Würdenburg in Teutschenthal Würdenburg in Teutschenthal: Einst Regionalgeschichte - heute Verfall

Teutschenthal - Wenn vom Schloss Teutschenthal die Rede ist, denkt man an die stattliche Schlossvilla der Familie Wentzel mit ihrem gepflegten Park mit historischem Baumbestand. Die Villa wurde zwischen 1883 und 1885 vom Architekten und Stadtbaumeisters in Merseburg im Stil der Gründerzeit erbaut.
1913 wurde das Anwesen nach einem Brand durch den Düsseldorfer Architekten Josef Kleesattel umgebaut. Heute kann man dort im Schlosshotel übernachten, unvergessene Feste wie Hochzeiten feiern, Tagungen abhalten und exklusive Kulturangebote genießen. Ein richtiges Schloss also.
Würdenburg in Teutschenthal: 400 Jahre in Ortsmitte
Doch Teutschenthal hatte einst noch ein ganz anderes Schloss. Mehr als 400 Jahre stand es prächtig in der Ortsmitte. Die Rede ist von der Würdenburg. „Der Begriff ;Schloss’ beinhaltet nach dem kunsthistorisch beziehungsweise architektonischen Verständnis des Wortes ein von einem Adelsgeschlecht in Auftrag gegebenes Anwesen“, erklärt der Historiker und Heimatforscher Mike Leske aus Teutschenthal. Das ist bei der Würdenburg der Fall, die auf das Geschlecht derer von Trotha zurückgeht.
Unweit der Gemeindeverwaltung findet man das Gemäuer, das ein ruinöses und verwahrlostes Erscheinungsbild darbietet. Das betrifft nicht nur die stark verfallene Bausubstanz und den Wildwuchs rundherum, sondern auch das Gelände, in dem sich eine ganze Reihe von Autowracks befindet, die zum Abenteuerspielplatz der Dorfjungen werden.
Würdenburg Teutschenthal: Renaissancebau wurde von der Familie von Trotha errichtet
Kaum einer erahnt da, dass die Würdenburg bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts das wirtschaftlich und politische Zentrum des Ortes war. Der ursprüngliche Renaissancebau wurde von der Familie von Trotha errichtet, welche von dort aus die Regionalgeschichte bestimmte. „Das noch heute weit verbreitete Geschlecht leitet seinen Namen und die Herkunft vom Dorf Trotha ab, welches seit 1900 in Halle eingemeindet ist.
Der herausragende Vertreter dieser Familie ist der Merseburger Bischof Thilo von Trotha, der von 1466 bis 1514 lebte“, blickt Leske in die Geschichte. Wolf von Trotha (gestorben 1375) und dessen Sohn Nicolaus (gestorben 1412) waren von den Mansfelder Grafen mit Gütern entlang des Würdebachs belehnt worden.
Stetig vergrößernder Besitz der Edlen zu Trotha
Der sich stetig vergrößernde Besitz entlang des Baches und der damit verbundene Repräsentationsanspruch der Edlen zu Trotha machten einen standesgemäßen Herrschaftssitz notwendig. Zu diesem Zweck ließ Friedrich von Trotha (gestorben 1615) die bislang dort vorhandenen mittelalterlichen Gebäude eines Freihofs im späten 16. Jahrhundert abreißen und durch ein stattliches Herrenhaus ersetzen.
Auf winkelförmigem Grundriss entstand ein renaissancezeitliches Schloss aus zwei Flügeln, in deren Winkel ein weithin sichtbarer Treppenturm stand. „Der Turm zeigte nach dem Gebirgsschlag 1941 tiefe Risse und wurde zehn Jahre später abgerissen“, erzählt Leske.
Casimir von Trotha ließ das Schloss im Jahr 1710 teilweise umbauen
Casimir von Trotha (1679-1711) ließ das Schloss im Jahr 1710 teilweise umbauen und dem barocken Stil anpassen. „Die fast 400-jährige Herrschaft der Edlen zu Trotha in Teutschenthal endete mit dem Verkauf der Würdenburg im Jahr 1832. Finanzielle Nöte hatten Ludwig von Trotha (1811–1895) dazu gezwungen, sämtliche Besitzungen in Teutschenthal zu veräußern“, so Leske. Danach habe das Schloss mehrfach den Besitzer gewechselt und habe gemeinsam mit umliegenden Ländereien des Öfteren für preußische Militärmanöver gedient.
„Bei einem dieser Manöver, im September 1857, waren neben hochrangigen Vertretern des europäischen Hochadels auch der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) sowie der Prinz von Preußen, der spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. (1797–1888), auf Schloss Würdenburg anwesend“, so Leske. Danach sei die Würdenburg bald in Bedeutungslosigkeit versunken.
Mosterei der LPG Teutschenthal zu DDR-Zeiten
Als Erbschaft seiner Frau Ella (geborene Zimmermann) sei das Schloss schließlich 1915 in den Besitz von Carl Wentzel (1876-1944) gelangt. Nach der Bodenreform und der Enteignung der Familie war im Hauptgebäude eine Zahnarztpraxis untergebracht, später habe das Herrenhaus als Kindertagesstätte gedient.
Die im Laufe der Zeit entstandenen Wirtschaftsgebäude wurden zu DDR-Zeiten von der Bäuerlichen Handelsgenossenschaft genutzt, auch eine Mosterei der örtlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war bis Anfang der 90er Jahre dort zu finden. Leske bedauert den heutigen Zustand des Schlosses. „Seit Ende 2013 versuche ich, das alte Schloss ins Bewusstsein der Leute zu bringen.“ So stellte er es 2015 beim Tag des offenen Denkmals der Öffentlichkeit vor. (mz)
