1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Saalekreis
  6. >
  7. Unwetter im Saalekreis: Unwetter im Saalekreis: "Das Wasser kam wie eine Tsunamiwelle"

Unwetter im Saalekreis Unwetter im Saalekreis: "Das Wasser kam wie eine Tsunamiwelle"

Von Undine Freyberg 20.05.2017, 12:41
Aufräumen nach Unwetter in Langeneichstädt
Aufräumen nach Unwetter in Langeneichstädt Peter Wölk

Langeneichstädt/Nemsdorf-Göhrendorf - Eva Benesch stehen die Tränen in den Augen. „Ich kann nicht mehr.“ Vor elf Jahren sei ihr Sohn tödlich verunglückt, vor sechs Jahren ihr Mann gestorben. „Und jetzt das. Das ganze Erdgeschoss ist voller Schlamm. Da kann ich nicht mehr wohnen. Aber ich kann hier auch nicht weg“, erzählt die 55- Jährige, die keine Arbeit mehr hat. „Ich hab doch den Hund.“ Mit ihrem Schäferhund habe sie sich ins Obergeschoss ihres Hauses geflüchtet.

Am Morgen nach dem Unwetter, dass über den Saalekreis hinweggefegt war, hat sie sich wieder die Gummistiefel angezogen und hilft wie alle Anwohner von Lindenplan und Brauhausgasse in Langeneichstädt, die schlammigen Spuren zu beseitigen. Gemeinsam mit Tochter und Enkelin, die aus Mücheln herübergekommen sind, schippt sie, was sie kann.

Am tiefsten Punkt von Langeneichstädt wird ein Hof nach dem anderen gemeinsam vom Schlamm befreit. Wannen, Schaufeln, Tröge, Schneeschieber - alle, was irgendwie hilfreich ist, kommt zum Einsatz. Zwei Radlader fegen im Eiltempo durch die Straße, schieben alles, was zusammengekarrt wurde, weg, damit die zähe Schlammsuppe bei den sommerlichen Temperaturen nicht an Ort und Stelle hart wird. 50 Meter weiter, am Spargelhof Hindorf, kaufen die auswärtigen Kunden Spargel ein wie immer und erfahren nebenbei, dass um die Ecke quasi für manche Menschen die Welt untergegangen war.

Die Kreisleitstelle hat längst aufgehört, die Zahl der Einsätze zu zählen. Seit Freitagabend, waren die Feuerwehren in mehr als 25 Kommunen unterwegs - in Querfurt und vielen seiner Ortsteile und auch im Geiseltal.

Am härtesten hat es aber vermutlich das Weida-Land und hier vor allem Nemsdorf-Göhrendorf getroffen. Das Wasser stand hier meterhoch in der Straße über dem Weidenbach. „Ich bin 30 Jahre im Ort - so etwas haben wir noch nicht erlebt. Hier ist die Hölle los“, sagte Hans-Joachim Denner dessen Hof nicht betroffen war, der aber herüberkam, um zu helfen. „Hier gehen Existenzen zugrunde.“

„Wir hatten Hagel und Regen in unvorstellbarem Ausmaß - innerhalb von drei Minuten war das Erdgeschoss vollgelaufen“, erzählt Loreen Krieger. „Dann gab es einen Knall und die riesige Grundstücksmauer vom Nachbargrundstück wurde von den Wassermassen umgehauen, so dass sogar unser Haus nebenan mitvibriert hat. Ich habe zwei kleine Kinder, und wir konnten uns dann einfach nur ins Obergeschoss retten“, erzählt Loreen Krieger, die im Haus ihres Vaters zu Gast war. Im Nachbarhof sind zwei Autos Totalschaden.

„Der Wagen hier stand nicht an der Toreinfahrt, der war viel weiter hinten geparkt. Der wurde einfach rumgeschwemmt“, sagt Solvig Schärf, als sie vor dem Haus ihrer Mutter steht. „Das Wasser kam vom Acker aus Richtung Barnstädt wie eine Tsunamiwelle. Das kann sich keiner vorstellen.“

Diese Wellen rissen auch ein kleines rotes Auto mit, das dann an einer kleinen Brücke hängenblieb. „Ich hatte es etwa zwei Stunden zuvor an der Straße geparkt“, erzählt Silke Stechemesser. Die 49-Jährige bereitete mit Freunden eine Geburtstagsfeier vor, als sie merkte, dass ihr Auto weg ist. Sie nimmt es trotzdem mit Humor. „Das Auto war 15 Jahre alt, reden wir nicht drüber. Nur der Auspuff, den hab ich erst vor zwei Wochen erneuern lassen“, schmunzelt die 49-Jährige aus dem Burgenlandkreis. Zwei junge Frauen haben aus dem Fenster beobachtet, wie die Wassermassen das rote Auto erfassten und haben ein Handy-Video gedreht. „So etwas habe ich noch nicht gesehen - jedenfalls nicht bei uns “, meint die eine. Und da sind sich die Einwohner des kleinen Ortes einig. Zumal das Unwetter auch zu Strom- und Telfonausfall führte.

Doch warum war es so schnell so viel Wasser, das über den Ort hereinbrach? Manche Einwohner vermuten eine Wasserhose ob der Wucht, mit der das Wasser hereinschlug.

„Als es anfing, dachte ich noch, wir reden von 50 Zentimeter Wasser, aber das hier ist eine Katastrophe“, sagt Verbandsgemeinde-Bürgermeister Kay-Uwe Böttcher (CDU), den die MZ gemeinsam mit Brandabschnittsleiter Rudolf Bernhardt in der Göhrendorfer Dorfstraße traf. „Wir haben alles an Maschinen und Geräten zusammengeholt, was die Bauhöfe der Ortsteile hergaben“, so Bernhardt. Bereits am Freitagabend mussten in Nemsdorf-Göhrendorf die Gäste einer privaten Feier mit einem Traktor aus dem Gasthaus „Zum goldenen Stern“ gerettet werden. (mz)