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Depressionen und Burnout Depressionen und Burnout: Lehrer in Sachsen-Anhalt immer öfter krank

Von Hagen Eichler 23.09.2019, 00:00
Lehrermangel in Sachsen-Anhalt
Lehrermangel in Sachsen-Anhalt imago stock&people

Magdeburg - Die Lehrer in Sachsen-Anhalts Schulen häufen immer mehr Fehltage durch Krankmeldungen auf. Das belegen der MZ vorliegende Zahlen der Barmer Ersatzkasse. Im vergangenen Jahr meldeten sich die dort versicherten Lehrer im Schnitt 24,5 Tage krank - das sind fast fünf Arbeitswochen. Drei Jahre zuvor waren es noch 20,6 Tage. Bei den Ursachen liegen Erkrankungen der Psyche mittlerweile auf Platz eins.

Damit nähern sich die Zahlen der Lehrer jenen Berufsgruppen mit den härtesten Gesundheitsbelastungen an. An der Spitze der Fehltage stehen laut Barmer-Gesundheitsreport Busfahrer (34,9 Tage), Zusteller (34,6 Tage) und Altenpfleger (31,3 Tage). Zum Vergleich: Softwareentwickler bleiben nur 7,7 Tage krank zu Hause.

Kritik an Landesregierung: Personal fehlt, zu viele Überstunden

Barmer-Landesgeschäftsführer Axel Wiedemann macht für den schlechten Gesundheitszustand der Lehrer auch die Landespolitik verantwortlich. Die Stressfaktoren würden immer vielfältiger, urteilt der Kassenmanager. „Überall fehlt Personal, Lehrer werden fachfremd eingesetzt und müssen Überstunden machen, die Erwartungen von Eltern und Schülern steigen. Es ist klar, dass sich diese hohe Arbeitsbelastung negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt.“

Dass eine Krankenkasse eine Landesregierung so unverblümt kritisiert, ist ungewöhnlich. Die Barmer hat in Sachsen-Anhalt 4.400 angestellte Lehrer unter ihren Versicherten und verfügt so über repräsentative Gesundheitsdaten. Das Bildungsministerium selbst hat wegen der ärztlichen Schweigepflicht keinerlei Informationen über Erkrankungsarten der eigenen Lehrer.

Zu den psychischen Leiden zählen Depressionen und Burnout ebenso wie Suchterkrankungen. Diese Probleme nehmen bei Lehrerinnen ab 40, bei ihren männlichen Kollegen ab 50 Jahren sprunghaft zu. Sie sorgen mittlerweile für mehr Krankheitstage als die früheren Hauptursachen, Atemwegserkrankungen und Rückenleiden.

45 Prozent aller Fehltage gehen auf fünf Prozent der Beschäftigten zurück

Auffällig ist, dass nach den Barmer-Zahlen eine knappe Mehrheit aller Lehrer (53,7 Prozent) im vergangenen Jahr keinen einzigen Tag krankheitsbedingt verpasste. Eine kleine Gruppe trieb die Zahl der Ausfälle hingegen drastisch nach oben. 45 Prozent aller Fehltage gehen auf lediglich fünf Prozent der Beschäftigten zurück.

Die von der Kasse geforderte Entlastung der Lehrer ist allerdings nicht in Sicht. Nach MZ-Informationen hat das Finanzministerium in den aktuellen Haushaltsverhandlungen sogar gefordert, die Wochenarbeitszeit für Lehrer um zwei Stunden zu erhöhen.

Das würde die Zahl der benötigten Lehrer und damit die Kosten spürbar senken. Landesbildungsminister Marco Tullner (CDU) lehnt eine pauschale Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung ab. Er setzt stattdessen auf lukrative finanzielle Anreize. „Die Bereitschaft, Mehrarbeit zu leisten, soll sich für Lehrkräfte lohnen“, sagte ein Ministeriumssprecher. „Auf diesem Weg werden wir weiterarbeiten.“

GEW fordert arbeitsfreien „Gesundheitstag“

Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) muss der rasante Anstieg der Krankheitstage wirksame Konsequenzen haben. „Wir fordern seit langem eine systematische und anonyme Krankenstatistik. Das interessiert aber im Ministerium niemanden“, sagte GEW-Landesvorsitzende Eva Gerth.

Zudem solle das Land allen Lehrern jährlich einen arbeitsfreien „Gesundheitstag“ zum Besuch von Präventionsveranstaltungen bewilligen. Das Bildungsministerium kontert, Angebote zur Prävention gebe es bereits zahlreich. Ein überbetrieblicher Gesundheitsdienst biete belasteten Lehren Beratung und Coaching an. (mz)