Planierraupe mit intelligenter Steuerung Planierraupe mit intelligenter Steuerung: Lochaus pfiffiges 61-Tonnen-Baby

Lochau - Thomas Nolle dreht den Zündschlüssel herum. Im Cockpit erwachen die Digitalanzeigen zum Leben. Vorn, unter der mächtigen Motorhaube, faucht der Dieselmotor mit seinen 223 PS. „Mein Baby ist das“, sagt der Maschinist. Und das „Baby“ gibt Befehle, die der 51-Jährige mit dem Joystick befolgt.
Der kleine Hebel neben dem Fahrersitz leicht nach links, zwei Sekunden halten. Fertig. Dann das gleiche Spielchen rechts, nach oben und unten. Die Anzeigen springen auf Grün. Nolle drückt den Gashebel. 21 Tonnen setzen sich in Bewegung, die Stahlketten der Planierraupe krallen sich in die staubige Mineralschicht auf der Deponie in Lochau.
Lochau ist Halles Hausmülldeponie
Seit 2008 wird Halles Hausmülldeponie schon saniert. Von 1976 bis 2004 wurden hier über 30 Millionen Kubikmeter Abfälle aus der Stadt eingelagert - aus privaten Haushalten und Gewerbebetrieben. Diese Altlast dauerhaft und sicher zu verschließen, ist eine Mammutaufgabe, die noch mindestens bis ins nächste Jahrzehnt hineinreichen wird. Und dabei spielt seit Juli das 61 Tonnen schwere „Baby“ eine entscheidende Rolle.
Die „D65 Exi“, so der richtige Name, ist Deutschlands erste digital angesteuerte Planierraupe. „Für die Rekultivierung haben wir alle erforderlichen Daten digitalisiert. Diese Informationen werden über einen USB-Stick an die Raupe übertragen und dort von einem Computer mit Navigationssystem verarbeitet“, sagt Fredo Belger, Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Halle-Lochau GmbH, eine Tochter der halleschen Stadtwerke. Im Prinzip muss Nolle nur noch Gas geben und lenken. Das intelligente Schiebeschild erledigt den Rest, ganz automatisch und mit einer unglaublichen Präzision.
„Die Raupe kann auf 100 Metern auch einen Höhenunterschied von fünf Zentimetern ausgleichen, wenn es notwendig ist. So etwas schafft kein Mensch“, erklärt Detlef Müller aus der Abteilung für die geotechnische Sicherung der Deponie.
Gigantische Ausmaße der Mülldeponie Lochau
Im Gegensatz zur Hochhalde im nahen Schkopau, dort wurden chemische Abfälle eingelagert und zu einem Berg aufgetürmt, handelt es sich in Lochau um eine ehemalige Braunkohletagebaugrube. 110 Hektar ist die Deponie groß. „Sonderabfälle liegen hier nicht“, sagt Geschäftsführer Belger, zumindest keine, die die Betreiber-Gesellschaft kennt. 70 Gasbrunnen wurden in den Deponie-Körper getrieben. Sie führen die Gase ab, hauptsächlich Methan, die sich im organischen Müll bilden. Die Abfallwirtschaft treibt damit Gasmotoren an, die ihrerseits Strom erzeugen.
Vier Raupen arbeiten derzeit auf der rund 1,8 Kilometer langen und 500 Meter breiten Deponie, nur das rund 200.000 Euro teure „Baby“ verfügt aktuell über die künstliche Intelligenz bei der Steuerung. Auf die mineralische Schicht, die derzeit planiert und modelliert wird, kommt anschließend eine Decke, einen Meter stark, aus groben Bauschutt. Was dann noch fehlt, ist Mutterboden, der dann den Abschluss bildet. „Und genau hier wird es schwierig, weil wir bei dieser Deponiefläche viel Erde brauchen, die man erst mal besorgen muss“, sagt Geotechniker Müller.
Unklar ist, was mit der versiegelten Deponie später einmal geschieht. Die Abfallwirtschaft will Bäume anpflanzen und das Gebiet irgendwann für die Öffentlichkeit freigeben. Doch bis dahin haben Thomas Nolle und sein gelber Liebling noch viel zu tun. Zum Glück! „Es macht irre Spaß“, sagt der Maschinist. (mz)