Alternative für Deutschland Alternative für Deutschland : André Poggenburg einsam auf dem Thron
Magdeburg - Der Mann auf dem Thron, er liebt das Spiel. Selbst dann, wenn es um die eigene Regentschaft geht. Es ist ein sonniger Morgen im Mai, André Poggenburg betritt das Hotel „Mansfelder Hof“ in Eisleben. Für den AfD-Chef in Sachsen-Anhalt bricht der Tag der Entscheidung an. Der Mann, der seit der Landtagswahl im März die bundesweit größte AfD-Landtagsfraktion anführt - bleibt er auch ihr Landeschef? Ein Sonnenkönig ohne Gegenspieler, der Partei und Fraktion lenkt? „Von Sachsen-Anhalt lernen, heißt siegen lernen“, sagt der 41-Jährige an diesem Morgen auf dem Parteitag.
Alle Macht für Poggenburg
Alle Macht für Poggenburg: Diese Vision ist nicht jedem in der AfD geheuer. Es rumort. Hatte er nicht versprochen, als Landeschef abzutreten, sobald er die Fraktion mit ihren 25 Mitgliedern anführen würde? Und tatsächlich: Poggenburg spielt an diesem Tag ein Spiel. Als er für eine weitere Amtszeit vorgeschlagen wird, zögert er, und ruft den rund 200 AfD-Mitgliedern im Hotelsaal laut zu: „Ich überlege noch.“ Doch niemand wagt es, gegen ihn in den Ring zu steigen. Außer einer: Dirk Hoffmann aus Wittenberg. Doch er ist ein schwacher Gegner, das weiß Poggenburg - und kandidiert nun selbst. Hoffmann hat keine Chance. Alle Macht für Poggenburg.
Störfeuer aus der Partei
Der Spieler triumphiert. Doch das Brodeln in Partei und Fraktion hat Poggenburg seit dem Wortbruch von Eisleben nicht in den Griff bekommen. Heute, zwei Monate später, flackern immer neue Störfeuer auf, rund um den Thron wird gemeutert. Und erstmals sieht es so aus, als könnte sich der AfD-Chef verzocken. Denn das Ergebnis all dieser Episoden des Aufruhrs ist derzeit, dass es um Poggenburg immer einsamer wird.
Die jüngste Eskalation war die Kündigung der AfD-Schatzmeisterin Yvonne Sturm, die pressewirksam das Wort gegen Poggenburg erhoben hatte. Die Sekretärin bezichtigte ihn öffentlich der Lüge, er sprach Tage danach von einem „Nachtreten“. Sturm war entrüstet darüber, dass Poggenburg nach ihrem Rücktritt freimütig behauptete, sie sei mit ihrem Job überfordert gewesen. Die darauffolgende Anklage der Sekretärin hallte donnernd nach. „Katastrophale“ Parteiarbeit und „fehlende Professionalität einiger Akteure“ im Vorstand seien die Gründe für ihren Abgang. So formulierte sie es in einem internen Schreiben, das sie auch Journalisten zuspielte.
Damit spricht Sturm öffentlich aus, was viele AfD-Abgeordnete seit Wochen als Problem sehen: Poggenburg gilt als unzuverlässig, unberechenbar, unstet. „Nach der Wahl war der Dienstwagen erstmal das wichtigste“, sagt ein AfD-Mann aus der Fraktionsspitze. „Aber es müssen auch mal klare Ansagen gemacht werden zu den akuten politischen Fragen.“
Harte interne Kritik
So steckte Poggenburg intern zuletzt harte Kritik ein, weil er seine Laissez-faire-Haltung in der Causa Tillschneider nicht ablegte. Der Rechtsaußen-Vertreter der AfD hatte als Kopf der Patriotischen Plattform lautstark eine Kooperation mit der rassistischen Identitären Bewegung gefordert - und Poggenburg ließ ihn gewähren. „Wir haben uns schon irgendwann gefragt, wer eigentlich der Sprecher ist“, sagt Jens Diederichs, Abgeordneter und Kreischef in Mansfeld-Südharz. Der Basis fehlte ein unmissverständliches Stopp-Zeichen gegen eine Verbrüderung mit den Rassisten - der Verfassungsschutz hat die Identitären in vielen Bundesländern auf dem Schirm, auch in Sachsen-Anhalt. „Die Basis will im politischen Spektrum Mitte-Rechts bleiben“, sagt der AfD-Abgeordnete Matthias Lieschke. „Dort gehören wir hin.“ Sollte sich das ändern, könne die AfD nicht mehr seine politische Heimat bleiben. Die Mehrheit im Verband sieht es ganz genau so.
Die Basis rebellierte gegen Tillschneiders Flirt mit den Rassisten. Der Protest wurde zur Meuterei, als sich die AfD-Mitglieder und Teile des Landesvorstands im Juni zusammentaten und Poggenburg mit einem Brandbrief - dem „Ruf der Vernunft“ - bloßstellten. Zwölf von 14 Kreischefs forderten, dass sich die AfD, und vor allem Poggenburg, klar vom Rechtsextremismus abgrenzen müsse. „Dass er dies dann tat, hatte nur mit dem großen öffentlichen Druck zu tun“, heißt es nun aus der Fraktion. Bis heute wissen selbst Mitglieder des Fraktionsvorstands nicht, ob Tillschneider von Poggenburg für seinen Alleingang sanktioniert wurde. Klare Ansagen? Fehlanzeige.
