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Glücksspielsüchtige in Sachsen-Anhalt Beratungsnetzwerk entsteht: Sachsen-Anhalt will Glücksspielsüchtigen besser helfen

Sie können nicht vom Automaten- oder Onlinespiel lassen und verlieren mitunter Tausende Euro: Sachsen-Anhalt will Glücksspielsüchtigen besser helfen. Mit Verzögerung entsteht nun ein Netz mit Expertinnen und Experten, die Hilfe anbieten.

Von Dörthe Hein 16.05.2023, 12:37
Das landesweite Beratungsnetz für Glücksspielsüchtige in Sachsen-Anhalt nimmt Formen an.
Das landesweite Beratungsnetz für Glücksspielsüchtige in Sachsen-Anhalt nimmt Formen an. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Halle/Magdeburg/DPA - Das landesweite Beratungsnetz für Glücksspielsüchtige in Sachsen-Anhalt nimmt Formen an. Nach Verzögerungen haben inzwischen neben der langjährig einzigen spezialisierten Beratungsstelle im Land in Magdeburg auch Schwerpunktberatungsstellen in Stendal und Halle die Arbeit aufgenommen.

Das Landesverwaltungsamt hat die Förderanträge zwar noch nicht bewilligt. Es wurde aber ein sogenannter vorzeitiger Maßnahmebeginn genehmigt. Die Beratungsstellen können also schon loslegen. Geplant sind eine Landeskoordinierungsstelle sowie fünf regionale Schwerpunktberatungsstellen. 525.000 Euro sind den Angaben zufolge in diesem Jahr für das Beratungsnetz vorgesehen.

Bis zum Jahresende solle auch eine Spielerselbsthilfegruppe entstehen

In Stendal etwa ist das Angebot zum Jahresbeginn mit der Suchtberaterin und Psychologin der Caritas, Anne-Claudia Hennig, gestartet. Die Schwerpunktberatungsstelle ist der etablierten Sucht- und Drogenberatungsstelle des Caritasverbandes in Stendal angegliedert. Somit können Betroffene auch die Vernetzung etwa mit der Schuldnerberatungsstelle nutzen.

„Grundsätzlich ist es so, dass auch schon vor Beginn der Maßnahme Spieler in der Beratungsstelle in Stendal beraten wurden und somit eine Nachfrage zu verzeichnen war“, erklärte Hennig. „Ich gehe davon aus, oder hoffe vielmehr, dass mit der Bekanntgabe der Schwerpunktberatungsstelle noch mehr Betroffene und Angehörige zu uns finden werden.“ Bis zum Jahresende solle auch eine Spielerselbsthilfegruppe entstehen. Dafür stehe ein voll ausgestatteter Gruppenraum zur Verfügung.

Grundsätzlich gehörten vor allem junge Männer zu der Hauptgefährdungsgruppe

In Halle ist die Schwerpunktberatungsstelle bei der Evangelischen Stadtmission vor sechs Wochen gestartet. Beraterin Janine Teubner sagte, sie habe elf Klienten übernommen, die zuvor in der Suchtberatung begleitet worden seien. Schwerpunkte seien das Automatenspiel, die Klienten setzten aber auch Geld ein bei Online-Casinos und Sportwetten.

Grundsätzlich gehörten vor allem junge Männer zu der Hauptgefährdungsgruppe. Für Teubner geht es nun darum, bei Suchtgefährdeten früher einzugreifen und Prävention anzubieten. Sie geht von einer großen Dunkelziffer bei Glücksspielsüchtigen aus. Ziel sei auch, eine offene Sprechstunde anzubieten, zu der Betroffene ohne Termin kommen können sowie eine begleitete Gruppe für pathologische Spieler.

Betreuung der Betroffenen und ihrer Angehörigen

Die Schwerpunktberatungsstelle in Magdeburg gibt es schon länger. Sie wird laut ihren Jahresberichten zunehmend stark genutzt. Nach 235 Beratungskontakten im Jahr 2020 seien es im vergangenen Jahr 526 gewesen.

Für die Betreuung der Betroffenen und ihrer Angehörigen seien in aller Regel mehrere Beratungen und längere Betreuung nötig, sagte Daniel Krause von der Beratungsstelle. Der Trend gehe vom klassischen Automatenspiel in der Spielhalle immer mehr Richtung Online-Spiel. Auch Daytrading-Apps mit dem schnellen Handel an der Börse tauchten häufiger auf. Viele Klienten hätten fünf- oder sechsstellige Eurobeträge verloren.

Es ist auch noch nicht das komplette Beratungsnetz in trockenen Tüchern

Hintergrund für die zusätzlichen Beratungskapazitäten ist die bundesweite Zulassung zuvor verbotenen virtueller Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele unter bestimmten Bedingungen ab Mitte 2021. Zugleich sollte der Spielerschutz verbessert und das Beratungsangebot ausgebaut werden.

Die Leiterin der Landesstelle für Suchtfragen, Helga Meeßen-Hühne, zeigte sich erleichtert, dass die Aufstellung des Beratungsnetzes auf die Zielgeraden geht. Die Rahmenbedingungen seien nun gut. Immer wieder hatte es Verzögerungen gegeben.

Es ist auch noch nicht das komplette Beratungsnetz in trockenen Tüchern. Das Landesverwaltungsamt wartete zuletzt noch auf Anträge für die Landeskoordinierungsstelle sowie für die Beratungsstellen in Dessau-Roßlau und Halberstadt.

Zwischen 2009 und 2017 hatte es bereits drei regionale Schwerpunktberatungsstellen im Land gegeben

Zwischen 2009 und 2017 hatte es bereits drei regionale Schwerpunktberatungsstellen im Land gegeben. Sie waren im Rahmen des Projekts „Prävention des pathologischen Glücksspielens im Land Sachsen-Anhalt“ gefördert worden. Damals hatten die Trägerinnen der Beratungsstellen laut Innenministerium einen durchschnittlichen Wert von 140 Betroffenen und 47 Angehörigen je Jahr und Beratungsstelle ermittelt.

Aber nicht nur die Beratungen von bereits Betroffenen sind aus Sicht von Daniel Krause aus Magdeburg wichtig. Es sei auch mehr Präventionsarbeit an Schulen nötig, besonders an Berufsschulen, weil es dort um das erste selbst verdiente Geld gehe. Allerdings sei es schwierig, an den Schulen „den Fuß in die Tür“ zu bekommen. „Die Sensibilität und Achtsamkeit für das Glücksspiel geht verloren“, so Krause.

Sachsen-Anhalt profitiert im Übrigen auch finanziell vom Glücksspiel. Laut dem Finanzministerium lagen im vergangenen Jahr die Steuereinnahmen nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz bei knapp 66,5 Millionen Euro. 2021 seien es noch rund 45,7 Millionen Euro gewesen.