Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Tränen und langer Applaus

Halle/dpa. - Unter dem Motto «Ein Leben wie im Flug» gratulierte einGroßaufgebot an Prominenten aus Politik und Show-Geschäft dem von1974 bis 1992 amtierenden Außenminister. Neben zahlreichen früherenAmtskollegen wie Henry Kissinger (USA), Eduard Schewardnadse(Sowjetunion), Roland Dumas (Frankreich), Krysztof Skubiszewski(Polen) und Jiri Dienstbier (Tschechoslowakei) waren der amtierendeAußenminister Joschka Fischer (Grüne) sowie sämtliche FDP-Größen zurGala angereist. Viele von ihnen erinnerten mit sehr persönlichenWorten oder Anekdoten an die Höhen und Tiefen der Amtszeit deslangjährigen Außenministers.
Gästen wie Thomas Gottschalk, Udo Jürgens, Ulrich Kienzle und BodoH. Hauser, Liselotte Pulver, Dunja Reiter und der Leipziger Band DiePrinzen stahl ein gut gelaunter Genscher mühelos die Schau. Lockerplauderte er mit Moderatorin Carmen Nebel - trotz ihres Fauxpas,Sachsen-Anhalt in Sachsen umzutaufen - über sein unfreiwilliges Badin der Ostsee im Jahre 1971 zwischen zwei Terminen als damaligerInnenminister. Prägend war wohl auch ein Erlebnis aus Kindertagen,bei dem er an den Haaren durch den Sandkasten gezogen worden war.«Wenn es später darum ging, jemanden über den Tisch zu ziehen, warich nie bei denen, die gezogen wurden.»
Mit seinen Ohren hat sich Genscher längst versöhnt, zumal «sie imAlter durch das lange darauf Liegen flacher anliegen». MitSticheleien wie «Genschman» und «Dumbo» kokettiert er selbst undnutzt sie für Werbezwecke. So wie nach der Saalwette, die GastGottschalk kurzerhand von Carmen Nebel «geklaut» wurde: Nachdem esFischer und Kissinger nicht geschafft hatten, im berühmten «Genscher-Maß» von einer Minute und 30 Sekunden Geburtstagswünsche zuüberbringen, signierte der Politiker quietschende Genscher-Puppen undverkaufte sie. Der Erlös geht an die Deutsche Herzstiftung seinerEhefrau Barbara und soll einem Projekt in Halle zu Gute kommen.
Höhepunkt der rund dreistündigen Aufzeichnung war der Moment derErinnerung an den 30. September 1989 in der Prager Botschaft. Damalsgingen Genschers Worte an tausende DDR-Flüchtlinge, dass sieausreisen durften, in tosendem Jubel unter - auch bei der Gala gab esreichlich Applaus. «Das ist das erste Mal, dass ich einen Politikerweinen sehe», sagte Moderatorin Nebel, während sich Genscher dietatsächlich reichlich geflossenen Tränen trocknete.
Wenig später beim Empfang der Stadt Halle und der LandesregierungSachsen-Anhalts war das jedoch Vergangenheit. Nach dem Bad in derMenge spazierte Genscher durch die Säle und plauderte mit den Gästen.Vorbei an Moderatorin Ulla Kock am Brink und Medienproduzent TheodorBaltz, der das Event organisiert hatte, zog es ihn zu seinem Freundund Ex-Kollegen Schewardnadse. Der georgische Staatspräsident hatteden Besuch in Halle rund eine Stunde vor der Fernseh-Aufzeichnungnoch für ein Gespräch mit Außenminister Fischer zum politischenAustausch im Skatzimmer des «Kempinski Hotel Rotes Ross» genutzt. MitGenscher an seiner Seite jedoch ging es weniger um Politik als umgesellige Stunden bis nach Mitternacht.