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Ehrenamt vor Gericht Schöffen in Sachsen-Anhalt: Warum eine Querfurterin Schöffin werden möchte

Von Katrin Löwe 08.04.2018, 12:00
Runa Deckert war schon einmal ehrenamtliche Richterin und möchte es wieder werden.
Runa Deckert war schon einmal ehrenamtliche Richterin und möchte es wieder werden. Peter Wölk

Querfurt/Merseburg - Es war schon einer ihrer ersten Fälle, der es in sich hatte. Es ging, erinnert sich Runa Deckert, um Kindesmisshandlung. Deckert saß damals beim Prozess mit im Gericht - als Schöffin an der Seite des Richters.

„Das ging mir richtig nahe“, sagt sie. Von 2009 bis 2013 ist die Querfurterin schon einmal Schöffin am Merseburger Amtsgericht gewesen. Nun hat sie sich wieder beworben.

2.500 Schöffen für die Arbeit an Strafgerichten sucht das Land Sachsen-Anhalt für die Wahlperiode 2019 bis 2023. Jede Kommune muss gemessen an der Zahl der notwendigen Schöffen und ihrer Einwohner eine bestimmte Anzahl von Kandidaten für das Laienrichter-Amt vorschlagen. In Querfurt soll die mit zehn Personen besetzte Liste im nächsten Stadtrat beschlossen werden. Sieben Kandidaten müsse die Stadt stellen, hieß es.

Schöffen für Strafgerichte in Sachsen-Anhalt gesucht: Amtsgericht Merseburg hat viele Bewerbungen erhalten

In Merseburg hatten sich laut Stadtsprecherin Elke Benne vor der letzten Wahlperiode sogar 66 Personen beworben - 23 braucht die Stadt. Diesmal gebe es 29 Anfragen, 18 Bewerberbögen seien schon ausgefüllt.

Schöffe kann jeder Deutsche im Alter zwischen 25 und 69 Jahren werden, der im Amtsgerichtsbezirk wohnt. Ausgeschlossen sind Vertreter bestimmter Berufe wie Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte oder Polizisten sowie Vorbestrafte (über sechs Monate), Verfassungsfeinde oder gesundheitlich Ungeeignete. Jugendschöffen sollten in der Jugenderziehung erfahren sein.

Zwar ist der Meldetermin am 31. März gewesen. „Wir würden uns freuen, wenn noch Bewerbungen im April eingehen würden“, sagt die Stadtsprecherin - verbunden mit einem Dank an bisherige Bewerber.

Die Entscheidung über die Vorschlagsliste falle im Juni im Stadtrat. Aus den von den Kommunen aufgestellten Listen wählt ein Ausschuss am Amtsgericht später die Schöffen.

Amtsgericht Merseburg: Querfurterin hat Ehrenamt gesucht, um aus Alltag herauszukommen

Runa Deckert aus Querfurt ist vor ihrer ersten Amtsperiode durch Aufrufe in Zeitungen auf die Suche nach Schöffen aufmerksam geworden. Sie habe ein Ehrenamt gesucht, etwas, um aus dem Alltag herauszukommen, neue Erfahrungen zu machen, sagt sie.

Deckert kommt nicht aus der Justiz, sieht höchstens gern Krimis im TV - das soll bei Schöffen aber auch so sein. Bereichern sollen sie die Rechtsprechung vor allem mit Lebenserfahrung und Urteilsvermögen.

Bei rund 20 Verhandlungen hat die früher in der Gastronomie und heute im Backwarenverkauf tätige Querfurterin in ihrer ersten Amtszeit mit entschieden. Es ging um Schlägereien, Diebstahl, Gewalt in der Familie, auch einen kleinen Wirtschaftskrimi.

Querfurterin möchte Schöffin am Amtsgericht Merseburg werden: Was die Frau bemerkenswert fand

„Man muss ganz schön zuhören, um die Zusammenhänge zu erkennen“, sagt die 58-Jährige. War es nun Müller, Meier oder Schulze, der im Hausflur stand? Was erzählt wer? Passt das?

Bemerkenswert sei gewesen, was unternommen wird, um Zeugen aus ganz Deutschland heranzuholen. Und interessant, wie weit zurück die mitunter in Erinnerungen kramen müssen.

„Der Zeitraum von der Tat bis zur Gerichtsverhandlung ist manchmal sehr lang“, sagt sie. Deckert erinnert sich auch an einen Angeklagten, der weinend vor Gericht saß und immer wieder beteuert hat, wie sehr er einen Diebstahl bereut. Er hatte, erinnert sie sich, inzwischen einen Beruf, Frau, Kind, anderen Umgang. Deckert: „Der Schalter war umgelegt.“

Frau aus Querfurt möchte Schöffin in Merseburg werden: Schöffen haben gleiches Stimmgewicht wie Richter

Vor Gericht hat die Stimme eines Schöffen das gleiche Gewicht wie die eines Richters. Die Akten kennen die Laienrichter im Gegensatz zu ihm allerdings vorher nicht - ihre Meinung müssen sie sich während des Prozesses bilden.

„Wir konnten wirklich mitreden. Der Richter hat unsere Meinung verlangt“, sagt Deckert. Einmal, erinnert sie sich, sei der Richter sogar überstimmt worden, als es um die Strafhöhe ging.

Die Dauer der Verhandlungen, in denen sie Schöffe war, lag zwischen wenigen Stunden und drei Tagen. Das habe sie zeitlich gern eingerichtet, „weil es mir einfach auch Spaß macht.“ Nun könnte sich Runa Deckert im Übrigen auch gut vorstellen, Schöffin am Landgericht in Halle zu werden. Bei den „großen“ Prozessen. (mz)