Wo sind all die "Bufdis"? Bundesfreiwilligendienst in Sachsen-Anhalt: Engagement im sozialen Sektor wird unattraktiver

Halle (Saale) - Der Bundesfreiwilligendienst als eine Stütze des sozialen Sektors wird immer unattraktiver in Sachsen-Anhalt. In vier Jahren sank die Zahl der sogenannten „Bufdis“ von rund 3.200 auf zuletzt 2.070 zum Jahresende 2017. Das bedeutet einen Rückgang um 35 Prozent.
Die Zahlen ergeben sich aus Parlamentsanfragen von Grünen und AfD. „Wenn die Wirtschaft gut läuft, wird der Freiwilligendienst uninteressanter“, sagte SPD-
Arbeitsmarktexperte Andreas Steppuhn der MZ. Der Landtagsabgeordnete ist gleichzeitig der Chef der Tafeln in Sachsen-Anhalt. „Auch wir haben ein Problem, Stellen zu besetzen, vor allem im ländlichen Raum.“ Diese Tendenz habe sich in den vergangenen Jahren verschärft.
Das aktuelle Ergebnis der Entwicklung: Von etwa 10.000 verfügbaren „Bufdi“-Stellen in Sachsen-Anhalt sind lediglich rund 2.100 besetzt. Zum einen ist es zwar gewollt, dass das Angebot groß ist, wie das zuständige Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben klarstellt.
Zum anderen klagen große Träger der Wohlfahrtshilfe aber über Schwierigkeiten, junge und auch ältere Freiwillige für den Bundesfreiwilligendienst zu gewinnen. Er nimmt seit 2011 die Rolle des früheren Zivildienstes ein, der mit dem Aussetzen der Wehrpflicht wegfiel. Junge „Bufdis“ bereiten sich mit ihrem Engagement auch auf den Beruf vor und absolvieren auf diese Weise Pflichtpraktika. Der Verdienst ist gering: Das Rote Kreuz zahlt zum Beispiel 400 Euro im Monat.
Bufdis in Sachsen-Anhalt: Hier fehlen besonders viele Freiwillige
Die Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt (AWO) spürt den Freiwilligen-Mangel vor allem außerhalb der Großstädte Halle und Magdeburg. „Beliebt ist zwar das Engagement als Erzieher und im Krankenhaus“, sagte Sascha Dilly, Fachbereichsleiter im Landesjugendwerk. „Schwierig ist es hingegen bei der Pflege, was keine guten Perspektiven für den Fachkräftemangel erlaubt.“
Offenbar biete der Pflegesektor für junge Menschen kaum noch Anreize, Einblicke zu gewinnen. „Ganz offensichtlich liegt das an der späteren Bezahlung in diesem Berufsfeld, außerdem ist es ein Knochenjob.“
Stark betroffen von dem Mangel sei der Burgenlandkreis im Landessüden, aber auch Börde und Altmark im Norden. „Wenn wir es jetzt schon nicht schaffen, diese Stellen zu besetzen, ist das ein schlechtes Zeichen für die kommenden Jahre“, sagte Dilly der MZ.
Verschärft würden die Schwierigkeiten im ländlichen Raum durch lange Anfahrtswege, „die viele Freiwillige schlicht nicht bewältigen können“, ergänzte er. Es fehle an einer funktionierenden Fahrtkostenhilfe für „Bufdis“. Auch Steppuhn sprach sich dafür aus, dass sich das ändern müsse - er treibt für die SPD im Landtag die Diskussion um ein Azubi-Ticket voran, dessen praktische Umsetzung mit den Verkehrsverbünden allerdings kompliziert ist.
Er sei dafür, dass dieses Ticket auch für „Bufdis“ gelten könne, sagte der Abgeordnete. „Sie sollten mit Auszubildenden gleich behandelt werden.“ Auch die AfD hatte nach ihrer jüngsten Landtagsanfrage mit Blick auf fehlende Fahrtkostenerstattung „eine dringende Korrektur“ verlangt.
Ein Wohlfahrtsverband kann sich allerdings nicht über einen Mangel an „Bufdis“ beklagen: Das Rote Kreuz hat sogar mehr Bewerber als Stellen, wie Präsidentin Gerda Hasselfeldt (CSU) jüngst im MZ-Interview sagte. Sie forderte mehr Geld für weitere Stellen, die mittlerweile eingerichtet wurden. Auch in Sachsen-Anhalt wurde aufgestockt. Die MZ hat einen der Freiwilligen auf seiner neuen Arbeit in einer Kindertagesstätte begleitet.