Ausgestanden ist der Konflikt nicht, Tillschneider sitzt weiter fest im Sattel der Fraktion und im Landesvorstand. „Fakt ist: Wir wollen nicht enden wie die in Baden-Württemberg“, sagt Diederichs. „Wenn wir uns auch so verkrachen, schießen wir uns selber ins Knie.“
Lauter kleine Schwindeleien
Doch statt rigoroser Führungsarbeit irritiert Poggenburg mit vagen Aussagen - oder mit dem Aussitzen von Problemen. Als AfD-Abgeordnete in einer Fraktionssitzung von ihm wissen wollen, warum er Ex-Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel mehrfach in den Landtag eingeladen habe, kommt er ins Rudern. Sie habe keine Bewerbungsunterlagen abgegeben, antwortet er. Das klang nach Ausflucht. Zu diesem Zeitpunkt hatte unter anderem die MZ bereits über das Treffen berichtet. Erst nach hartnäckigem Nachfragen gesteht er intern, dass es sehr wohl um eine Bewerbung ging. Der AfD-Chef hat sich innerhalb der Partei den Ruf erarbeitet, mit „lauter kleinen Schwindeleien“ zu arbeiten. Unverständnis erntet Poggenburg zudem dafür, dass er zu häufig schweigt, wenn es fraktionsintern brisant wird. So kritisieren Mitglieder des Fraktionsvorstandes aktuell, dass der Ex-NPD-Funktionär Stefan Träger in AfD-Diensten zuletzt im Landtag auf und ab gegangen sei. Träger ist Mitarbeiter im Wahlkreisbüro des 24-jährigen Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt. Poggenburg, so die Kritik, lasse all dies gewähren - unkommentiert.
Seit langem kursiert zudem der Vorwurf, dass Poggenburg schlicht überarbeitet sei - selbstverschuldet. Sein Sommerurlaub nach dem Landtagswahlkampf fällt aus, stattdessen ist er in diesen Tagen für die AfD in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs: Wahlkampfhilfe. Parallel beschäftigt er sich mit der Bundestagswahl 2017. Poggenburg, gegen den als Unternehmer in den vergangenen Jahren aufgrund unbeglichener Schulden mehrere Haftbefehle erlassen worden waren, strebt nun nach immer höheren politischen Zielen - und einer zunehmenden Machtfülle.
An zwei Brennpunkten entzündet sich der aktuelle Streit
Doch in der politischen Heimat, der AfD Sachsen-Anhalt, sind die Tage stürmisch. Und der Landeschef droht, in den Turbulenzen die Unterstützung wichtiger Verbündeter zu verlieren. An zwei Brennpunkten entzündet sich der aktuelle Streit: Der Umgang mit dem Extremismus und Poggenburgs Führungsstil. Je mehr Störfeuer aufflammen, desto mehr Licht fällt auf den tiefen Graben, der sich quer durch die Fraktion zieht. Poggenburg brechen die Allianzen weg.
Der parlamentarische Geschäftsführer Daniel Roi, der schon den „Ruf der Vernunft“ lancierte, gilt intern mittlerweile als harter Kritiker. Im Wahlkampf war Roi noch die rechte Hand des Chefs, sie zogen die Fäden. Poggenburg beschreibt das Verhältnis heute als „angekratzt“. Neben Roi gelten Sarah Sauermann, der renitente Ex-DKP-Mann Robert Farle, Jens Diederichs und Matthias Lieschke als diejenigen, die in der Fraktion das Wort gegen Poggenburg erheben. Noch hat der Vorsitzende eine Schar, die ihn verteidigt - dazu gehört neben Jan Wenzel Schmidt und Mario Lehmann auch der 24-jährige Marcus Spiegelberg. Auch Tillschneider gilt als loyal. Und die beiden Vize-Landeschefs Ronny Kumpf und Andreas Mrosek beeilen sich in diesen Tagen, öffentlich ihre Verbundenheit zu Poggenburg zu verkünden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Beide unterzeichneten den „Ruf der Vernunft“, mit dem Poggenburg bloßgestellt wurde.
Und Poggenburg spürt, dass ihm der Wind entgegen bläst. Die aktuelle Kritik an seiner Führung „darf man nicht persönlich nehmen“, sagt er. „Dann wäre man falsch auf diesem Posten“. Er erwarte, „dass sich nun alle der Parteidisziplin annehmen.“ Das Konfliktpotenzial in Sachsen-Anhalts AfD-Fraktion? Es sei „nicht so hoch, dass wir auseinanderbrechen können.“ Abgeordnete wie Jens Diederichs schlagen einen anderen Ton an: „Die AfD müsse sich in diesen Tagen entscheiden, welchen Weg sie gehen will.“ Der Flirt mit dem Rechtsextremismus habe die AfD-Sympathisanten an der Basis zuletzt spürbar abgeschreckt.
Ohne Plan B
Und der AfD stehen weitere Konflikte bevor. Poggenburg will im September Vize-Landtagspräsident werden, doch die Mitglieder aller anderer Fraktion winken bereits ab. Unwählbar, heißt es selbst aus der CDU. Einen Plan B präsentierte Poggenburg bisher nicht. Solle sich das „Altparteien-Kartell“ gegen ihn verschwören und ihm die Stimmen für den Posten verweigern, bliebe er vorerst Fraktionschef. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich bei der Bundestagswahl 2017 Chancen auf ein Mandat hätte“, sagt er.
Doch auch bundesweit wird die AfD derzeit von einem Machtkampf erschüttert, erbitterter denn je ringen dabei die Bundeschefs Frauke Petry und Jörg Meuthen um die Deutungshoheit in der jungen Partei. Und Poggenburg? Der Anführer der größten AfD-Landtagsfraktion spielt in diesem Machtkampf keine erkennbare Rolle. Von Sachsen-Anhalt lernen, heißt siegen lernen. Poggenburg steigt in seinen Wagen und donnert über die Autobahn nach Mecklenburg-Vorpommern. (mz)