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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Die Rückkehr ins Leben

Von Katrin Löwe 23.12.2007, 16:40

Gommern/MZ. - Munter sitzt Fred Heinrich auf dem Sofa in seiner Zwei-Raum-Wohnung in Gommern, plaudert fröhlich drauflos. Er erzählt von seinem Wohnwagen auf dem wenige Kilometer entfernten Campingplatz. Von den Weihnachtsfeiertagen, an denen er mit seiner Lebensgefährtin die Kinder in Peine und Wernigerode besuchen will. Von Reiserouten, die sich das Paar gerade per Internet zusammenstellt. In den Schwarzwald soll es gehen, in die bayrischen Berge, an die Ost- und Nordsee. "Ich bin ganz hibbelig, als würde ich auf Dynamit sitzen", sagt der Mann in einem Ton, als würde ihn nichts umwerfen können.

Vor einem Jahr sah das ganz anders aus. Da verbrachte der frühere Fernfahrer das Weihnachtsfest auf der Couch, zum Großteil liegend. Las Biografien und Reiseberichte. An Reisen selbst war nicht zu denken, schon der Weg zum 100 Meter entfernten Supermarkt war ein Kraftakt. Und die Treppen hinauf in seine Plattenbau-Wohnung. "Wenn ich Ostern unten los bin, bin ich Weihnachten im dritten Stock angekommen", sagt er mit dem ihm eigenen Humor.

Ständig Luftnot

Ständiges Schwindelgefühl, Schwäche, Luftnot - das war es, was das Leben von Fred Heinrich ausgemacht hat, bis ihm im Sommer dieses Jahres an der Medizinischen Hochschule Hannover das kleinste Kunstherz der Welt eingesetzt wurde. "Das hat mich quasi ins Leben zurückgeworfen", sagt er. "Heart Ware", nur fünf Zentimeter groß, unterstützt das körpereigene Organ, indem es Blut von der linken Herzkammer in die Aorta pumpt. In Australien hergestellt wird es an weltweit vier Kliniken im Rahmen einer Zulassungsstudie eingesetzt. Heinrich ist der dritte Deutsche, dem ein Exemplar des Mini-Kunstherzens implantiert wurde.

Bis dahin hatte der heute 58-Jährige jahrelanges Leiden hinter sich. 1998 war der Fernfahrer auf einer Rücktour von Russland in der Nähe von Dresden urplötzlich mit Herzrhythmusstörungen zusammengebrochen. Elektroschock-Therapien halfen kaum, 2000 wurde ihm erstmals ein Herzschrittmacher eingesetzt. Sechs Jahre später musste der ausgetauscht werden. "Dennoch wurde mein Zustand immer schlechter", sagt er.

Als er im April 2007 an die Medizinische Hochschule Hannover überwiesen wurde, ist ihm erstmals bewusst geworden, wie schlimm es wirklich um ihn steht: "Ich kam auf eine Hochdringlichkeitsliste für ein neues Herz. Da war ich schon für eine Sekunde geschockt." Dreimal schien ein Spenderherz zu passen, dreimal stimmten die Gewebemerkmale dann doch nicht überein. Der Blutdruck wurde immer niedriger, die Nierenwerte immer schlechter. Schließlich sprachen die Ärzte den Gommerner auf die Möglichkeit des neuen Mini-Kunstherzens an. Die Entscheidung war für ihn nur noch Sekundensache.

Am 15. Juni begann mit der Operation sein neues Leben. Eines, in dem er selbst neu laufen lernen musste. Mühen, von denen ihm heute auf den ersten Blick nichts mehr anzumerken ist. "Die Herzfunktion liegt insgesamt bei nur 20 Prozent, aber ich kann fast alles wieder machen", sagt er. Nicht unbedingt einen Marathon laufen, aber zehn Kilometer mit dem Fahrrad entlang der Elbe fahren. Bei sich tragen muss er dafür nur zwei Batterien und einen Controller, die per Kabel mit dem Kunstherz verbunden sind - 1,6 Kilo schwer und untergebracht in einer Umhängetasche, die ebenso gut eine der modernen kleinen Videokameras fassen könnte. "Das Gerät kann ich im Auto sogar an den Zigarettenanzünder anschließen", erzählt Heinrich. Batterien und Controller schlagen sofort Alarm, wenn technisch etwas nicht stimmt. "Dann muss man nur die Nerven behalten und die Batterien zügig wechseln", so Heinrich. Wie das geht, hat auch seine Lebensgefährtin gelernt.

Zehn Jahre soll das neuartige Kunstherz haltbar sein - bei den wesentlich größeren Vorgängermodellen waren es fünf Jahre. "Das ist eine sehr gute Übergangslösung, für die ich allen Beteiligten sehr dankbar bin", so Heinrich. Noch wartet er auf die Transplantation eines Spenderherzen. Ebenso wie 800 Menschen, die jährlich in Deutschland auf die Empfängerliste kommen. Nur rund 400 davon kann laut Deutscher Stiftung Organtransplantation mangels Spenderherzen geholfen werden.

Ein großer Traum

Heinrich aber ist kein Mensch, der die Hoffnung aufgibt. "Man kann hinfallen, aber man muss wieder aufstehen", sagt er. Im kommenden Jahr kauft sich das Paar ein kleines Wohnmobil. Und Heinrich, der jetzt noch in Deutschland bleiben muss, weil täglich ein Spenderherz eintreffen kann, träumt schon von Reisen nach Griechenland oder Norwegen. "Das motiviert mich."