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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Die stillen Stars der Industrie

Von Steffen Höhne 02.05.2007, 18:22

Halle/MZ. - Das größte Folienwerk Europas befindet sich in Weißandt-Gölzau im Kreis Köthen, die größte Biodieselanlage der Welt steht in Wittenberg, die weltweit modernste Altölraffinerie arbeitet im Industriepark Zeitz. Die Firmen, die dahinter stehen, heißen Orbita-Film, JCN Neckermann Biodiesel und Puralube. Bekannt sind sie nur wenigen. In der Wirtschaft werden sie daher als "Hidden Champions" (versteckte Sieger) bezeichnet. Im Schatten von Großinvestoren wie dem Solarzellenhersteller Q-Cells in Thalheim, Dow in Schkopau oder dem Zellstoffwerk Stendal sind diese Mittelständler mit dafür verantwortlich, dass die Industrie im Land im vergangenen Jahr um satte zwölf Prozent gewachsen ist. Was macht ihren Erfolg aus?

"Unsere Produkte benutzen fast alle Menschen in Sachsen-Anhalt", sagt Orbita-Film Geschäftsführer Reinhard Händel. "Doch meist ohne es zu wissen". 450 Millionen Müllsäcke verlassen jedes Jahr das Werk in Weißandt-Gölzau, zudem werden Folien für die Verpackung von Lebensmitteln und das Transportgewerbe hergestellt. Das 1965 gegründete Werk hat nach der Wende 100 Millionen Euro investiert, die Hälfte davon in den letzten zwei Jahren. Die wirtschaftliche Dynamik ist greifbar. 30 Meter hohe Silos glänzen in der Sonne, in den Hallen stehen neue Folienmaschinen. "Wir wollen die Kapazität in zwei Jahren auf 250 000 Tonnen Folie verdoppeln", sagt Händel.

Der Maschinenpark sichere Wettbewerbsvorteile. Als größtes Plus sieht der Orbita-Film-Chef die Mitarbeiter: "Auf Probleme reagieren oder neue Verfahren rasch umsetzen, das kann keine Maschine." Daher werde nicht nur in Anlagen investiert. Von den rund 650 Mitarbeitern sind 45 Auszubildende. Durch den Einsatz der Menschen sieht Händel die Region im Aufwind. Und, so der Geschäftsführer: "Wir konkurrieren mit den Solar-Firmen aus Thalheim zunehmend um Personal."

Das Erfolgsgen des Unternehmens Puralube in Tröglitz bei Zeitz steckt in einer neuen Technologie. Drei Ingenieure der US-Firma UIP entwickelten ein so genanntes Hylube-Verfahren, das es ermöglicht, zähflüssiges Altöl komplett zu hochwertigen Basisölen aufzuarbeiten, die als Schmier-, Getriebe- oder Motoröle eingesetzt werden. "Die großtechnische Anwendung in einer Raffinerie fand erstmals im Industriepark Zeitz statt", sagt der technische Geschäftsführer Andreas Schüppel. Wieso Zeitz? "Der Standort besitzt eine gute logistische Lage und hier waren viele klassische Chemiefacharbeiter verfügbar." Das zahlte sich aus. Anfängliche technische Probleme wurden von Schüppel und seinem Team gelöst. Die 2004 eingeweihte Raffinerie produziert heute reibungslos. "Für eine zweite, 40 Millionen Euro teuren Anlage soll noch in diesem Jahr der Grundstein gelegt werden."

Ihren wirtschaftlichen Erfolg muss die weltweit größte Biodieselanlage von JCN Neckermann Biodiesel in Wittenberg-Piesteritz erst noch beweisen. Derzeit läuft der Probebetrieb der 85 Millionen Euro teuren Anlage, die jährlich 220 000 Tonnen Biodiesel herstellen kann. "Für uns war die Rohstoffsicherheit in Sachsen-Anhalt entscheidend", sagt Geschäftsführer Dieter Heisig. Der benötigte Raps werde weitgehend von Landwirten aus der Region geliefert. Auch wenn die aktuelle Besteuerung von reinem Biodiesel die Branche zurückwirft, sieht Heisig die Branche erst am Anfang ihrer Entwicklung. Wenn Deutschland seine Klimaschutzziele von 40 Prozent Kohlendioxid-Reduktion erreichen wolle, so Heisig, müsse mehr Biokraftstoff getankt werden. Und die Wittenberger wollen vorne mitspielen.