Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Verfassungsschutz muss umziehen

Magdeburg - Für Geheimdienstler war der Magdeburger Zuckerbusch bislang eine ideale Adresse: Ein einzeln stehendes Gebäude in einer parkartigen Gegend der Landeshauptstadt, keine direkten Nachbarn - und daher gut zu sichern.
Naphthalin ist ein farbloser aromatischer Kohlenwasserstoff, der nach Mottenpulver und Teer riecht. Er kann Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen und Übelkeit auslösen.
Damit dürfte es bald vorbei sein - Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz muss sein seit Jahrzehnten genutztes Domizil verlassen. Grund ist eine Belastung mit der gesundheitsgefährdenden Chemikalie Naphthalin, die in mehreren Räumen der Behörde nachgewiesen wurde.
Schwierige Suche
Offenbar ist die Belastung weit größer als bislang eingeräumt: Denn in einem vertraulichen Schreiben an alle Mitarbeiter des Verfassungsschutzes verweist Innenstaatssekretär Ulf Gundlach (CDU) auf eine Entscheidung des für Liegenschaften zuständigen Finanzministeriums, wonach das Gebäude im Zuckerbusch „schnellstmöglich komplett frei zu ziehen“ sei. „Mögliche Unterbringungsvarianten werden vom Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA) zur Zeit geprüft“, heißt es in Gundlachs Schreiben.
Doch genau da liegt das Problem: Die Suche nach einer Ausweichimmobilie dauert seit Wochen an und ist offensichtlich bislang nicht von Erfolg gekrönt. Trotz zahlreicher ungenutzter Immobilien in Landeseigentum fand sich kein geeignetes Objekt. Das Finanzministerium sucht derzeit per Annoncen nach externen Büroräumen. Der zuständige Finanzstaatssekretär Jörg Felgner (SPD) räumt aber ein, dass auch das nicht ganz einfach ist: „Es gibt ja beim Verfassungsschutz ein paar besondere, nutzerspezifische Ansprüche.“ Inzwischen wird daher allen Ernstes darüber nachgedacht, auf dem Gelände des Verfassungsschutzes Dutzende Container aufzustellen, um Mitarbeiter, Technik und tausende Meter Akten unterzubringen, wie Felgner bestätigt.
Mindestens 1,5 Millionen Euro
Nach MZ-Informationen haben für diese Lösung bereits Vermessungsarbeiten auf dem Grundstück stattgefunden. Doch im Geheimdienst hält man die Idee aus mehreren Gründen für problematisch - zum einen aus sozialen, vor allem aber aus Gründen der Geheimhaltung. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) findet die Idee mit den Containern auch nicht sonderlich toll: „Angesichts der guten Arbeit des Verfassungsschutzes würde ich eine externe Anmietung begrüßen.“
Auch Felgner hält dies für besser, „noch ist aber nichts entschieden“. Denn neben der noch unbeantworteten Frage, ob es in Magdeburg geeignete Räume gibt, ist auch völlig offen, ob das Gebäude im Zuckerbusch „wirtschaftlich vertretbar zu sanieren ist“, so Felgner. Abschließende Untersuchungen stünden noch aus.
Die Belastungen mit Naphthalin sind in Verwaltungsgebäuden seit Jahren Thema - Sanierungen haben Millionen Euro verschlungen. Jetzt muss das Gebäude des Verfassungsschutzes in Magdeburg von der Chemikalie befreit werden. Betroffen war auch das Landes-Finanzministerium. Ein erst saniertes Nebengebäude musste 2009 geräumt werden. Ein Jahr später traf es das Umweltministerium, 400 Mitarbeiter mussten ausziehen.
Der Quell des Übels ist in den meisten Fällen bekannt: Mit Teeröl getränkte Pappe, die zu DDR-Zeiten als Dichtungsmaterial und Trittschalldämmung verbaut wurde. Das daraus ausdünstende Naphthalin ist blut- und nervenschädigend und steht im Verdacht, krebserregend zu sein.
Bereits jetzt sei aber davon auszugehen, „dass das keine Baumaßnahme unter 1,5 Millionen Euro wird“. Ab dieser Summe sind besondere Verfahrensschritte - etwa bei der Ausschreibung der Sanierung - nötig. Alles in allem dürften zwei bis drei Jahre vergehen, bis das Gebäude wieder nutzbar wäre. „Daher ist zu überlegen, ob man aus einer Übergangs- nicht lieber gleich eine Dauerlösung macht“, sagte Felgner. Eine Entscheidung darüber solle auf jeden Fall noch in diesem Jahr getroffen werden. (mz)