Illegaler Welpenhandel in Sachsen-Anhalt „Das ist eine Gelddruckmaschine“: So zocken illegale Welpenhändler Tierliebhaber ab
Der illegale Handel mit jungen Hunden ist ein Milliardengeschäft. Und er sorgt für unermessliches Tierleid und immense Kosten. Ermittlungen und Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt zeigen nun, wie kriminelle Banden mit perfiden Methoden ahnungslose Käufer abzocken und warum ihre Verfolgung so schwierig ist.

Naumburg/Halle/MZ - Die Frau aus dem Burgenlandkreis will sich einen Herzenswunsch erfüllen: ein eigener Hund. Über eine Plattform im Internet stößt sie auf einen Züchter aus der Region. Der Onlineauftritt ist seriös, familiär. Und er bietet besonders kleine, niedliche Rassetiere an. Auch bei einem Besuch vor Ort macht die Zucht zunächst einen guten Eindruck. Ihr wird ein 16 Wochen alter Welpe gezeigt, auch das Muttertier. Beide machen einen gesunden Eindruck. Doch den Ort der Aufzucht bekommt sie nicht zu sehen, das Verkaufsgespräch findet stattdessen in einem Vorführraum statt. Hier übt der Züchter plötzlich Druck auf die Frau aus.
Sie müsse sofort entscheiden, ob sie den Hund kaufen will. Nach einem Blick in zwei große Kulleraugen nimmt sie den Welpen schließlich mit. Doch nach nur zwei Tagen in den eigenen vier Wänden ringt das Tier plötzlich um sein Leben. Den Welpen plagt heftiger Durchfall. Die Hundebesitzerin geht zum Tierarzt – wieder und wieder.
Käuferin aus dem Burgenlandkreis zahlt tausende Euro für Tierarzt
„Es sammeln sich Tierarztrechnungen von mehreren tausend Euro an“, sagt Maxi Schönefeldt. Die Amtstierärztin des Burgenlandkreises erinnert sich noch gut an diesen Fall von mutmaßlicher Scheinzucht. Es ist einer von vielen dieser Art, die auf ihrem Schreibtisch landen. Meist, weil Halter oder Tierärzte sich an die Behörde wenden. Der Verdacht: Die kranken Hunde stammen gar nicht aus einer legalen, regionalen Zucht, sondern wurden unter miserablen Bedingungen in Osteuropa vermehrt, um sie hier für viel Geld zu verkaufen. „Das ist eine Gelddruckmaschine“, sagt Schönefeldt. Und die läuft in Europa, in Deutschland und auch in Sachsen-Anhalt auf Hochtouren.
Seit Corona boomt der illegale Handel mit Hundewelpen – und er hat inzwischen ein enormes Ausmaß erreicht. Exakte Statistiken gibt es dazu nicht. Allerdings: Laut Daten der Tierschutzorganisation Vier Pfoten setzt der legale und illegale Handel mit Hunden und Katzen in der EU jährlich 1,3 Milliarden Euro um. Allein in Deutschland werden im Internet pro Jahr 438.000 Hunde und 80.000 Katzen zum Kauf angeboten – bei knapp 80 Prozent von ihnen ist die Herkunft unklar.

Meist handle es sich in diesen Fällen um Welpen aus illegalen Vermehrungsstationen, sagt Birgitt Thiesmann, Expertin für illegalen Welpenhandel bei Vier Pfoten, der MZ. „Es sind wirklich mafiöse Strukturen“, sagt Thiesmann. Das Problem: Die Tiere würden unter desaströsen Bedingungen großgezogen. In Kellern, Badezimmern und Schuppen in Ungarn, Rumänien, Tschechien, Russland. Thiesmann hat solche Orte selbst besucht. „Es gibt Kleinstädte, da lebt jedes Haus von der Welpenzucht.“ Diese Tiere leiden, unter Parasiten, Viren, offenen Tumoren, leben im Dreck, ohne ausreichend Wasser und Futter. „Die sehen nie einen Arzt.“ In Deutschland erzielen sie dennoch hohe Preise. 1.000, 2.000 oder 3.000 Euro für einen Rassewelpen? Nicht ungewöhnlich.
Grundsätzlich ist der Verkauf von Hundewelpen legal. Für die Zucht gelten hierzulande jedoch Auflagen aus dem Tierschutzgesetz. Etwa ausreichend Wasser, Futter und Auslauf. Zudem dürfen die Tiere erst mit zwei Monaten von ihrer Mutter getrennt werden. Vor der Einfuhr nach Deutschland aus dem Ausland müssen sie zudem geimpft sein, ein Alter von mindestens drei Monaten erreicht haben und einen Mikrochip unter der Haut zur Identifikation tragen – für in Deutschland geborene Welpen gibt es indes keine Chippflicht. Alle diese gesetzlichen Vorgaben werden von den kriminellen Händlern regelmäßig missachtet.
