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Afghanen in der Altmark Afghanen in der Altmark: Kleinstadtidylle mit Schrebergarten

07.12.2018, 09:02
Der Afghane Gulmohammad Fasli hat seine Tochter Asma auf dem Arm und steht in einer Buchhandlung.
Der Afghane Gulmohammad Fasli hat seine Tochter Asma auf dem Arm und steht in einer Buchhandlung. dpa-Zentralbild

Tangerhütte - „Hallo wie geht's?“, „Grüß Dich!“. Wenn Familie Fasli unterwegs ist, kommt sie an einem kurzen Plausch meist nicht vorbei. In der Kleinstadt kennt man sich. Seit drei Jahren leben die afghanischen Flüchtlinge in der Altmark. „Tangerhütte ist gut für uns“, sagt Familienvater Gulmohammad, dessen ganzer Stolz sein eigener Schrebergarten ist.

In Kabul hatte der heute 40-Jährige bei einer Firma gearbeitet, die für das deutsche und das amerikanische Militär tätig war. Nach Morddrohungen der Taliban flüchtete er mit seiner Frau Shamia (30) und damals sechs Kindern. Zwei Monate waren sie zu Fuß durch den Iran, die Türkei, Griechenland und auf der Balkanroute unterwegs. In Deutschland fanden sie Asyl, in der ostdeutschen Provinz eine neue Heimat.

Gulmohammad muss deutschen Führerschein machen

Inzwischen sind sie zu neunt. Die kleine Asma wurde im April 2017 geboren. „Sie ist eine richtige Deutsche“, schmunzelt die Mutter. Beide Eltern sind stolz auf ihre Kinder. Somaja (13), die Große, möchte Ärztin werden. Sie besucht wie ihre Brüdern Based (11) und Tawab (7) die Gemeinschaftsschule im Ort. Sahed (11) schreibe auf dem Gymnasium gute Noten, berichtet Gulmohammad. Er habe sich noch nicht entschieden, ob er Arzt oder Ingenieur werden will. Grundschüler Taeib (9) träumt von einer Fußballer-Karriere. Dafür trainiert er eifrig bei Germania, dem örtlichen Verein.

Maleka (4) ist in der Kita gut aufgehoben, wenn die Mutter zum Integrationskurs in der Kreisstadt Stendal ist. Vater Gulmohammad hatte eine Ausbildung in der Landwirtschaft begonnen. Ohne Führerschein läuft aber nichts in dem Beruf. Da die afghanische Fahrerlaubnis des gelernten Automechanikers in Deutschland nicht anerkannt wird, muss er sich nun erneut auf die Schulbank setzen. Das größte Problem dabei: die Sprache. Während alle Familienmitglieder inzwischen fließend Deutsch reden und die Kinder Lesen und Schreiben in der Schule lernen, hakt es damit bei den Eltern noch.

Kleinere Städte können Geflüchtete besser unterstützen

„Am schlimmsten sind Behördenschreiben“, sagt Manfred Hain. Der ehemalige Pilot ist ein Freund und ein Pate für die Familie. Gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Mitstreiter betreut er im Netzwerk „Neue Nachbarn“ die drei Flüchtlingsfamilien, die in Tangerhütte geblieben sind, hilft beim Ausfüllen von Formularen oder begleitet sie zu den Ämtern. Vier weitere Familien aus Afghanistan und Syrien, die ebenfalls 2015 gekommen waren, sind inzwischen in größere Städte gezogen. Für Faslis ist das keine Option. „Kleine Stadt kleine Probleme, große Stadt große Probleme“, sagt der Familienvater.

„Insbesondere in kleineren Städten unterstützen viele Engagierte die Geflüchteten bei ihren ersten Schritten in der neuen Umgebung“, weiß Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck (SPD). „Egal ob Dorfgemeinschaft oder Stadt: Jede Begegnung zwischen Einheimischen und Zugewanderten trägt zu einer leichteren Integration bei“, ist sie überzeugt. Wenn sich Zugewanderte aktiv im Gemeinwesen einbrächten, würden aus Fremden Nachbarn, Vereinskameraden und Freunde. Das gelinge in kleineren Orten häufig sogar besser als in der Stadt, weil man sich schneller kennenlerne.

Afghanische Familie feiert Zuckerfest und Weihnachten

„Das enge Miteinander in einem Ort, in dem jeder jeden kennt, hilft Vorbehalte abzubauen“, bestätigt Hain diese Einschätzung. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration sei dabei die Sprache. Die lasse sich in einem kleineren Umfeld, in dem nur Deutsch gesprochen wird, einfach besser erlernen. In Großstädten, in denen Flüchtlinge oft nur untereinander Kontakt haben und sich in der jeweiligen Heimatsprache verständigen, gebe es viel mehr Konflikte untereinander und mit den Einheimischen.

Im Haushalt der Faslis hat sich die Umgangssprache schnell gewandelt. Während sich die Eltern oft noch auf Dari verständigen, reden die Kinder untereinander nur noch Deutsch. Die hiesigen Sitten und Gebräuche sind für sie keine Hürden. Obwohl die Familie nicht christlich ist, wird neben dem muslimischen Zuckerfest auch Weihnachten gefeiert, schon der Kinder wegen. Beim Weihnachtssingen sind alle Familienmitglieder dabei. (dpa)