Andreas Silbersack Andreas Silbersack

Es gibt dieses Foto auf dem Handy von Andreas Silbersack. Ein auf den ersten Blick nicht ungewöhnliches Motiv. Aufgenommen vor einigen Wochen. Es zeigt seine drei Söhne beim gemeinsamen Abendessen.
Außen sitzen Richard und Ludwig, die beiden Älteren. In der Mitte der Jüngste, Viktor. Der legt auf jeder Seite einen Arm um einen seiner Brüder. So weit, so normal. Und doch so vielsagend. Andreas Silbersack gibt dem Foto nämlich mit Blick auf den kleinen Viktor eine besondere Überschrift: „Das verbindende Element.“
Andreas Silbersack: Sportfunktionär und gleichzeitig Familienvater
Wenn der Landessportbund an diesem Dienstag anlässlich des 50. Geburtstages seines Präsidenten Andreas Silbersack einen Empfang gibt, dann werden die drei Kinder und seine Frau Yvette dabei sein. „Selbstverständlich“, sagt Andreas Silbersack. Und dass er das so sieht, sagt viel über ihn und sein Leben. Hier die Honoratioren des deutschen Sports - wie Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, der sein Kommen zugesagt hat.
Dort die Familie – mit dem „verbindenden Element“ Viktor, der vor sieben Jahren mit dem Down-Syndrom auf die Welt kam. Andreas Silbersack - der Sportfunktionär und gleichzeitig der Familienvater. Das eine wäre ohne das andere nicht denkbar.
Politiker oder Funktionäre blenden das bisweilen gern bis an die Grenze der Künstlichkeit aus: Den Umstand, dass sie Menschen sind und wie das ihr öffentliches Handeln bestimmt. Andreas Silbersack ist anders und damit erfolgreich.
Neben seinem Beruf als geschäftsführender Gesellschafter einer großen Kanzlei in Halle füllt er eine ganze Reihe weiterer Rollen aus. Er engagiert sich in diversen Aufsichtsräten, unter anderem bei der Winzervereinigung Saale-Unstrut. Er ist Vorstandsvorsitzender des USV Halle, des mitgliederstärksten Sportvereins Sachsen-Anhalts. Im September kandidierte Silbersack für die FDP für den Bundestag. Er scheiterte nur knapp am Einzug ins Parlament, wäre als Nummer drei der Nächste auf der Landesliste gewesen. Wobei er aber einräumt: „Man muss sagen: Das Bundestagsmandat hätte schon einiges auf den Kopf gestellt.“
Andreas Silbersack ist der Retter des Landessportbundes
Seinen Namen hat sich Andreas Silbersack freilich vor allem als Sportfunktionär gemacht. Als Sanierer des Landessportbundes, nicht wenige sagen: als Retter des LSB. Den übernahm er 2008 in gewaltiger finanzieller und struktureller Schieflage.
Dabei begann die Geschichte des Sportfunktionärs Silbersack eher als Zufall. Bei einem Italiener in der Kleinen Ulrichstraße in Halle. Dort bat Gudrun Steinbach, die den LSB in der desaströsen Lage interimsweise führte und die Silbersack über familiäre Bande im USV Halle kannte, ihn, den Fachanwalt für Steuerrecht, um Hilfe. Und er half. Arbeitete sich ein. Und es kam, wie es kommen musste: „Im Mai wurde ich dann vom Landessporttag zum Präsidenten gewählt.“ Eine Wahl mit Qual: Den angeschlagenen LSB zu übernehmen, hätte niemand wirklich gewollt, geschweige denn gekonnt. „Ohne mein Vorwissen im Steuerrecht“, sagt Silbersack, „hätte ich die Sache nicht machen können.“
Andreas Silbersack glänzt mit diplomatischem Geschick
Dennoch wäre es falsch, die Rettung des LSB allein auf Silbersacks fachliches Know-how zu reduzieren. Sein vielleicht viel wichtigeres Politik-Talent liegt in den weichen Faktoren, in seinem diplomatischen Geschick. Mit einem Schmunzeln erzählt er, dass bei all den harten LSB-Verhandlungen mit Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) auch manche Flasche Wein gemeinsam geleert wurde. Das mag merkwürdig klingen. Die Wahrheit aber ist: Ohne Vertrauen in Verhandlungspartner sind Kompromisse nun einmal nicht möglich.
Andreas Silbersack ist ein bemerkenswert offener, kommunikativer Mensch. Und vor allem: ein bodenständiger. Und wer das verstehen will, muss noch ein paar Jahre weiter in seiner Vita zurückblättern.
