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Wohnungswirtschaft Leuna  Wohnungswirtschaft Leuna : Nachfolger an der Spitze erbt Schulden und zwei Großprojekte

Von Robert Briest 04.07.2020, 11:00
An der Sattlerstraße gestaltet die WWL einen Innenhof neu.
An der Sattlerstraße gestaltet die WWL einen Innenhof neu. Robert Briest

Leuna - Urlaub, Enkel, Garten, Sport - Ursula Haslbecks Terminkalender wird ab Mittwoch nicht leerer - und doch kann die Bad Dürrenbergerin nun freier über ihre Zeit verfügen, als in den vergangenen 25 Jahren. Denn nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze der Wohnungswirtschaft Leuna (WWL) wechselt Haslbeck, die das 1995 gegründete Unternehmen mit aufgebaut hat, zum 1. Juli in den Ruhestand.

Ihr Nachfolger ist fast genauso lang in der Branche aktiv, allerdings mit 52 Jahren ein gutes Stück jünger. Steffen Gebhardt fing 1996 bei der WG Leuna (heute Bauverein Halle-Leuna) an, wechselte später zur Wohnungswirtschaft Merseburg. „Ich habe in den 23 Jahren in allen Sparten der Wohnungsbranche gearbeitet“, sagt der Jurist und scherzt: Die Häuser, für die er zuständig war, seien im Laufe seiner Karriere geschrumpft – von den Elfgeschossern auf der halleschen Silberhöhe über die sechsgeschossigen Neubauten in Merseburg bis hin zu den meist nur zwei bis dreigeschossigen Gebäuden im Bestand der WWL.

1.100 Wohnungen, 27 Gewerbeeinheiten, 400 Garagen

Die ist der wichtigste Vermieter in der Kernstadt Leuna. Während sie für die Stadt gut 100 Wohnungen in den Ortsteilen nur verwaltet, gehören ihr in der Kernstadt etwa 1.100 Wohnungen, 27 Gewerbeeinheiten, 400 Garagen. „Es ist ein sehr differenziertes Wohnungsangebot mit verschiedensten Baustilen und Grundrissen“, schildert Gebhardt. Er ist bereits seit einem Jahr als Co-Geschäftsführer im Haus, um eine reibungslose Übergabe zu gewährleisten.

Er weiß also, worauf er sich einlässt, denn zumindest von den nackten Zahlen her ist die WWL kein einfacher Fall. Der Leerstand liegt mit 16 Prozent über dem Landesschnitt (13 Prozent), die Verschuldung ist hoch: „Der Anteil der Zins- und Tilgungslast liegt sonst bei 30 bis 40 Prozent“, sagt der neue Geschäftsführer, „bei uns sind es 50 Prozent.“ Die Hälfte der Einnahmen fließt also in den Schuldendienst.

Große Altlasten

Das ist vor allem einem politisch gewollten Großeinkauf vor elf Jahren geschuldet. Damals erwarb die WWL vom Mitbewerber Leuwo 850 Wohnungen in der Kernstadt. Dafür musste das kommunale Unternehmen einen Kredit von 22,7 Millionen Euro aufnehmen. „Man hat die damals günstigen Kreditkonditionen genutzt“, berichtet Gebhardt. Dass die zehn Jahre später noch viel günstiger sind und Geld quasi nichts kostet, habe man damals nicht ahnen können.

Der Hauptkredit läuft allerdings noch fast 20 Jahre. Eine Umschuldung auf aktuelle Kreditkonditionen ist daher nicht möglich. Haslbeck hält den Kauf rückblickend dennoch für richtig, weil so für alle ein bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden könne und weil die Kommune nun den Stadtumbau gestalten kann.

Öffentlich zugänglicher Innenhof neu gestaltet

Praktisch geschieht das gerade mit zwei Projekten. Bei dem kleineren in der Sattlerstraße wühlen sich bereits die Bagger durch das Gelände. Hier wird ein öffentlich zugänglicher Innenhof neu gestaltet und mit einem Spielplatz versehen. Für das zweite, das Königsprojekt, hat die WWL vergangene Woche einen Zuwendungsvertrag mit der Stadt unterzeichnet.

Die reicht damit drei Millionen Euro vom Land für den Umbau der Alten Post weiter, die, so das erklärte Ziel, zu einem zentralen Ort für die Stadt ohne echtes Zentrum werden soll. Für insgesamt 7,4 Millionen Euro sollen dort 31 Wohnungen und sechs Gewerbeeinheiten entstehen. Gebhardt hofft, dass dort beispielsweise ein Café einzieht.

Sanierung und Abriss

Alles, was die Attraktivität des Wohnortes Leuna erhöht, hilft letztlich auch der WWL. Deren Chef ist daher ein Freund des Baus der direkten S-Bahn-Verbindung nach Leipzig nebst Verlegung des Bahnhofs Leuna-Nord in den öffentlichen Raum. Schon jetzt habe man mit Schwimmbad und -halle, Schulen, Kita eine gute Infrastruktur, wirbt Gebhardt: „Die Wohnqualität ist hier höher als in Halle oder Merseburg bei niedrigeren Preisen.“ Das Problem aus seiner Sicht ist allerdings, dass dies viele nicht so sehen. Gerade Ältere assoziierten Leuna mehr mit dem Chemiestandort als mit Wohnen. „Die größte Herausforderung, die ich für die nächsten zehn Jahre sehe, ist, Leuna als Wohnstandort bekannt zu machen.“

Mieterpotenzial ist sicherlich vorhanden. Im Chemiestandort arbeiten mehr Menschen als in der Kernstadt leben. Ein weiterer Weg gegen den Leerstand ist Sanierung. Viele Wohnungen seien nach der Wende saniert worden. Nun steht die „zweite Sanierungswelle“ an, weil sich die Ansprüche der Mieter, etwa was die Badgestaltung angeht, verändert hätten, sagt Gebhardt. Ab 2023 will die WWL daher jedes Jahr ein Haus modernisieren. Parallel dazu sollen freiwerdende Wohnungen sukzessive erneuert werden.

Allerdings hat wohl nicht das ganze Portfolio des kommunalen Wohnungsunternehmens eine Zukunft. Abriss und Verkauf bleiben Optionen, lässt Haslbeck durchblicken. „Das Thema Abriss wird die WWL noch begleiten.“ Es müssten aber auch die Preise dafür vernünftig sein, sagt die scheidende Chefin. Details will sie noch nicht nennen. Sie sind nun auch nicht mehr ihre Baustelle. Einen langfristigen WWL-Termin hat Ruheständlerin Haslbeck aber schon im Kalender stehen. Am 30. Juni 2022 soll die Fertigstellung der Alten Post gefeiert werden. (mz)