1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Saalekreis
  6. >
  7. Milchhochburg Niemberg: Milchhochburg Niemberg: Fast 100.000 Kilo Butter in Halle und im Saalekreis verkauft

Milchhochburg Niemberg Milchhochburg Niemberg: Fast 100.000 Kilo Butter in Halle und im Saalekreis verkauft

Von Claudia Crodel 31.08.2019, 10:00
Der Niemberger Ortschronist Herbert Kleinau steht vor der alten Molkerei.
Der Niemberger Ortschronist Herbert Kleinau steht vor der alten Molkerei. Silvio Kison

Niemberg - Heute legen viele Kunden wieder Wert auf regionale landwirtschaftliche Produkte, anstatt auf Lebensmittel zu setzen, die über weite Strecken transportiert in die Geschäfte kommen. Vor 100 Jahren war das natürlich ganz anders. Da kamen die Produkte vorwiegend aus der Region.

So gab es in den 30er Jahren fünf Genossenschaftsmolkereien im Saalekreis, die jährlich über sieben Millionen Liter Milch verarbeiteten. Davon wurden über drei Millionen Liter Frischmilch und fast Einhunderttausend Kilo Butter in Halle und im Saalkreis verkauft.

Niemberg hatte größte Molkerei im Kreis

„Eine dieser Genossenschaftsmolkereien war in Niemberg“, sagt Herbert Kleinau, der Niemberger Ortschronist. Er hat in historischen Publikationen deren Geschichte erforscht und Berichte von Zeitzeugen gesammelt.

Die Niemberger Molkerei wurde 1893 erbaut und am 1. September eingeweiht. „Es war damals die größte und modernste Genossenschaftsmolkerei im Saalkreis“, so Kleinau. Fast alle Niemberger Bauern sowie Bauern aus umliegenden Dörfern waren Genossenschafter. „Auch Max von Wuthenau, der Besitzer von Hohenthurm und des Ritterguts Niemberg, war stark als Genossenschafter beteiligt“, recherchierte der Ortschronist.

Produkte der Molkerei dienten vor allem der Versorgung der halleschen Bevölkerung

Die Produkte der Molkerei dienten vor allem der Versorgung der halleschen Bevölkerung. „Milch, Käse und Butter, aber auch andere Produkte aus der Niemberger Molkerei, galten als sehr wohlschmeckend und wurden gern gekauft. Der Preis war deshalb etwas höher“, sagt Kleinau.

Interessant ist auch, welche Transportwege die Waren von der Molkerei zu den Geschäften nahmen. So wurde täglich morgens an den ersten Zug nach Halle ein zusätzlicher Waggon angehängt, und zwar ein Kühlwagen, damit die Frischmilch mit der Eisenbahn in die Stadt transportiert werden konnte.

„Anfangs kamen wöchentlich Pferdegespanne mit Stangeneis von dort“

Der Transport von der Molkerei zum Bahnhof Niemberg beziehungsweise vom halleschen Bahnhof zu den Geschäften erfolgte mit Pferde-Kühlgespannen. Die wiederum wurden mit dem Eis aus der halleschen Eisfabrik in Passendorf bestückt. Auch das Kühlhaus, das 1910 im Zuge einer Vergrößerung der Molkerei in Niemberg entstand, erhielt Eis aus Passendorf. „Anfangs kamen wöchentlich Pferdegespanne mit Stangeneis von dort“, erklärt Herbert Kleinau.

Die Molkerei wuchs. 1930 sollen allein in Niemberg vier Millionen Liter Milch verarbeiten worden sein. Die Molkerei lieferte damals nicht nur an andere Geschäfte, sondern betrieb auch acht eigene Milchgeschäfte in Halle. Zudem gab es drei Stände auf dem Marktplatz.

Molkereigebäude heute im Privatbesitz

Doch die genossenschaftlichen Molkereien auf dem Land bekamen bald starke Konkurrenz. Kleinere Molkereien mussten schließen. „Um konkurrenzfähig zu bleiben, baute man in Niemberg 1936 noch ein größeres Kühlhaus an. Aber das half alles nichts. In Diemitz wurde eine große Molkerei gebaut, die alles an sich zog“, berichtet der Ortschronist. Nach und nach mussten die Niemberger ihre Produktion zurückfahren. Um 1938 wurde die Molkerei in Niemberg ganz geschlossen.

Das Molkereigebäude steht noch heute. Es befindet sich mittlerweile im Privatbesitz. Nach der Molkereischließung war es jedoch zunächst in Besitz der Raiffeisen-Genossenschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“ und gleichzeitig die „bäuerliche Handelsgenossenschaft“ (BHG). „Das war so eine Art Baumarkt. Auch Kohlen wurden dort verkauft“, erläutert Kleinau.

Nach der Wende zog eine Gaststätte in das Haus, später ein türkisches Restaurant. Im Anbau befand sich einige Jahre eine Filiale der Volksbank. Heute ist es ausschließlich Wohnhaus. (mz)