Sachsen-Anhalt: Sachsen-Anhalt: Abc-Schützen auf Probe

Leuna/MZ. - "Eins, zwei, drei, vier..." - mit Zählen hat der fünfjährige Markus kein Problem. Routiniert geht es bis zur Zehn, weiter reichen die Kärtchen nicht, die Grundschullehrerin Edeltraut Schulz mit in die Leunaer Kindertagesstätte "Zwergenhügel" gebracht hat. Woher er das kann? Da zuckt der Knirps mit gespieltem Gleichmut die Schultern. "Das krieg ich einfach so hin."

Wöchentlich Unterricht

Markus wird 2008 eingeschult und ist eines von 18 Kindern, die derzeit im "Zwergenhügel" auf ihren Alltag als Abc-Schützen vorbereitet werden. In einem im September unterzeichneten Kooperationsvertrag zwischen der Leunaer Grundschule und den zwei Kitas der Stadt ist eine intensive Zusammenarbeit festgelegt, inklusive der einen "Unterrichtsstunde", die Schulz wöchentlich bei den Kindergartenkindern hält. Vor allem, sagt die stellvertretende Schulleiterin, geht es darum, sie kennenzulernen, Sprach- oder Verhaltensauffälligkeiten zu sehen. "Kinder haben einen viel besseren Start in die Schule, wenn sie früh gefördert werden."

Die Besuche in den Kitas wurden in Leuna schon 2005 eingeführt - mit guten Erfahrungen, wie Schulz betont. Seit September beschränken sie sich nun nicht mehr darauf, die Kinder zu beobachten. Schulz wird selbst aktiv, fördert die Fünfjährigen in kleinen Gruppen. Beim Ausmalen und -schneiden von Fischen für ein virtuelles Aquarium etwa achtet sie darauf, wie sie ihre Stifte halten, lässt sie wie nebenbei zählen, schreiben. "Wenn sie in die Schule kommen, kennen sie ihre Federmappe und können ihren Namen in Druckschrift schreiben", sagt Schulz. Mit dem regelmäßigen Kontakt - auch Besuchen in der Schule - wird den Kindern zudem Angst genommen. Schulz: "Sie haben auch mich dann als Ansprechpartner, den sie schon kennen."

Im "Zwergenhügel" herrscht große Begeisterung, wenn freitags zum "Unterricht" geladen wird. Auch die anfängliche Skepsis der Erzieherinnen hat sich gelegt. "Wir waren der Meinung, dass wir die Kinder sehr gut auf die Schule vorbereiten und haben uns gefragt, ob wir etwa alles falsch gemacht haben", erinnert sich Kita-Leiterin Kerstin Müller. Inzwischen wird die pädagogische Unterstützung als willkommene Ergänzung gesehen - insbesondere für Kinder, die mehr Förderbedarf haben als der Kindergarten aus eigener Kraft abdecken kann.

Das Landessozialministerium hört das mit Interesse, zumal Ministerin Gerlinde Kuppe (SPD) die vorschulische Bildung zu einem Schwerpunktthema erhoben hat. Landesweit läuft seit zwei Jahren unter Betreuung der halleschen Universität ein Projekt "Bildung elementar" für alle Altersstufen an 19 Modell-Kitas. "Kindertagesstätten sind mehr als bloße Betreuung", betont Ministeriumssprecher Holger Paech.

Leuna gehört zwar nicht zu den Modell-Kindergärten, "aber wir können nur animieren, eigene Bildungskonzepte zu entwickeln", so Paech. Ein ähnliches wie das Leunaer plant derzeit auch das Land: In so genannten "Abc-Gruppen" sollen ein- oder zweimal pro Woche die ältesten Kinder noch gezielter auf die Schule vorbereitet werden, allerdings von Erzieherinnen statt Lehrern. Über Umsetzung und Finanzierung wird noch beraten.

Zustimmung im Rat

In Leuna ist man unterdessen schon einen Schritt weiter: Während das Land noch kräftig rechnet, bietet die Stadt - der es finanziell ganz gut geht - das letzte Kindergartenjahr seit August kostenfrei an. "Im Stadtrat traf der Vorschlag im Frühjahr sofort auf Gegenliebe", sagt Bürgermeisterin Dietlind Hagenau (parteilos). Rund 35 000 bis 40 000 Euro gehen der Stadt so als Gebühren "verloren". "Das sind Dimensionen, die man bei Straßenbauprojekten ganz schnell als Mehrkosten hat", so Hagenau.

Erste Erfahrungen mit dem kostenlosen letzten Jahr hat Kindergarten-Chefin Müller auch abseits elterlicher Jubelrufe schon gemacht. Zwar gibt es keinen Run auf die Plätze - laut Ministerium sind im Vorschuljahr ohnehin mehr als 90 Prozent der Kinder im Kindergarten. Dafür gebe es mehr Anmeldungen für kostenpflichtige Zusatzangebote wie beispielsweise den Englisch-Unterricht im Kindergarten.