Nach Flucht in den Westen studierte Andreas Silbersack Jura
1989 verließ der gebürtige Hallenser seine Heimatstadt. Mit der DDR hatte er gebrochen. Und in Ungarn zeichnete sich die Öffnung des Eisernen Vorhangs ab. „Zusammen mit einem Freund habe ich mehrere Wochen bei einer Familie in Budapest gelebt“, erzählt Silbersack. Bis die Grenze zu Österreich tatsächlich geöffnet wurde. „Über Passau sind wir nach Unna gekommen. Es war ein fürchterliches Lager“, erinnert sich Silbersack.
Es sind Erinnerungen, die einen Menschen erden. Silbersacks Flucht in die Bundesrepublik endete schließlich in der Nähe von Köln. In Bonn begann er mit dem Jura-Studium. Mit zwei Jobs finanzierte er sich: Er arbeitete bei einem Herrenausstatter, später dann bei einem Catering-Service. Und dennoch führte ihn sein Weg nach dem Studium wieder zurück nach Halle. Warum? „Ganz einfach: Ich habe damals bei einem Handball-Turnier meine Frau kennengelernt, sie studierte Medizin in Halle.“
Bei Andreas Silbersack ist Handball die „Familien-Sportart“
Man kann aus dieser Geschichte zwei Dinge über Andreas Silbersack lernen. Die eine - mit einem gewissen Schmunzeln: Da ist der Handball. Die „Familien-Sportart“. Wer den Namen Silbersack trägt, muss wohl irgendwann einfach Bälle auf Tore werfen. „Meine Kinder“, sagt Andreas Silbersack lachend, „dürfen jeden Sport machen - solange es Handball ist. Ich habe die drei alle direkt mit der Geburt im USV angemeldet.“ Die beiden Großen spielen seit Jahren, der Jüngste ist - allen Einschränkungen zum Trotz - bei den Bambini aktiv. Wen wundert’s? Im Garten der Familie steht ein Handball-Tor.
Der zweite, weitaus ernstere Aspekt in dieser Geschichte: Die Familie ist trotz aller Rollen und Aufgaben das Herzstück für Andreas Silbersack. Seine Frau Yvette arbeitet als Ärztin in der renommierten Sportklinik von Thomas Bartels in Halle. Ein bisschen „Wochenend-Papa“ - das würde nicht funktionieren. „Es gibt eine Tradition bei uns“, erzählt Silbersack. „Morgens, bevor wir das Haus verlassen, gehe ich mit Viktor im Garten aufs Trampolin. Das machen wir jeden Tag. Egal, bei welchem Wetter.“
Herzenaufgabe von Silbersack ist es, Kindern mit Handicap Wege zu ebnen
Ein behindertes Kind ans Leben heranzuführen, ist für Eltern eine fortwährende Herausforderung. „Wir arbeiten jeden Tag dafür, dass Viktor eines Tages die Möglichkeit hat, ein eigenständiges Leben zu führen“, sagt Silbersack. „Ob es klappt, lässt sich noch nicht absehen.“
Kindern mit Handicap Wege zu ebnen, das ist für Andreas Silbersack inzwischen eine Herzensaufgabe. 2012 besuchte er die Special Olympics in München, die nationalen Spiele für Sportler mit geistiger Behinderung. „Bei der Eröffnung sind damals 14 Bundesländer eingezogen - nur Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nicht. Ich habe mich in diesem Moment geschämt“, erinnert er sich. Keiner fühlte sich so richtig zuständig. Also gründete Silbersack in Eigeninitiative den Landesverband, um kurze Zeit später auch im Bundesverband Special Olympics Deutschland ins Präsidium aufzurücken.
Als Sportpolitiker genießt Silbersack bundesweit einen guten Ruf
Dieser Faden, dass persönliche Erfahrungen zu politischem Handeln werden, zieht sich wie ein roter Faden durch die Vita von Andreas Silbersack. Als Sportpolitiker genießt er inzwischen bundesweit einen Ruf. Er leitet die Konferenz der Landessportbünde. Und hinter vorgehaltener Hand wird er längst gehandelt, künftig auch als Vize ins Präsidium des DOSB einzuziehen.
Die Frage liegt also irgendwie nahe: Wann denn seine Frau das letzte Mal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe, bei all den Ämtern, die er innehat. Andreas Silbersack muss lachen. Dann antwortet er in einer für ihn typischen Art - halb im Spaß, halb im Ernst: „Zumindest habe ich sie vorher immer gefragt. Ich habe kein Amt übernommen, ohne das vorher auch mit der Familie zu besprechen.“ (mz)