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Ausreiseverbote wegen Corona? Ausreiseverbote wegen Corona?: Haseloff: "Grundrechte nicht beliebig einschränken"

15.07.2020, 06:12
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sieht beim Thema Ausreiseverbote noch Gesprächsbedarf.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sieht beim Thema Ausreiseverbote noch Gesprächsbedarf. picture alliance/dpa

Berlin - In der Diskussion um den Umgang mit Corona-Hotspots in der sommerlichen Urlaubszeit hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff dafür plädiert, Rückkehrer aus dem Ausland besonders gut zu kontrollieren. Bei Flugreisenden sollte es am Flughafen Tests oder eine Kontrolle der Körpertemperatur geben, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Die vielen Bemühungen und Investitionen, um das Coronavirus einzudämmen, dürften nicht umsonst gewesen sein.

Haseloff: „Die Grundrechte kann man nicht beliebig einschränken“

Ausreiseverbote für Regionen mit hohen Infektionszahlen sieht er hingegen kritisch. „Wir müssen differenzierte Lösungen haben, die vor allen Dingen verhältnismäßig sind. Die Urteilslage ist ganz eindeutig: Die Grundrechte kann man nicht beliebig einschränken.“

Zuletzt hatte unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Vorstoß verteidigt, Ausreiseverbote für Regionen mit Corona-Hotspots zu verhängen. „Ich finde, das ist jedenfalls ein Vorschlag, den man diskutieren sollte und für den ich werben würde.“

Haseloff sieht in dieser Frage „noch dringenden Gesprächsbedarf“. Sein Argument: Jeder Ausbruch verläuft anders. „Und es ist ein Unterschied, ob ich in einem Dorf bin, in einer Kleinstadt oder in einer größeren Ansiedlung.“ Er sei jedoch sicher, dass sich Bund und Länder bei den weiteren Verhandlungen einigen werden.

Landesregierung: Strenge Maßnahmen sollen lokal eng begrenzt bleiben

Der CDU-Politiker hatte den Umgang mit Corona-Regeln am Dienstag auch mit den Ministerinnen und Ministern seiner schwarz-rot-grünen Landesregierung diskutiert. Man habe sich darauf verständigt, dass das Ziel sein müsse, strenge Maßnahmen lokal eng zu begrenzen, sagte Regierungssprecher Matthias Schuppe. Es sollten nicht ganze Kreise in Mitleidenschaft gezogen werden. „Es ist uns ganz wichtig, dass wir sehr niedrigschwellig, schnell, lokal und rechtssicher agieren.“

Schuppe verwies auf die weitreichenden Regelungen, die das Land zur Eindämmung der Corona-Pandemie bereits getroffen hat. So springe das Warnsystem schon an, wenn in einer Region der Wert von 5 Infektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten werde. Verdopple sich dieser Anteil, würden erste konkrete Maßnahmen getroffen. Nach einer bundesweiten Absprache sind Eingriffe erst ab 50 Infektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche notwendig. Haseloff hatte bereits früher angekündigt, dass das Land eher eingreifen wolle. Die großen Städte Magdeburg und Halle verfolgen ähnliche Strategien.

Vergleichsweise wenige Neuinfektionen mit Coronavirus im Land

In Sachsen-Anhalt werden seit Wochen vergleichsweise wenige Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Zuletzt gab es einen kleineren Ausbruch in Magdeburg. Mehrere Straßenzüge wurden unter Quarantäne gestellt. Rund 500 Menschen waren betroffen. Die Einhaltung wurde von der Polizei kontrolliert. Elf Schulen mussten zwischenzeitlich schließen. Die Ausbreitung wurde gestoppt.

Das sei ein Ansatz, den das Land weiterverfolgen wolle, sagte Regierungssprecher Schuppe. Die Praxis im Kreis Gütersloh habe sich hingegen als nicht so praktikabel erwiesen. In der ostwestfälischen Region war nach einem Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik, ein Lockdown für den gesamten Kreis verhängt worden. Zwischenzeitlich waren 640.000 Einwohner betroffen. Die strengen Beschränkungen wurden vom Oberverwaltungsgericht Münster gekippt.

Haseloff: Ausreiseverbote lassen sich nicht kontrollieren

Sachsen-Anhalt setzt weniger auf Ausreisebeschränkungen als auf Beherbergungsverbote. Diese greifen, wenn Menschen aus Hotspots mit mehr als 50 Infektionen auf 100.000 Einwohnern pro Woche in Sachsen-Anhalt Urlaub machen wollen. Ausnahme: Die Touristen können ein aktuelles Testergebnis vorlegen, dass sie coronafrei sind. Diese Maßnahme könne von den jeweiligen Hotels umgesetzt werden, so Haseloff. Ausreiseverbote ließen sich hingegen nicht kontrollieren.

Ähnlich skeptisch äußerten sich zuletzt auch andere Ministerpräsidenten. Es sei nahezu ausgeschlossen, dass sein Freistaat für einen kompletten Landkreis eine Ausreisesperre verhänge, teilte Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) am Mittwoch auf Twitter mit. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der Deutschen Presse-Agentur, Ausreiseverbote seien keine Sache für politische Aushandlungsprozesse, sondern eine Entscheidung der Gesundheitsämter vor Ort. (dpa)