Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Die Weihnachtsgans ist sicher
Aschersleben/MZ. - Gierig recken die weißen und grauen Pommerngänse ihre dünnen Hälse und schnattern wild. Erhard Weißbart schüttet bedächtig Mastfutter in die Tröge und freut sich. "In ein paar Wochen geben die schöne Weihnachtsbraten ab", meint der fast 80-jährige Geflügelzüchter aus Mehringen im Landkreis Aschersleben. 50 Gänse wird er dann verkauft haben. Ein paar weniger als im vorangegangenen Jahr, aber es hätte schlimmer kommen können.
Seit Jahren grassiert das Virus H5N1 - Vogelgrippe genannt - in der ganzen Welt. Erst bei Zuchtgeflügel in asiatischen Staaten wie Thailand, Vietnam und Südkorea. Menschen infizieren sich und sterben. Dann 2004 in China, wo man entdeckt, dass das Virus sich auch unter Wildgeflügel ausbreitet. Die Gefahr kommt näher. Russland meldet H5N1-Fälle, die Türkei auch. Nach einem Verdachtsfall in Rumänien reagiert das deutsche Bundesverbraucherschutzministerium, verhängt im Oktober 2005 eine landesweite Stallpflicht für Zuchtgeflügel.
"Das war für uns Züchter noch unproblematisch, wenn man entsprechende Unterkünfte hatte", erklärt Weißbart und fährt sich durchs schlohweiße Haar. Das Frühjahr 2006 allerdings brachte Angst und Unsicherheit. Erstmals war auch in Deutschland der Virus von Nutztieren auf Zuchtgeflügel übergesprungen. Im sächsischen Großzuchtbetrieb Eskildsen erkrankten Bio-Puten. Der gesamte Geflügelbestand von 14 300 Puten, Gänsen und Hühnern musste gekeult werden. "Bei dieser Nachricht blutet jedem Züchter das Herz", meint Weißbart. Allerdings ging der Kelch an Sachsen-Anhalt vorbei. "Unsere Verluste waren anderer Art. Wir haben nicht soviel Nachwuchs wie geplant." Denn auch im Frühjahr galt Stallpflicht. "Gänse wollen sich aber am oder im Wasser paaren. Das fehlte nun."
Es muss lustlos im Stall zugegangen sein, nur wenige befruchtete Eier wurden während der Brutzeit gelegt. 26 Junggänse konnte er aufziehen, ähnlich viele Gössel mussten dazugekauft werden. "So sah die Situation bei allen Züchtern aus. Einige haben die Gänsezucht aufgegeben." Einstallung und geringere Nachzuchten machten die Gänsehaltung uninteressant.
Weißbart muss es wissen. Jahrzehntelang war er Vorsitzender mehrerer Geflügelzüchtervereine und kennt landauf, landab alle Züchter. Aber weder er noch der Landesverband der Rassegeflügelzüchter kann genaue Schadenszahlen nennen. Auch die Tierseuchenkasse muss passen. "Wir ersetzen ja nur im Schadensfall und den gab es versicherungstechnisch nicht", so ihr Chef Falk Salchert.
Im Unterschied etwa zu Sachsen gibt es hier im Lande weitestgehend nur kleine Zuchten. Das bestätigt auch Ursula Schimmrigk, Geschäftsführerin des Wirtschaftsverbands Eier und Geflügel Sachsen-Anhalt. "Die Gänsezucht ist bei uns ein Nischenprodukt. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Gänsefleisch liegt bei 400 Gramm im Jahr", so die Geschäftsführerin. Dass der zu Weihnachten für viele obligatorische Gänsebraten ausfallen muss, ist nicht zu befürchten. "Wir Züchter in Sachsen-Anhalt vermarkten fast nur an Privatkunden. Und für die reicht es." Auch sieht Züchter Weissbart keine Preissteigerungen. Sieben Euro pro Kilo geschlachteter Gans und lebend für knapp sechs Euro, schätzt er das allgemeine Preisniveau ein. "So wie vor der Vogelgrippe".
Weißbarts Gänse sind etwas für Feinschmecker. Anderen genügen oft polnische und ungarische Schnellmast-Gänse aus dem Supermarkt. In diesem Segment decken deutsche Züchter nur 14 Prozent des Gesamtbedarfs. "Deswegen wird es keinen Engpass zu Weihnachten geben", sind sich Züchter und Verbandsfunktionärin einig.