (SPD) geführten Finanzministerium der Fall war, daran hatten nicht nur MZ-Redakteure Zweifel - und längst nicht nur in Bezug auf Geues Dienstwagennutzung.

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat den Anspruch von MZ-Redakteur Kai Gauselmann auf Einsicht in die Fahrtenbücher von Ex-Staatssekretär Heiko Geue grundsätzlich bestätigt. Die Begründung: Es handele sich um „amtliche Informationen“, deren Einsichtnahme jedermann beantragen könne; Ausschlussgründe nach dem Informationszugangsgesetz des Landes gebe es nicht.

Allerdings schränkt das Gericht ein: Bestimmte personenbezogene Daten seien zu  schwärzen. Das betrifft etwa die genauen Namen und Adressen von Personen,  die Geue per Fahrt im Dienstwagen aufgesucht hat oder weitere Angaben zu Dritten, falls diese sich nicht mit einer Veröffentlichung einverstanden erklären. Das Finanzministerium will das Urteil akzeptieren. Minister André Schröder (CDU) sagte am Mittwoch, es werde „anerkannt und umgesetzt“. Geue äußerte sich nicht.

Drei Buchstaben für ein Wortungetüm - IZG, Informationszugangsgesetz.  Das Gesetz soll es Bürgern ermöglichen, von Landesbehörden gegen eine Gebühr Auskünfte zu bestimmten Verwaltungsvorgängen einzuholen.

Bis September 2014 machten Bürger davon in 318 Fällen Gebrauch, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Eva von Angern hervorgeht.  Demnach wurden 56 Anträge davon abgelehnt, 54 wurde nur teilweise entsprochen. An Gebühren nahm das Land  rund 8 700 Euro ein. (asc)

Die MZ hatte Hinweise, dass der in Berlin wohnende Geue Privat- als Dienstfahrten deklariert haben soll. Er durfte seinen Dienstwagen mit Fahrer nur in Sachsen-Anhalt auch privat kostenlos nutzen, ab der Landesgrenze wurden 30 Cent pro Kilometer fällig, mit Fahrer nochmal 15 Cent mehr. Geue wies den Vorwurf zurück, die MZ wollte nachsehen - und durfte nicht.

Der Fall schien die geeignete Stelle, um die Mauer des Schweigens am Magdeburger Editharing - dem Sitz des Ministeriums - aufzuhacken.  Der Landtag hatte scheinbar das perfekte Werkzeug für solche Fälle geliefert. Nicht für eine Presse-Auskunft, die wegen der „einzelfallbezogenen Fragen“ durch das Ministerium verweigert worden war -  sondern für eine Einsicht in die Bücher: das Informationszugangsgesetz (IZG). Der lange Gesetzestitel wirkt im Nachgang wie ein Hinweis auf die Verfahrensdauer. 

„Ziel ist es, jedermann die Möglichkeit zu geben, von jedem Ort und zu jeder Zeit die Verwaltung zu kontrollieren“ - so hat es der damalige  Landes-Innenminister Holger Hövelmann (SPD) 2008 im Landtag bei der Einführung des IZG gesagt. Der erste Schritt war kein Problem, für den Antrag nach IZG gibt es  Muster im Internet. Den muss man aber persönlich stellen, in diesem Fall übernahm das der Autor dieser Zeilen.

Das Finanzministerium lehnte den Antrag ab, weil unter anderem die Informationen aus den Fahrtenbüchern die Persönlichkeitsrechte Geues beträfen - und der habe seine Einwilligung verweigert. Schritt zwei: Widerspruch gegen den Behördenbescheid. Auch da mauerte das Ministerium. Anwalt einschalten, Klage erheben, gefühlt werden hunderte Schriftsätze in der nüchternen Sprache der Juristen hin- und hergeschickt. Zwei Jahre vergehen, bis geklärt ist, welches Verwaltungsgericht  zuständig ist.

Im April 2015 dann die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht   Halle. Im Ergebnis war die ministerielle Mauer des Schweigens pulverisiert. Das Gericht urteilte, es sei  in vollem  Umfang Einsicht in die Fahrtenbücher zu gewähren. Die erste Runde im Justizringen zwischen MZ-Redakteur und Finanzministerium hatte allerdings einen Schönheitsfehler: Man hätte zu dritt sein müssen. Obwohl es um seine Fahrtenbücher ging, war Geue vom Gericht nicht zur Verhandlung geladen worden und konnte sich nicht äußern. Der Richter am OVG wird das später ein „dickes Ding“ nennen.

Zwei Watschen für das Land

Die von Land und Geue erzwungene Berufung am OVG wurde für das Ministerium zur zweiten Watsche, weil nun doch Auskunft erteilt werden muss. Preis der Lektion sind einige tausend Euro: Der Streitwert vor dem Verwaltungsgericht betrug 5.000 Euro, vor dem OVG 30 000 Euro. Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz muss das Land tragen, aus der zweiten Instanz Land und Geue. Der neue Finanzminister André Schröder (CDU) hat keine Lust auf eine weitere Runde:  Das Urteil werde anerkannt und umgesetzt, sagt er. 

Offen ist noch, ob Geue eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig per Klage erzwingt. Geue arbeitet heute als Abteilungsleiter im Bundesfamilienministerium von Manuela Schwesig (SPD). Käme es zu einer dritten Verhandlung vor der höchsten Instanz, könnten zu den bisherigen vier noch weitere Jahre hinzu kommen. Ansonsten muss das Ministerium in einigen Wochen, wenn das schriftliche Urteil des OVG vorliegt und rechtskräftig wird, die teilweise geschwärzten Kopien der Fahrtenbücher liefern. Die werden wir auswerten und umfangreich in der Zeitung berichten: Es wird die Antwort auf eine vier Jahre alte Frage.  (mz)