Verlieren verboten Verlieren verboten: Wie Hans Sarpei und Peter Neururer Blau-Weiß Brachstedt aufmischten

Brachstedt - David Reza ist ganz offensichtlich nervös. Unruhig zieht der Kapitän von Blau-Weiß Brachstedt an seiner Zigarette, eine Stunde ist es da noch bis zum Training. „Wir wissen ja nicht wirklich, was uns erwartet“, erklärt der 30-Jährige seine Aufregung.
Dabei steht an diesem Freitagabend eigentlich nur eine Trainingseinheit beim Landesligisten aus dem nördlichen Saalekreis an. Eine Einheit, wie sie der so große wie schlanke Stürmer über die Jahre schon mehr als 1000 Mal abgespult hat.
Aber diesmal ist in Brachstedt vieles anders, nicht nur für David Reza. Der Ausnahmezustand hat das gesamte Team erfasst. Das hat damit zu tun, dass drei Kameraleute ihr Equipment beim Training der Amateure aufbauen, die sonst unter Ausschluss der Öffentlichkeit ihr Programm absolvieren. Nun aber werden sie drei Tage lang fürs Fernsehen gefilmt.
Verantwortlich für den Ausnahmezustand: Hans Sarpei und Peter Neururer. Die beiden ehemaligen Bundesliga-Größen - einer Spieler, einer Trainer - werden in den nächsten drei Tagen das Training beim Landesligisten übernehmen und sie für das TV-Format „Das T steht für Coach“ auf das Derby gegen Landsberg am Sonntag vorbereiten.
Es sind absurde Sprüche wie „Hans Sarpei hält seine eigenen Elfmeter“ oder „Hans Sarpei kann Liegestütze ohne Hände“, ersponnen von Fußballfans nach dem Vorbild der bekannten Chuck-Norris-Witze, die dem ehemaligen Bundesligaspieler zunächst zu Kult-Status im Internet und später zu einer eigenen Sendung auf Sport 1 mit dem gleichsam absurden Titel „Das T steht für Coach“ verholfen haben.
Das T steht für Coach - Hans Sarpei ist seit 2013 im Einsatz
Seit 2013 ist Sarpei, der als Profi für Wolfsburg, Leverkusen und Schalke auflief, dafür in den Tiefen des Amateurfußballs unterwegs. Dort versucht er, Hobby-Kickern an drei Tagen das kleine Einmaleins des Fußballs näher zu bringen - mal mit viel, mal mit wenig Erfolg.
Wie es der Titel der Sendung bereits vermuten lässt, verbindet das Format Coaching und Comedy.
Seit 2017 ist Peter Neururer dabei. Der hat nicht nur einst den VfL Bochum in den Uefa-Cup geführt, sondern sich mit flotten Sprüche einen Kult-Status erarbeitet. Legendär seine Selbsteinschätzung, dass er Real Madrid trainieren würde, wenn der Posten nur nach Fachkenntnis vergeben würde.
Hans Sarpei und Peter Neururer - Brachstedt statt Madrid
An diesem Wochenende heißt die Realität für Neururer und Sarpei aber nicht Königsklasse in Madrid, sondern siebte Liga in Brachstedt.
Der Dreh beginnt mit einem inszenierten Aufeinandertreffen: Wie Gladiatoren schreiten Hans Sarpei und Peter Neururer zu Beginn des Trainings auf die Mannschaft zu.
Das T steht für Coach in Brachstedt - der Anfang ist schwer
Dreimal schmettern ihnen die Brachstedter Freizeitkicker ein „Blau Weiß“ entgegen, dann ist die erste Szene für die Sendung im Kasten.
Dann geht es an die Arbeit. Hans Sarpei gibt die erste Übung vor: Die Amateurkicker sollen sich zwischen Hütchen Bälle zupassen. Dabei nehmen die Kameraleute die Spieler ins Visier. Aber wirklich rund läuft es nicht, nicht nur dem Kapitän verspringt öfters der Ball.
„Am Anfang war ich einfach nicht so locker. Wenn Leute vor dir stehen, die du sonst nur aus dem Fernsehen kennst, bist du erstmal angespannt“, sagt Reza später.
Hans Sarpei in Brachstedt: Verlieren ist verboten!
Sarpei gewährt den Amateurkickern keine Schonfrist. Schnell wird klar, dass es beim Training nicht so witzig zugeht wie es in der fertigen Sendung, nach Schnitt und mit Kommentierung anmutet.
