Krankenhaus Teutschenthal Krankenhaus Teutschenthal: Ex-Mitarbeiter erinnern sich an ein Ende mit vielen Tränen

Teutschenthal - Wer in die Teutschenthaler Kurallee einbiegt, fährt genau auf den Schriftzug „Krankenhaus Teutschenthal“ zu. Liebevoll bepflanzte Blumenkästen zieren jedes Jahr bis weit in den Herbst hinein das Metallschild. Erst wenn man nah genug herangekommen ist, sieht man, dass an manchen Buchstaben die Farbe abblättert.
Hier gibt es schon lange kein Krankenhaus mehr. „Am 30. Juni 1998 war unser letzter Arbeitstag. Dann haben wir alles beräumt und im Oktober '98 war endgültig Schluss“, erinnert sich Rosemarie Drigalla, die 14 Jahre lang als Schwesternhelferin im Krankenhaus gearbeitet hat, und sie fügt hinzu: „Wir haben alle mörderisch geheult.“ Sie, die danach von 2001 bis 2011 in München beim DRK gearbeitet hat, ehe sie eine Krankheit aus dem Berufsleben schickte, wohnt direkt neben dem alten Klinikgelände.
Schlüssel zu ihrer einstigen Arbeitsstätte
Auch Annemarie Helbig, die Teutschenthaler Ortsbürgermeisterin, hat viele Erinnerungen an das Krankenhaus. Dort war sie von 1982 bis zur Schließung Verwaltungschefin. Sie hat bei Bertram Fischer, der den Immobilienbestand der Brüder Wentzel entwickelt und betreut, für den Vor-Ort-Termin mit der MZ den Schlüssel zu ihrer einstigen Arbeitsstätte bekommen. Das Krankenhausgebäude ist heute wieder im Besitz der Brüder Wentzel, war es doch einst - vor der Enteignung der Familie nach dem Krieg - deren Hauptverwaltungssitz.
Für Annemarie Helbig war es das erste Mal nach der Schließung, dass sie das alte Gemäuer wieder betrat - ein zweifelsohne emotionaler Moment. Lange, leere Klinikflure, geflieste Räume, in denen Bäder, das Labor oder die Krankenhausküche untergebracht waren, lassen ahnen, wie es dort einst ausgesehen hat.
Teutschenthaler Krankenhaus wurde im Jahr 1949 eröffnet
Doch der lange Leerstand hat seine Spuren hinterlassen. Deckenplatten hängen herunter, ebenso teilweise auch Rohre und Tapeten sind abgerissen. Es liegt allerlei Unrat herum, und das leere Gebäude scheint mittlerweile von Waschbären erobert worden zu sein, wie deren Hinterlassenschaften zeigen.
Das Teutschenthaler Krankenhaus wurde im Jahr 1949 eröffnet. Bis 1964 gab es im ersten Obergeschoss sogar eine Entbindungsstation. Etliche Teutschenthaler erblickten dort das Licht der Welt.
1984 bis 1987 erfolgten Anbau und Erweiterung
1984 bis 1987 erfolgten Anbau und Erweiterung. Zu seinen Hoch-Zeiten gab es im Krankenhaus 115 Betten. „Es war ausschließlich eine internistische Klinik, also für Krankheiten der inneren Organe“, erklärt Annemarie Helbig.
Gleich nach der Wende gab es übrigens zunächst einen Neustart: Das Krankenhaus wurde saniert. Damals gab es noch kein Internet. „Ich musste ständig ins Ministerium, um Gelder zu beantragen“, so Helbig. 6,8 Millionen Euro hätten der Umbau sowie die Anschaffung neuer Gerätschaften gekostet. „Die Baubetriebe aus der Region und Zulieferer der Baumaterialien haben uns tatkräftig unterstützt. Unser Chefarzt, Dr. Andreas Winkler, hieß dort nur Dr. Baumeister“, erzählt die einstige Verwaltungschefin.
Umbau umfasste auch den Einbau eines Operationssaals
Der Umbau umfasste auch den Einbau eines Operationssaals im ersten Obergeschoss. Ein einstiges 13-Betten-Zimmer sei zum OP geworden. Dort hätten Gynäkologen und Urologen als Beleg-Ärzte kleine Operationen vorgenommen. Nach der Sanierung habe es noch 85 Klinikbetten und einige Belegbetten gegeben.
In der 90er-Jahren sei übrigens einmal ein Filmteam angerückt und habe eine Szene für den „Polizeiruf 110“ gedreht. „Da ging es um ein Vergewaltigungsopfer, das ins Krankenhaus gebracht wurde“, erinnert sich Annemarie Helbig. „Unsere Schwestern schüttelten nur den Kopf, denn was die Filmleute da drehten, entsprach so ganz und gar nicht ihrem Umgang mit den Patienten.“
Wettiner Klinik mit ähnlichem Profil
Als die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt umgebaut wurde, hätten die Krankenkassen eigentlich die Wettiner Klinik mit ähnlichem Profil zur Schließung vorgeschlagen, da sie durch die Saale schlechter zu erreichen war. Laut Kreistagsbeschluss sei die Schließung aber auf Teutschenthal gefallen, blickt Helbig zurück. Es sei ihr damals überaus schwer gefallen, den Mitarbeitern die Kündigung auszuhändigen. Etwa die Hälfte sei nach Wettin gewechselt.
Für viele blieb aber nur die Entlassung in die Arbeitslosigkeit. Ein Großteil der Einrichtung ging nach Litauen. Was bleibt, ist die Erinnerung: „Wir waren wie eine große Familie hier. Unser Chefarzt kannte jeden Patienten mit Namen. Und wir haben auch Ärzte ausgebildet“, sagt Helbig. Einstige Mitarbeiter, die noch in der Nähe wohnen, pflegen Jahr für Jahr die Blumenkästen am großen Schild vor dem Krankenhausgelände. (mz)

