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Nach Tod zweier Kubaner im Jahr 1979 Merseburg: Gericht spricht Graffito-Urheber frei

Verfahren um vorübergehenden Gedenkort für zwei ums Leben gekommene Kubaner endet mit der Einstellung. 70 Menschen protestieren vor dem Gericht.

Von Diana Dünschel 17.05.2021, 11:02
Um dieses Graffito an der Rischmühlenbrücke geht es.
Um dieses Graffito an der Rischmühlenbrücke geht es. (Foto: Initiative 12. August)

Merseburg - Zwei Frauen und ein Mann aus Halle, Jahrgang 1990 bis 1998, standen am Freitag wegen Sachbeschädigung vor dem Amtsgericht Merseburg. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, am 11. August 2020 die Mauer unter der Brücke an der Rischmühle bemalt zu haben - nach eigener Aussage in Erinnerung an Delfin Guerra und Raúl Garcia Paret. Offenbar wollten sie damit die Forderung der „Initiative 12. August“ unterstützen, die einen Gedenkort für die beiden 1979 in Merseburg ums Leben gekommenen Kubaner fordert. Die Entfernung des Graffitos kostete 3.264,31 Euro. Die für die Unterführung zuständige Landesstraßenbaubehörde hatte deshalb Strafanzeige gestellt. Das Verfahren wurde eingestellt.

Ein Verteidiger hatte zunächst einen Antrag auf Einstellung wegen formaler Mängel gestellt und damit begründet, dass in der Anklage das entstandene Bild nicht beschrieben, sondern nur von Bildern und Buchstaben die Rede war. Der Hintergrund sei vollständig verschwiegen worden. Er zitierte aus Medienberichten zu dem Vorfall vor über 40 Jahren, wie damit umgegangen wurde und was die Initiative fordert.

Die „Initiative 12. August“ hält das Geschehen von 1979 für eine rassistische Hetzjagd

Hintergrund: Die Initiative hatte im vergangenen Sommer in Merseburg mehrere Kundgebungen und eine Demo veranstaltet, um der beiden Kubaner zu gedenken, die am 12. August 1979 nach einer Auseinandersetzung mit Deutschen gestorben waren. Beide wurden mit mehreren Tagen Abstand tot aus der Saale geborgen. Es hatte mehrfach Anzeigen gegen Unbekannt wegen Mordes gegeben - die letzte im Jahr 2019. Die Staatsanwaltschaft Halle hatte auch da die Ermittlungen wieder aufgenommen, jedoch nach eigener Aussage keinen neuen Hinweis gefunden, der die Mordthese stützen könnte. Die Initiative hält das Geschehen von 1979 für eine rassistische Hetzjagd. Man habe, so der Verteidiger, einen vorübergehenden Gedenkort geschaffen.

Die „Initiative 12. August“ versammelte sich vor dem Gericht zu einer Kundgebung, um die Angeklagten zu unterstützen.
Die „Initiative 12. August“ versammelte sich vor dem Gericht zu einer Kundgebung, um die Angeklagten zu unterstützen.
(Foto: Diana Dünschel)

Der Staatsanwalt wies formale Mängel zurück, sagte aber: „Ja, man hätte mit diesem Vorfall anders umgehen können.“ Wenn sich die öffentliche Hand weigere, einen Gedenkort zuzulassen, sei die Frage, ob man das dann in die eigene Hand nehmen dürfe. Die Staatsanwaltschaft sitze zwischen den Stühlen. „Vom eigentlichen Tatbestand kommen wir nicht runter.“ Aber es müsse nicht zu einem Urteil kommen. Staatsanwalt und Richter erklärten übereinstimmend, sie könnten sich vorstellen, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen. Dem stimmten die Verteidiger zu. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Vor dem Amtsgericht hatte die Initiative zu einer Kundgebung „Alles muss man selber machen! Delfin und Raúl ein Denkmal bauen!“ aufgerufen, um die Angeklagten solidarisch zu unterstützen. Laut Polizei versammelten sich etwa 70 Teilnehmer. Auch mehrere Dutzend Beamte waren im Einsatz. Vor und nach der Verhandlung gab es für die Angeklagten Applaus und mehrere Redebeiträge auch der Verteidiger und ihrer Mandanten. (mz)