Illegaler Welpenhandel in Sachsen-Anhalt: Klein und lockig ist beliebt
Dem Elend zum Trotz floriert der illegale Welpenhandel. Als die Nachfrage nach Haustieren während Corona anstieg, seien viele Welpen aus illegalen Zuchten noch aus Kartons in Kofferräumen an Rastplätzen verkauft worden, sagt Thiesmann. Inzwischen hätten die Dealer dazugelernt – das macht es mitunter schwierig, sie zu entlarven.
Diese Erfahrung macht auch Amtstierärztin Schönefeldt aus dem Burgenlandkreis. Rund 800 bis 1.000 Welpen aus unklarer Herkunft werden hier jährlich gehandelt, schätzt die Veterinärin. Die Art der Hunde richte sich nach aktuellen Trends. Derzeit angesagt: Maltipoos, eine Kreuzung zwischen Pudel und Malteser. „Kleine, süße, lockige Hunde.“ In der Region liege eine Verkaufsstelle eines internationalen, kriminellen Welpenhandelsnetzes. Komplizen aus Bayern wurden bereits angeklagt, der Prozess gegen weitere mutmaßliche Täter soll bald starten. „Wir haben hier ein Zentrum“, sagt Schönefeldt. Dagegen will die Behörde vorgehen – doch dabei ringt sie mit Hürden.
Kriminelle Welpenhändler werden professioneller
Erhält das Veterinäramt einen Hinweis auf illegalen Handel, rücken die Mitarbeiter zum Hausbesuch aus. Doch vor Ort sei die illegale Zucht oft kaum nachzuweisen, sagt die Tierärztin. Klingeln die Mitarbeiter, sind oft keine Hunde mehr da. Und falls doch, lässt sich ihre Herkunft nicht zweifelsfrei bestimmen. Und oft fällt der Betrug nicht einmal auf. „Die Händler wissen genau, was sie sagen müssen.“
Die Maschen der Welpen-Mafioso kennt Kirsten Golinski nur zu gut. Die Staatsanwältin aus Halle befasst sich mit Tierschutz und Wirtschaftskriminalität. Gegen illegale Welpenhändler ermittelt sie meist wegen Betrugs. Und zwar dann, wenn die ihre Tiere fälschlicherweise als Rassehunde verkaufen. Auch gefälschte Impfausweise sind Teil ihrer Ermittlungen. „Wir sind dran, die Strukturen aufzudecken“, sagt sie. Und ergänzt: „Das Geschäftsmodell ist so gut, dass die Endverbraucher kaum eine Chance haben, das zu merken.“
Das Geschäftsmodell ist so gut, dass die Endverbraucher kaum eine Chance haben, das zu merken.
Kirsten Golinski /Staatsanwältin
Golinski beschreibt das Netz der Welpenhändler so: Von einer Zuchtstation in Osteuropa werden die Welpen über die Autobahn etwa nach Sachsen-Anhalt gebracht. „Die Transporte sind unauffällig.“ Es seien sogar schon Tiere in Autositze eingenäht worden. Hier angekommen, werden sie einem Verkäufer übergeben. Der unterhält eine Scheinzucht mit oft familiärem Antlitz. Dort gibt es angebliche Muttertiere, liebevoll gestaltete Spielzimmer und mitunter sogar falsche Impfpässe, die von geschmierten Tierärzten ausgestellt werden. „Die haben ein richtiges Netzwerk.“
Auch das Verkaufsgespräch werde oft professionell geführt, sagt die Staatsanwältin. Die Verkäufer täuschen Sorge vor: Wird der Hund genügend Auslauf haben? Sind Kinder im Haushalt? „Es ist ganz schwer zu unterschieden: Ist es ein liebevoller Züchter oder ein windiger Betrüger?“
Kurzum: Der illegale Handel mit Welpen ist lukrativ, schwer zu entlarven und relativ risikoarm. Bisher fielen die Strafen im Vergleich zum Handel etwa mit Drogen meist gering aus. Doch die Behörden sind sensibilisiert. Pro Verkauf könnten bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe verhängt werden, sagt Kirsten Golinski.
Tierschützer fordern bundesweites Hunderegister
Doch ob Tierschützer, Veterinäre oder Juristen: Sie alle bemängeln die kaum vorhandene Dokumentationspflicht für den Handel mit Tieren in Deutschland. Birgitt Thiesmann fordert daher ein bundesweites Register für Hunde und Katzen samt Chippflicht. Dann ließe sich nachverfolgen, woher ein Welpe stamme – und der illegale Handel eindämmen, glaubt sie. „Dann könnte man die Leute zur Verantwortung ziehen.“
Ein weiterer Teil des Erfolgsrezeptes der kriminellen Welpenhändler lässt sich indes durch kein Gesetz aushebeln: Der Blick in die Kulleraugen eines kleinen, hilflosen Tieres lässt offenbar viele Menschen Preis und Risiken vergessen – wie auch im Fall der Hundekäuferin aus dem Burgenlandkreis. Maxi Schönefeldt formuliert es so: „Ein Welpenkauf ist eine emotionale Sache. Wenn man davor sitzt, setzt der Verstand aus.“