Schwere Panne im Saalekreis Schwere Panne im Saalekreis: Retter landen in Sackgasse - Notfallpatient stirbt

Ermlitz - Erneut erschüttert eine schwere Panne das Rettungswesen im Saalekreis. Nach MZ-Informationen war Ende vergangenen Monats ein Rettungswagen zu einem Patienten nach Ermlitz geschickt worden, weil dieser über Unwohlsein klagte. Aufgrund einer Straßenbaustelle landeten die Sanitäter jedoch in einer Sackgasse, drehten um und trafen aufgrund des dann gefahrenen Umwegs erst nach 33 Minuten am Haus des Mannes ein. Dieser war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits tot.
Die Frage nach der Verantwortung für den misslungen Rettungseinsatz ist im konkreten Fall nur schwer zu beantworten. Die Leitstellen des Saalekreises und der Stadt Halle sowie der Rettungsdienstanbieter schieben sich untereinander die Verantwortung zu. Der MZ ist es gelungen, interne E-Mails zu dem Vorfall einzusehen. Ein Versuch der Rekonstruktion.
Notfallpatient im Saalekreis stirbt: Rettungswagen fährt in Sackgasse
Es ist der 23. März. Kurz nach 5 Uhr erreicht die Rettungsleitstelle des Kreises in Merseburg der Notruf aus Ermlitz. Nach MZ-Informationen klagt ein älterer Herr über Luftnot, benötigt dringend medizinische Hilfe. Normalerweise würde die Leitstelle die Rettungswache in Günthersdorf alarmieren und einen Krankenwagen nach Ermlitz beordern. Die Helfer aus Günthersdorf hätten den kürzesten Fahrtweg.
Über die A 9 würden sie zur Anschlussstelle Großkugel fahren, in Richtung Schkeuditz abbiegen und über den Ortsteil Wehlitz umgehend Ermlitz erreichen. Damit wäre auch die im Rettungsdienstgesetz festgelegte Hilfsfrist von zwölf Minuten einzuhalten.
Toter Notfallpatient im Saalekreis: Wegen Straßensperrung sollten Rettungskräfte aus Halle übernehmen
Da die Durchgangsstraße in Schkeuditz jedoch wegen Bauarbeiten seit dem 13. März gesperrt ist, kommt ein Krankenwagen aus Günthersdorf nicht mehr in Frage. Die Fahrt über A 9, B 6 und anschließend mehrere Landesstraßen würde die Zwölf-Minuten-Frist überschreiten. Dasselbe gilt für eine Anfahrt aus Merseburg.
Deshalb hat der Landkreis nach MZ-Informationen reagiert und bereits zwei Tage vor dem Einsatz, in den Mittagsstunden des 21. März, die Stadt Halle um Hilfe gebeten. Laut der Vereinbarung sollen bei Notfällen in den Orten Raßnitz und Ermlitz Rettungswagen aus der zum nördlichen Saalekreis gehörenden Wache in Zwintschöna ausrücken, was im konkreten Fall am 23. März auch tatsächlich geschieht.
Rettungskräfte wurden über Straßensperrung nicht informiert
Das Problem: Die Besatzung des Rettungswagens war über die Sperrung der Straße in Schkeuditz nicht informiert. In der Annahme, über die B 6 und Schkeuditz den Einsatzort am schnellsten zu erreichen, wählen die Sanitäter die gesperrte Route und landen in der Sackgasse, während der Patient in Ermlitz bereits mit dem Tode ringt. Nur acht Minuten nach der Alarmierung sind sie fast am Ziel, stehen jedoch plötzlich vor der Baustellenabsperrung, wie aus dem internen Schriftverkehr hervorgeht.
Verzweifelt melden sie der Rettungsleitstelle in Halle den Vorfall, kehren um und rasen - so schnell es geht - über Röglitz zum Einsatzort. Dort treffen sie nur wenige Minuten nach dem aus Merseburg angerückten Notarzt ein, der sie über den Tod des Mannes informiert.
Hätte der Mann überlebt, wenn der Rettungsdienst nicht in der Sackgasse gelandet wäre?
Auch wenn im Nachhinein nicht klar ist, ob der Mann überlebt hätte, wenn der Rettungsdienst bereits nach wenigen Minuten vor Ort eingetroffen wäre: Für die Einwohner der Auedörfer stellt sich die bange Frage, ob sich die Panne wiederholen kann. Denn die Sperrung der Straße in Schkeuditz besteht wohl noch bis Dezember.
Zu den Hintergründen des Vorfalls wollen sich auf MZ-Anfrage weder der Kreis noch die Stadt Halle äußern. Beide verweisen aufeinander. Der Rettungsdienstleister, die Ambulance GmbH aus Merseburg, sieht hingegen die Leitstellen in der Verantwortung. Sie seien für die Koordinierung der Einsätze und die Führung der Kräfte vor Ort zuständig, hieß es in einem kurzen Statement.
Rettungswagen mit Notfallpatient landet in Sackgasse: Warum hat es bei der Bekanntgabe der Sperrung gehakt?
Nach MZ-Recherchen hakte es im konkreten Fall bei der Bekanntgabe der Sperrung. Erst am 21. März, zwei Tage vor dem Vorfall, aber auch erst acht Tage nach erfolgter Sperrung, informierte der Kreis die Stadt Halle über die Bauarbeiten.
Angeblich, weil der Kreis die Info selbst erst zu diesem Zeitpunkt aus Sachsen erhielt, wie die Verwaltung versicherte. Allerdings wurde die Info auch erst am Nachmittag des 23. März, Stunden nach dem Tod des Mannes in Ermlitz, den Sanitätern in der Rettungswache in Zwintschöna bekannt gemacht.
Im Saalekreis ist es nicht das erste Mal, dass es im Rettungsdienst zu einer Panne kam. Erst im Juli vergangenen Jahres hatte ein Notarzt einen Einsatz verweigert, weil einem Patienten angeblich nicht mehr zu helfen gewesen wäre. Nachdem die MZ den Fall öffentlich gemacht hatte, leitete die Kassenärztliche Vereinigung, die den Rettungsdienst organisiert, eine Untersuchung ein. Diese stellte einen Gesetzesverstoß fest und rüffelte den betreffenden Notarzt wegen seines Fehlverhaltens. (mz)