„Das ist eine einfache Übung und ihr bekommt das nicht hin. Ihr müsst euch zusammenreißen“, schreit er die Brachstedter an und kommentiert schonungslos in die Kamera: „Das fühlt sich gerade mehr nach Kreisliga als nach Landesliga an.“
Später erklärt er seinen rauen Ton: „Das Training soll Spaß machen, klar. Sonst würden wir auch nicht zu irgendwelchen Mannschaften tingeln, die den Ball nicht geradeaus spielen können“, sagt er. „Aber wenn wir nur herkommen und den Pausenclown machen, ist die Gefahr da, dass wir verlieren.“
Und Verlieren, das wollen Sarpei und Neururer trotz der humoristischen Ausrichtung des Formats nicht. „Jede Niederlage ist ein persönliche Niederlage. Dagegen arbeitet man an“, sagt Neururer.
Gut für Reza und seine Mannschaftskollegen: Nach den Startschwierigkeiten tauen sie auf, zeigen bei einer Übung zum gelungenen Aufbauspiel, dass sie Fußballspielen können. Die Laune der Kult-Trainer hebt sich. „Geht doch“, lobt Neururer.
Sirko Dahlmann holte Hans Sarpei und Peter Neururer nach Brachstedt
Sirko Dahlmann steht währenddessen am Spielfeldrand. Der Brachstedter Präsident hat die Bewerbung für die Sendung gestaltet. „Ich hatte die Idee mit den Galliern aus Brachstedt, die in der Landesliga gegen große Städte wie Weißenfels bestehen.“
Das kam an, bescherte Dahlmann aber auch schlaflose Nächte. „Nach der ersten Rückmeldung hatten wir nur vier Tage Zeit, um die Mannschaft und die einzelnen Spieler per Video vorzustellen“, erinnert er sich. 170 Gigabyte Videomaterial kamen zusammen, „in zwei Nachtschichten habe ich das zusammengeschnitten“.
Zwei Wochen später kam die Zusage. „Jetzt hoffe ich, dass in der Sendung auch rüberkommt, was wir hier als Dorf auf die Beine stellen“, sagt Dahlmann beim Trainingsabschluss.
Höhepunkt bei Das T steht für Coach - das Derby gegen Landsberg
Ein Mannschaftsabend und eine weitere Trainingseinheit später wird es dann ernst: Das Derby gegen Landsberg steht an. Fast 600 Zuschauer haben sich dafür am Sonntag in Brachstedt eingefunden, die Autos stehen bis aus dem kleinen Ort hinaus.
„Eigentlich ist mein Puls normal“, sagt David Reza kurz vor Spielbeginn. Das Geschehen nach dem Anpfiff spricht aber eine andere Sprache. Die Brachstedter sind nervös, verwerten gegen den Außenseiter gute Chancen nicht. Neururer und Sarpei sind unzufrieden. „David, du läufst deine Gegenspieler zu spät an“, brüllt Sarpei Reza zu. Torlos geht es in die Pause.
Drama für Brachstedt - zwei Platzverweise im Derby
Was sich dann in der zweiten Halbzeit abspielt, hätte wohl kein Drehbuchschreiber besser erdenken können. Für die Gastgeber ist es aber ein Drama: Zwei Brachstedter fliegen nach Foulspielen vom Platz. Plötzlich ist der Favorit nur noch zu neunt und die Taktik wird geändert.
Statt Spiel auf Sieg ist jetzt Ergebnis halten angesagt. „Bei jeder Gelegenheit hinlegen, Pausen nehmen“, instruiert Neururer.
Um Zeit von der Uhr zu nehmen, wird auch Reza ausgewechselt und muss machtlos ansehen, wie in der Nachspielzeit auch noch Brachstedts Torwart vom Platz fliegt und Landsberg das Derby per Elfmeter 1:0 gewinnt.
Derby Brachstedt - Landsberg: Peter Neururer ist sauer
„In meiner ganzen Trainerkarriere habe ich drei Platzverweise in einer Halbzeit nicht erlebt“, echauffiert sich Neururer, der so also auch noch eine neue Erfahrung mit nach Hause nimmt. „Kein Vorwurf an die Jungs. Sie waren sehr engagiert und tun mir jetzt einfach nur leid.“
Reza ist völlig niederschlagen. „So ein Ende ist einfach eine Katastrophe. Gerade ist mir daher auch egal, wie die fertige Sendung dann aussieht“, sagt er.
Sarpei und Neururer in Brachstedt - am 6. Juni läuft die Sendung
Am 6. Juni soll der Gastauftritt von Sarpei und Neururer in Brachstedt auf Sport 1 ausgestrahlt werden. Nach kurzer Besinnung kommt bei Reza dann doch auch ein bisschen Vorfreude zurück. Denn: „Insgesamt war das Wochenende für uns Freizeitkicker eine tolle Erfahrung“, sagt der Stürmer. (mz)