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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Aufklärung mit Parolen am Stammtisch

23.10.2014, 18:18
Diese Bierdeckel sollen aufklären.
Diese Bierdeckel sollen aufklären. SCREENSHOT Lizenz

Magdeburg - „Alle Muslime sind potenzielle Terroristen“, „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“: Solche dumpfen Parolen hat die Landeszentrale für politische Bildung auf Bierdeckel drucken lassen, die in Kneipen in Sachsen-Anhalt verteilt werden sollen. Unser Redakteur Alexander Schierholz sprach darüber mit Direktor Maik Reichel.

Herr Reichel, die Landeszentrale verteilt Bierdeckel mit Stammtisch-Parolen. Was soll das denn? Stammtisch-Parolen sind am Stammtisch eh in aller Munde. Wollen Sie Menschen in ihren Vorurteilen bestärken?

Reichel: Im Gegenteil. Die Aktion hat ein junger Mitarbeiter als Abschlussthema seines freiwilligen sozialen Jahres entwickelt und umgesetzt. Wir wollen damit solche Ressentiments aufgreifen, eine Diskussion darüber anregen und sie dann widerlegen. Deshalb sind auf der Rückseite der Bierdeckel Gegenargumente nachzulesen. Wer will, kann mit seinem Smartphone auch einen QR-Code scannen und bekommt noch mehr Informationen.

Kann das ausgerechnet in der Kneipe funktionieren: Dass Leute sich mit Politik beschäftigen und auch noch das Kleingedruckte lesen?

Reichel: Politische Bildung sollte überall stattfinden, auch in der Kneipe. Dort wird ja auch über Politik geredet. Und die Erklärtexte sind nicht kleingedruckt, sondern so groß, wie der Bierdeckel es zulässt. Wir gehen damit an Orte, an denen politische Bildung kaum vertreten ist und probieren, ob die Idee ankommt.

Befürchten Sie nicht, dass das nach hinten losgeht? Dass Sie die Ressentiments, mit denen Sie aufräumen wollen, erst recht bedienen, indem Sie sie auf Bierdeckel schreiben?

Reichel: Das sehe ich nicht so. Die Frage ist, wie stark solche Ressentiments in den Köpfen verankert sind. Wir wollen die Leute zum Nachdenken anregen. Es ist schon viel gewonnen, wenn sie darüber reden. Nach den ersten Berichten über das Projekt passiert das auch, zum Beispiel in Online-Foren.

Aber diejenigen, bei denen sich die Vorurteile gegen Migranten oder Homosexuelle verfestigt haben, kriegen Sie damit doch nicht.

Reichel: Wir machen ein Angebot zum Nachdenken und Diskutieren. Vielleicht bringt die Auseinandersetzung damit den einen oder anderen dazu, seine Meinung zu ändern.

Wie viele Gastwirte machen mit?

Reichel: Wir haben das Set mit sechs unterschiedlichen Parolen auf den Bierdeckeln in einer Auflage von 1 000 Stück fertigen lassen. Das bieten wir Gastwirten an, über unsere Homepage oder über soziale Netzwerke. Wir wenden uns an Branchenverbände und Einzelbetriebe. Wir stehen dabei aber erst am Anfang.

Wer finanziert die Aktion?

Reichel: Dafür verwenden wir Projektmittel der Landeszentrale, wie für Broschüren oder andere Angebote auch. Wir müssen uns ständig etwas Neues ausdenken, um die Leute zu erreichen, auch diejenigen, die nicht Dauergäste in unseren Seminaren sind. (mz)