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Traumjob Landarzt Traumjob Landarzt: Warum sich eine Praxis aus Barnstädt auf dem Dorf wohlfühlt

Von Robert Briest 05.05.2018, 10:00
Peter Mosinski und Dagmar Dusch haben die Arbeit auf dem Land schätzen gelernt.
Peter Mosinski und Dagmar Dusch haben die Arbeit auf dem Land schätzen gelernt. Peter Wölk

Barnstädt - Einen freien Stuhl gibt es nicht mehr. Der Wartebereich der Barnstädter Arztpraxis ist voll, vor allem Rentnern harren hier ihres Aufrufs ins Behandlungszimmer. Für Dagmar Duscha ist solch Andrang nichts besonderes. Sie ist seit fast 38 Jahren die Ärztin im Ort: „Wir haben mindestens 1.200 Patienten im Quartal.“ Die kämen in den drei Monaten teilweise aber nicht nur ein, sondern sechs, sieben Mal.

Das schlägt sich natürlich auch in den Arbeitszeiten nieder. Jahrelang habe sie mindestens 60 Stunden pro Woche gearbeitet, erzählt Duscha. „Dazu kam 15 Jahre lang jede zweite Woche der Notdienst.“ Also eine Woche lang Bereitschaft.

Patientenzahl pro Quartal auf dem Dorf ein Drittel niedriger

Es sind auch solche Zahlen, die junge Medizinabsolventen vom Schritt in eine Dorfpraxis abhalten. Denn im Bundesschnitt liegt die Patientenzahl pro Quartal ein Drittel niedriger. Landarztmangel heißt seit vielen Jahren ein politisches Schlagwort, auf das das Landeskabinett von Sachsen-Anhalt nun mit neuen Maßnahmen reagieren will:

Eine Studienplatzquote für Anfänger, die sich für mindestens zehn Jahre auf dem Land verpflichten, ist ebenso im Gespräch wie eine Bevorzugung von Landeskindern bei der Studienplatzvergabe, weil Sachsen-Anhalt nicht weiterhin mehr als die Hälfte seiner Studenten für andere Bundesländer ausbilden will, während man selbst eines der schlechtesten Patienten-Arzt-Verhältnisse hat.

Saalekreis: Nordkreis eine „drohende Unterversorgung bei Hausärzten“ attestiert

Im Saalekreis ist die Situation zwiegespalten, während der Süden nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) noch ordentlich vorsorgt ist, attestiert sie dem Nordkreis eine „drohende Unterversorgung bei Hausärzten“. Allerdings stehen im gesamten Kreis viele Ärzte kurz vor dem Rentenalter oder haben dieses bereits erreicht: Ein Viertel von ihnen ist 60 Jahre und älter.

Laut KV fehlen bis 2032 260 Hausärzte im Land, um den Versorgungsstand von 2017 zu halten. Lücken würden wohl vor allem auf dem Land entstehen, denn das scheuen viele Jungmediziner. Der wichtigste Grund dafür sei, schätzt Duscha, dass die Stadt mehr Infrastruktur wie Freizeitmöglichkeiten und Restaurants biete. „Viele haben auch Angst vor dem Betriebswirtschaftlichen: Wie hält man die Praxis am Laufen.“ Doch das könne man lernen.

„Ich wollte immer Landärztin werden“

Auf die Frage, ob sie denn jungen Ärzten empfehlen würde, aufs Land zu gehen, antwortet die Ärztin mit „immer“ und einem leidenschaftlichen Plädoyer: „Ich wollte immer Landärztin werden. Es ist ein wunderbarer Beruf mit viel Kontakt zu den Patienten.“

Oft entwickele sich ein Vertrauensverhältnis, Patienten würden ihr anvertrauen, was sie nicht mal ihrer Familie erzählen. „Und es ist auch schön, die Dankbarkeit zu spüren.“ Für harte Schulmediziner, die nur anhand von Daten entscheiden, sei der Landarztjob vielleicht aber nichts: „Man braucht Empathie.“ Und natürlich auch die Bereitschaft, viel zu arbeiten. „Es ist schon harte Arbeit. Wenn wir morgens anfangen, haben wir erstmal vier, fünf Stunden Patienten ohne Pause.“

Landärztin im Saalekreis: Arbeitsbelastung hat sich zuletzt reduziert

Duschas Arbeitsbelastung hat sich zuletzt jedoch reduziert. Zum einen, weil das Gebiet für Notdienste vergrößert wurde, sie jetzt nur noch zwei, drei Mal im Quartal an der Reihe ist. Zum anderen wegen Peter Mosinski. Der 39-Jährige sitzt im Nebenzimmer und ist quasi Duschas Azubi. Nach zehn Jahren im Klinikum Querfurt und einer Ausbildung zum Pulmologen sattelt er nun auf Landarzt um, soll, so hofft die 62-jährige Duscha, einmal die Barnstädter Praxis übernehmen.

Er finde es angenehm auf dem Land. Auch Mosinski hebt die engere Arzt-Patienten-Bindung hervor: „In der Klinik hat man nur wenig Kontakt zum Patienten.“ Vor allem wenn man Karriere machen wolle. Für die müsse man sehr viel Zeit investieren. „In der Praxis hat man weniger Dienste, die Lebensqualität ist jetzt höher“, preist der Familienvater das Landarztdasein.

Arzt auf dem Land: Wie kann man den Nachwuchs von Vorteilen überzeugen?

Doch wie kann man den Nachwuchs von dessen Vorteilen überzeugen? Die KV und Duscha befürworten die Idee, Landeskinder bei der Studienplatzvergabe zu bevorzugen. Man habe entsprechende Erfahrungen gemacht, dass sich im ländlichen Raum eher die niederlassen, die aus der Gegend stammen, argumentiert die KV. Nach Duschas Ansicht sollte bei der Studentenauswahl ohnehin nicht nur nach dem Abidurchschnitt geguckt werden: „Man muss ja auch mit Patienten umgehen können.“

Auch der Vorschlag von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU), junge Ärzte wie in einer Poliklinik anzustellen, damit sie sich nicht selbstständig machen müssen, könnte nach Einschätzung der Ärztin durchaus helfen. Schließlich würde das den Jungmedizinern die Sorge vor den wirtschaftlichen Herausforderungen der eigenen Praxis nehmen. (mz)