Nur ein Antrag auf Gewerbe Sex Prostituierte Prostituiertenschutzgesetz: Rotlichtmilieu im Saalekreis arbeitet weiter im Dunkeln

Merseburg - Fast zwei Jahre hat es gedauert, bis Sachsen-Anhalt das im Bund schon 2017 beschlossene Prostituiertenschutzgesetz mit einem eigenen Gesetz untermauert hat. Seit März müssen sich Prostituierte und Bordellbetreiber nicht mehr beim Landesverwaltungsamt anmelden, sondern beim Landkreis.
Im Saalekreis kümmern sich derzeit laut Kreissprecherin Kerstin Küpperbusch drei Mitarbeiter zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben um Gewerbeanmeldungen, Beratungs- und Informationsgespräche mit den Sexarbeiterinnen. Die können sich auch kostenlos beim Gesundheitsamt beraten und auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Aktuell ist dies jedoch eher ein theoretisches Angebot: „Bisher wurde nur ein Antrag auf Prostitutionsstätte an den Landkreis übergeben“, berichtet Küpperbusch. Der Antrag, der sich auf Merseburg beziehe, werde derzeit bearbeitet.
Internetsuche zeigt ein deutlich ausgeprägteres Prostitutionsangebot für den Saalekreis
Die geringe Anzahl überrascht. Schon eine schnelle Internetsuche zeigt ein deutlich ausgeprägteres Prostitutionsangebot für den Saalekreis. Woher kommt die Diskrepanz? Greift das ursprünglich zum Schutz der Frauen vor Zwangsprostitution eingeführte Gesetz ins Leere, weil sich niemand anmeldet?
„Ob die Zahl der registrierten auch der Anzahl der tatsächlich im Kreis existierenden Prostituierten entspricht, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen“, erklärt Küpperbusch. Die Anmeldepflicht, deren Missachtung theoretisch Bußgelder nach sich ziehen kann – im Saalekreis gab es die bisher noch nicht –, erfolge nicht nach dem Wohnortsprinzip. Sondern dort, wo die Prostituierten tätig sind. Eine einmal ausgestellte Genehmigung kann auch für verschiedene Orte gelten. Wer im Saalekreis tätig ist, muss sich hier nicht unbedingt anmelden.
Mobilität im Horizontalgewerbe ist offenbar groß
Und die Mobilität im Horizontalgewerbe ist offenbar groß. „In Magdeburg und Umgebung sind vorwiegend die sogenannten ’Reisefrauen’ in der Prostitution tätig“, berichtet Cathleen Paech von der Awo Magdeburg, die in der Landeshauptstadt die Beratungsstelle Magdalena betreibt. Paech vermutet daher, dass die Situation in Merseburg nicht gänzlich anders sein wird. Reisefrauen seien lediglich für einen kurzen Zeitraum vor Ort und würden dann weiterziehen. Weil es dort teils schon länger entsprechende Strukturen gibt, hätten sich Sexarbeiterinnen oft schon in anderen Bundesländern angemeldet.
Die Awo-Sprecherin sieht allerdings auch eine ganze Reihe von Gründen, die Prostituierte davon abhalten könnten sich zu registrieren. Durch den Schritt aus der Anonymität heraus, würden sie eine Stigmatisierung befürchten. Außerdem nehme die Beratungsstelle bei vielen Klienten eine Unsicherheit wahr, was sie auf dem Amt erwartet und was mit den erhobenen Daten geschehe. Insbesondere bestehe die Sorge, dass diese in die Herkunftsländer der Frauen weitergeleitet würden, und sie dort so „zwangsgeoutet werden“.
Reisefrauen mieten ihre „Betriebsstätte“ kurzzeitig
Paech, die deshalb die Bedeutung niederschwelliger Beratungsangebote betont, sieht aber auch ganz praktische Hindernisse: Reisefrauen würden ihre „Betriebsstätte“ kurzzeitig mieten für teilweise 350 bis 850 Euro pro Woche. Die Miete und ihre Lebenshaltungskosten müssten sie einarbeiten, Anmeldung und Beratung auf dem Amt würden da einen erheblichen Einnahmeverlust bedeuten. Bei tatsächlich Zwangsprostituierten, bestehe zudem das Problem, dass sie nicht frei bewegen, deswegen nicht die Beratung wahrnehmen könnten.
Die Awo hält es auch für äußerst schwierig, dass die Verwaltungsmitarbeiter, wie eigentlich mit dem Gesetz erhofft, in kurzen Beratungsgesprächen tatsächlich Opfer von Menschenhandel erkennen. Die Erfahrungen der Fachberatungsstellen würden zeigen, „dass sich Betroffene häufig erst nach längerem Zeitraum Dritten offenbaren.“ Es brauche ein Vertrauensverhältnis, erklärt Paech. Sie lobt aber, dass die Behörden durch das Gesetz, vor allem die Anforderung an die Betreiber von Sexgeschäften, nun andere Kontrollmöglichkeiten hätten als früher. (mz)