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Die Hölle aus dem HandyDie Hölle aus dem Handy: Warum Mobbing mit Smartphone und Whatsapp neue Ausmaße annimmt

Von Jan Schumann 03.05.2019, 08:00
Ein Schubser und ein böses Wort allein sind noch kein Mobbing. Doch wenn die Schikane zum Dauerzustand wird, können Betroffene krank werden. Auch an Schulen ist das ein großes Problem.
Ein Schubser und ein böses Wort allein sind noch kein Mobbing. Doch wenn die Schikane zum Dauerzustand wird, können Betroffene krank werden. Auch an Schulen ist das ein großes Problem. dpa

Magdeburg - Sachsen-Anhalt will gegen Mobbing an Schulen vorgehen, insbesondere im Internet: Es geht um das Ausgrenzen, Schikanieren und Verletzen von Mitschülern - immer häufiger geschieht dies auch über populäre Handydienste wie Whatsapp.

Als erstes ostdeutsches Bundesland startet Sachsen-Anhalt im neuen Schuljahr ein Präventionsprogramm, das einen verstärkten Fokus auf das Cybermobbing legt. 50 Schulpsychologen und Beratungslehrkräfte werden eigens geschult. Nach Einschätzung von Schulpsychologen ist die Schikane per Smartphone ein wachsendes Problem für Kinder.

Marco Tullner: „Mobbing wertet Menschen ab und grenzt aus“

„Mobbing wertet Menschen ab und grenzt aus“, sagte Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) am Montag. Es sei „unvermeidlich, dass sich gerade junge Menschen mit den Ursachen und Wirkungen des Mobbings kritisch auseinandersetzen“.

Für das neue Präventivprogramm kooperiert das Land mit der Techniker Krankenkasse (TK). Tests liefen bereits in Bremen und Hamburg. Künftig steht Sachsen-Anhalts Lehrern neues Arbeits- und Schulungsmaterial im Netz bereit, etwa für Projekttage. Zielgruppe sind die Klassen fünf bis sieben.

„Schulen, Kinder, aber auch Eltern sollen sensibilisiert werden“, erklärte Steffi Suchant, Leiterin der TK-Landesvertretung. Das Arbeitsmaterial zeigt unter anderem, wie Pädagogen in Mobbingfällen reagieren sollen. Suchant wies dabei auf die Gefahren hin. „Mobbing macht krank“, gerade im Internet habe es „eine enorme Dynamik“.

Immer mehr Fälle von Cybermobbing

Dass Cybermobbing ein erhebliches Problem ist, zeigen Studien. Jeder dritte junge Mensch gibt an, dass im Bekanntenkreis schon einmal jemand im Internet oder per Handy fertig gemacht wurde. Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest unter Zwölf- bis 19-Jährigen hervor. Mädchen (39 Prozent) benannten mehr Fälle als Jungen (30 Prozent).

Auch in Sachsen-Anhalt wird gewarnt: „Die Zahl der Fälle nimmt Jahr für Jahr zu“, sagte Sonja Steinke, Schulsozialarbeiterin an der Gemeinschaftsschule „Oskar Linke“ in Magdeburg. „Fast täglich“ sei sie mit dem Thema konfrontiert, „ab der fünften Klasse hat im Grunde jeder ein Smartphone“. Häufig geht es darum, dass in Whatsapp-Chats Lügen oder Gerüchte über Mitschüler verbreitet werden - teils mit, teils ohne deren Wissen. In Härtefällen konfrontiere sie Täter und Opfer, sagte Steinke.

Schwerer Mobbingfall am Burggymnasium in Wettin

Ein besonders schwerer Mobbingfall hatte Anfang April das Burggymnasium in Wettin (Saalekreis) beschäftigt. In einer privaten Whatsapp-Gruppe hatten Jugendliche mehrerer Schulen zu schweren Straftaten gegen ein Mädchen aufgerufen, das das Gymnasium besucht. Die Rede war von einer Steinigung, Messerangriffen und Schlägen bis hin zum Einsatz von K.o.-Tropfen. Die Jugendlichen wollten sich verabreden, um ihrem Opfer aufzulauern.

Nach MZ-Informationen sollen mehr als 15 Jungen und Mädchen zur Gruppe gehört haben. Als die Drohungen aufflogen, setzte das Gymnasium eine außerordentliche Konferenz mit Eltern und den mutmaßlichen Rädelsführern an. Gegenüber der MZ erklärte die Schulleitung, man habe pädagogische Maßnahmen ergriffen. Aufrufe zu Gewalt seien nicht zu tolerieren. Etwaige weitere Schritte lägen aber in der Verantwortung der Eltern.

Schulsozialarbeiterin Steinke sagte: „Für uns ist das Wichtigste, die Eltern aufzuklären. Dazu gehört auch, dass sie sich die Chats ihrer Kinder auf dem Handy ansehen.“ Im Notfall müssten Eltern auch durchgreifen und Handys einkassieren. Die Bildungsgewerkschaft GEW lobte das neue Programm, forderte dafür aber weiteres Fachpersonal an den Schulen. (mz)