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Eltern in Sorge Pädophiler Ex-Häftling wohnt neben Kita in Brachwitz - Polizei verspricht Schutz

Von Oliver Müller-Lorey 09.05.2018, 04:00
Brachwitz liegt beschaulich an der Saale. Doch im Moment haben die Einwohner Sorgen wegen eines neuen Nachbarn.
Brachwitz liegt beschaulich an der Saale. Doch im Moment haben die Einwohner Sorgen wegen eines neuen Nachbarn. Holger John

Halle (Saale) - Auf den ersten Blick ist das Außengelände des Kindergartens in Brachwitz (Stadt Wettin-Löbejün) ein Paradies für Kinder: Ein riesiges Gelände mit Rutschen, Klettergerüsten, Sandkasten und einer Wiese fast halb so groß wie ein Fußballplatz steht den Kleinen zur Verfügung.

Doch die Unbeschwertheit ist dahin. Am Dienstagmorgen dürfen die Kinder nur eine Hälfte des Geländes nutzen. Eine Erzieherin passt auf, dass die Kinder möglichst weit weg von einem heruntergekommenen Nachbarhaus spielen.

Verurteilter pädophiler Straftäter soll neben Kita wohnen

Denn im Ort ist durchgesickert, wer in diesem Haus, gerade einmal 30 Meter vom Kindergarten entfernt, wohnt. Vor wenigen Tagen ist ein Mann eingezogen, bei dem es sich um einen verurteilten pädophilen Straftäter handeln soll.

Wie die Polizei auf einer eilig von der Gemeinde einberufenen Elternversammlung am Montagabend mitteilte, ist er nach erneuter kurzer Haft wegen des Verstoßes gegen Auflagen inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Nach MZ-Informationen handelt es sich um einen 43-Jährigen aus Baden-Württemberg. Aus den Fenstern des Hauses kann er direkt auf den Kindergarten blicken.

Wettins Bürgermeisterin: Stadt hat kaum Handhabe gegen den Mann

Mit dem 43-Jährigen sind auch die Sorgen in das 900-Seelen-Dorf eingezogen. Die Bewohner haben Angst um ihre Kinder und wollen ihren neuen Nachbarn am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden. Doch nach Verbüßung seiner Haftstrafe darf er sich grundsätzlich niederlassen, wo er will.

Außerdem sei bei der Anmeldung alles mit rechten Dingen zugegangen, sagte Wettins Bürgermeisterin Antje Klecar. Der Mann habe das Haus von einer Frau gemietet, die es auf einer Zwangsversteigerung erstanden habe.

Bei der Anmeldung im Einwohnermeldeamt habe der Mieter alle nötigen Unterlagen vorgelegt. „Deshalb musste das Einwohnermeldeamt ihn anmelden“, sagte sie.

Pädophiler Ex-Häftling: Gericht hat keine Auflagen erlassen

Aus dem Justizministerium hieß es, das Gericht habe keine Auflagen erlassen, die den Wohnort des Mannes einschränken würden. „Das Justizministerium kann hier gar nicht mehr einwirken“, sagte dessen Sprecher Detlef Thiel.

Dennoch nehmen die Behörden die Sorgen der Brachwitzer sehr ernst. Zu der Elternversammlung am Montagabend erschienen neben Bürgermeisterin, Ortsbürgermeister sowie dem Leiter der Bewährungshilfe in Halle und dem Saalekreis gleich fünf uniformierte Polizisten.

Polizei bestätigt: Mann ist verurteilter Straftäter

Unter anderem Mario Schwan, der amtierende Behördenleiter der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd. Er bestätigte, dass es sich bei dem Mann um einen „verurteilten Straftäter, der lange im Gefängnis gesessen hat“, handelt. 2012 sei er verurteilt worden und im vergangenen Jahr wieder freigekommen.

Ob er tatsächlich für den Missbrauch von Kindern verurteilt worden ist, wollte er aber weder bestätigen noch dementieren und verwies auf die Persönlichkeitsrechte des Mannes.

Mehr Polizeipräsenz: „Es wird nicht erst gefragt, was los ist, es wird eine Streife da sein.“

Dafür versprach der Revierleiter des Saalekreises, Thomas Werner, für einen bestmöglichen Schutz in Brachwitz zu sorgen. „Gibt es Feststellungen Ihrerseits, werden wir umgehend für Aufklärung sorgen. So schnell wie Sie es noch nie erlebt haben, werden sie in Brachwitz einen Streifenwagen sehen“, sagte er.

„Es wird nicht erst gefragt, was los ist, es wird eine Streife da sein.“ Zudem sollen die Streifen verstärkt werden und die Regionalbereichsbeamten vorrangig in Brachwitz arbeiten. Wie Behördenleiter Schwan sagte, gebe es bei Polizei und Justiz Experten, „die sich nur mit solchen Personen“ befassen.

Unterdessen sicherte Bewährungshelfer Yves Plöhnert zu, dass mit dem Mann intensiv gearbeitet werden soll. „Er ist einer der wenigen, die wir am häufigsten besuchen. Seine Auflagen gelten für eine sehr lange Zeit.“

Pädophiler Ex-Häftling: Leben in Brachwitz wird sich deutlich verändern

Mit dem Zuzug des Mannes wird sich das Leben in Brachwitz also deutlich verändern. Bürgermeisterin Klecar kündigte an, mit Busunternehmen zu sprechen, damit Kinder direkt vor die Haustür gefahren werden.

Erzieherinnen sollen geschult werden und die Polizei bot an, den Kindergarten in Fragen einer Videoüberwachung zu beraten.

Ex-Häftling neben Kita - Eltern sind beunruhigt

Doch vielen Eltern reicht das nicht. „Ich dachte eigentlich, ich gehe beruhigter hier raus als ich es vorher war, aber das Gegenteil ist der Fall“, sagte ein Vater.

Die Tatsache, dass so ein Aufwand für den Schutz der Brachwitzer betrieben wird, die lange Haftstrafe und die intensive Betreuung des Mannes bewirkten eher das Gegenteil.

Die Stimmung unter den Anwohnern war zwar nicht aufgeheizt. Der Tenor aber einhellig: „Es hilft nichts. Der Mann muss weg, unsere Kinder wollen wieder unbeschwert spielen“, brachte es eine Anwohnerin auf den Punkt.

Anwohner in Brachwitz fürchten „zweites Insel“

Ziel der Polizei sei es nicht nur, die Brachwitzer zu schützen, hieß es von Sicherheits- und Justizbehörden am Dienstag. Man wolle kein zweites „Insel“.

Der Ort im Norden Sachsen-Anhalt machte 2011 und 2012 Schlagzeilen, als sich die Bewohner mit massiven Demonstrationen gegen zwei zugezogene entlassene Sexualstraftäter wendeten.

Doch viele Brachwitzer vermuten, dass genau das in einiger Zeit auch bei ihnen passieren wird. Schon am Montagabend kursierten unter den Brachwitzern Bilder des Mannes, der kurz nach der Veranstaltung nach Hause gekommen und dabei fotografiert worden war. (mz)