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Total-Ausfall Total-Ausfall in der Raffinerie Leuna: Sieben Fakten zu den Folgen des Brandes

Von Steffen Höhne und Melain van Alst 02.06.2017, 06:00
Die beleuchtete Raffinerie in Leuna bei Nacht.
Die beleuchtete Raffinerie in Leuna bei Nacht. Peter Wölk

Leuna - Das umsatzstärkste Unternehmen Sachsen-Anhalts, die Total-Raffinerie in Leuna, steht still. Ein bei planmäßigen Wartungsarbeiten ausgelöster Brand in einer Destillationsanlage legt die gesamte Produktion lahm. Die MZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie groß ist der Schaden in der Raffinerie?

Von Mitte Mai bis Anfang Juni sollte die Raffinerie einen Zwischenstopp einlegen. Bei Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten kam es am 17. Mai zu einem Schwelbrand in einer Kolonne. Diese Anlage muss nun aufwendig repariert werden. Laut Total könnte sich das nach „derzeitigen Schätzungen, über den Monat Juni hinweg erstrecken“.

Die Anlage sei im Herstellungsprozess so zentral, dass auch die anderen 20 bis 30 Kolonnen nicht ohne Weiteres in Betrieb gehen können. Techniker arbeiten nun an Lösungen, um umgehend eine reduzierte Kraftstoff-Produktion wieder herzustellen. Jeder Ausfalltag kostet Geld. Der Schaden geht in die Millionen.

Ist nun die Kraftstoffversorgung in Mitteldeutschland gefährdet?

Total versorgt von Leuna aus rund 1 300 Tankstellen in Ostdeutschland mit Kraftstoff. Das sind nicht nur eigene Stationen, sondern auch alle anderen großen Marken wie Aral, Shell, Esso und Jet werden bedient. In Deutschland gibt es 14 größere Raffinerien - Leuna liefert etwa ein Zehntel der Gesamtproduktion. Für den ohnehin geplanten zweiwöchigen Stillstand wurden in Leuna Kraftstoff-Reserven angelegt. Zudem gibt es weitere Tanklager. Reichen diese nicht aus, wird Total wohl von anderen Raffinerien Kraftstoff beziehen.

„Die Versorgung von Tankstellen wird alternativ sichergestellt“, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Nach Angaben von Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes in Berlin, gibt es am europäischen Markt ausreichend Kapazitäten zum Ausgleich. Auch steigende Preise erwartet von Gersdorff nicht. In der Vergangenheit habe es auch bei anderen deutschen Raffinerien durch Havarien Stillstände gegeben, die ohne Auswirkungen auf den Gesamtmarkt geblieben seien.

Wie konnte ein solch begrenzter Brand solch großen Folgen haben?

Bei der Verarbeitung von Rohöl entstehen verschiedene Mineralölprodukte gleichzeitig. Neben Benzin und Diesel sind das etwa Kerosin, Heizöl sowie schwere Rückstände (bitumartige Stoffe). Gebrannt hat es laut Total-Sprecher Joachim Bührmann in einer Vakuum-Destillationskolonne, in der schwere Rückstände verarbeitet werden. Davon gibt es in Leuna nur eine Anlage. Fällt diese aus, kann auch kein Benzin oder Diesel mehr hergestellt werden. Es wäre auch nicht möglich, die schweren Rückstände in Kesselwagen abzutransportieren.

Was wird nun getan, um die Raffinerie wieder in Betrieb zu nehmen?

Die Techniker von Total prüfen derzeit, wie schwer die betroffene Kolonne beschädigt ist. Durch den Brand könnten sich Metallteile verformt haben. Die Reparatur dauert offenbar mehrere Wochen. Parallel dazu wird nach Angaben von Bührmann nun versucht, andere bestehende Anlagen zu nutzen, um die schweren Rückstände zu verarbeiten. Dazu wurden Arbeitsgruppen gebildet. Eine solche „Umfunktionierung“ wurde noch nie vorgenommen. Gelingt diese, würde die Raffinerie dennoch nur einen Teil ihrer eigentlichen Kapazität besitzen.

Was war die genaue Ursache für den Brand?

Das Feuer ist ausgebrochen, als die Kolonne für die Wartungsarbeiten vorbereitet wurde. Dazu wurde die Anlage mit Wasser ausgespült. Das geschah offenbar unzureichend. „Dadurch entzündeten sich nach Öffnung der Inspektionsluken an der Luft Partikel“, so Bührmann. Er betont, dass bei dem Unglück keine Person zu Schaden kam. Auch bei den nun anstehenden Reparaturarbeiten in der Kolonne habe die Sicherheit der Mitarbeiter oberste Priorität.

Welche Folgen hat die Havarie auf den Chemiestandort Leuna?

Der Zwischenstopp der Raffinerie sollte auch genutzt werden, um andere Großprojekte voranzubringen. So soll eine Anlage eingebunden werden, die künftig Benzol an das benachbarte Chemie-Unternehmen Domo liefert. Nach Angaben von Total-Sprecher Bührmann wird es keine Verzögerungen geben. Die Raffinerie beliefert am Standort auch Firmen mit Methanol. Das könnte aber auch auf anderem Wege geliefert werden.

Welche Auswirkungen hat der Stillstand bei Total auf die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt?

Das hängt ganz davon ab, wie schnell die Raffinerie ganz oder zumindest eingeschränkt wieder die Arbeit aufnehmen kann. Mit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz im Jahr ist das Unternehmen mit 630 Mitarbeitern auch die umsatzstärkste Firma im Land. „Bereits planmäßige größere Stillstände wirken sich auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt aus“, sagt Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD). Er habe nun Kontakt mit der Unternehmensleitung aufgenommen. Wirtschaftlich kann der französische Ölmulti Total die aktuellen Probleme in Leuna spielend wegstecken. Gerüchte über eine mögliche Kurzarbeit bei den Beschäftigten weist der Firmensprecher zurück. Über solche Szenarien sei im Unternehmen noch nicht diskutiert worden. (mz)