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"Ich bin nicht pädophil" "Ich bin nicht pädophil": Ex-Häftling aus Brachwitz saß wegen Menschenhandel und Zuhälterei

Von Dirk Skrzypczak 24.05.2018, 04:00
Die Polizei verstärkt ihren Streifen in Brachwitz.
Die Polizei verstärkt ihren Streifen in Brachwitz. Dirk Skrzypczak

Brachwitz - Oliver S. steht am Mittwochmittag mit einem fast schon triumphalen Gesichtsausdruck hinter dem Tor zum Innenhof des Wohnhauses im Herzen von Brachwitz. Der 44-Jährige ist erst seit einer Stunde wieder frei. Drei Tage saß er zuvor im Verhinderungsgewahrsam, weil er in Brachwitz Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufgenommen haben soll - das ist ihm aber untersagt.

„Mein Anwalt hat mir geraten, dass ich mich nicht mit der Presse unterhalten soll. Es wird viel Unsinn über mich behauptet. Ich bin nicht pädophil, und auch keine Gefahr für den Ort“, erzählt der Mann mit dem Kurzhaarschnitt. Und dann ergänzt er seinen Auftritt mit einer Ankündigung, die die Brachwitzer nicht gern hören werden. „Ich weiß, dass mich die Leute schief angucken. Aber ich fühle mich hier wohl und werde sicher auch hier bleiben.“

Haftstrafe wegen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei

2012 war der damals 37-Jährige vom Landgericht in Ulm wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Bedrohung und Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Die „Südwest Presse“ hatte über den Fall berichtet. Demnach hatte der Baden-Württemberger über das Internet Kontakt zu Jugendlichen gesucht und einen 15-Jährigen kennengelernt.

Aus der zweijährigen Beziehung zu dem Schüler soll eine Abhängigkeit geworden sein, schreibt die „Südwest Presse“. Als der Mann Geldprobleme hatte, pries er den Jungen im Internet an und fuhr ihn zu Freiern - allesamt Männer reiferen Alters. 3.000 Euro „Liebeslohn“ musste der Minderjährige abgeben. Auch vorher schon war der Mann straffällig geworden. 1998 musste er wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ins Gefängnis, 2007 erneut.

Führungsaufsicht für die Dauer von sechs Jahren angeordnet

Aufgrund dieser Vorstrafen hatte das Landgericht Karlsruhe am 26. Oktober 2017 für Oliver S. eine Führungsaufsicht für die Dauer von sechs Jahren angeordnet. Seit April dieses Jahres wohnt er in einem verfallenen Gebäude in Brachwitz, die Aufsicht liegt bei einer Abteilung am Landgericht Magdeburg, die dem Justizministerium unterstellt ist. „Im Rahmen der Führungsaufsicht wurden dem Verurteilten eine Vielzahl von Weisungen erteilt“, sagt Christian Löffler, Sprecher des Landgerichts. Und da der 44-Jährige entgegen dieser Weisungen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufgenommen haben soll, klickten Pfingstsonntag die Handschellen.

Die Brachwitzer schwankten seitdem zwischen Erleichterung und Sorge. „Wir fühlen uns nicht wohl mit diesem Mann in der Nachbarschaft, zumal er auch mit dem Fahrrad unterwegs ist. Wer weiß, was da alles passieren kann“, sagt Sigrid Baßin. Die Polizei lobt derweil das besonnene Auftreten der Menschen im Ort, auch das von Antje Klecar (parteilos), der Bürgermeisterin in Wettin-Löbejün. Allerdings ist zuletzt in Brachwitz die Kritik an der Bürgermeisterin gewachsen. Sie kümmere sich nicht genug um die Ängste der Einwohner und spiele die mögliche Gefahr herunter, heißt es.

Aufsicht stellt Strafantrag

„Ich bin weder die Polizei noch das Gericht. Und wenn der Mann eine freie Wohnortwahl hat, dann kann man nichts dagegen tun, wenn er nach Brachwitz zieht“, sagt Klecar. Aber untätig sei sie nicht gewesen. Sie habe mit Oliver S. gesprochen. „Ich habe ihm gesagt, dass es schwierig für ihn wird, in der Gemeinde einen Fuß auf die Erde zu bekommen.“

Und sie hatte am Dienstagabend ein Gespräch mit den Eltern der Schüler, zu denen er Kontakt hatte - wie auch immer - und was letztlich auch zum Verhinderungsgewahrsam führte. Ein Mensch, der seine Strafe verbüßt hat, „der hat auch eine zweite Chance verdient“. Doch jetzt, durch den Vorfall zu Pfingsten, sei auch sie besorgt. „Ich kann das nicht akzeptieren. Und da liegt auch mein Verständnis bei null.“

Für den 44-Jährigen hat das jüngste Geschehen womöglich ein Nachspiel

Für den 44-Jährigen hat das jüngste Geschehen womöglich ein Nachspiel. Obwohl die Führungsaufsicht keine Gründe für eine Verlängerung des Gewahrsams sah, will sie bei der Staatsanwaltschaft einen Strafantrag wegen Verstoßes gegen die Weisungen stellen. „Sollte die rechtliche Überprüfung ergeben, dass ein derartiger Verstoß vorliegt, muss der Mann im Fall einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe rechnen“, erklärt Richter Löffler.

Außerdem werde der Ort in die Streifentätigkeit der Polizei eingebunden. Oliver S. sieht sich indes nicht als Gefahr. „Das würde ich den Leuten auch sagen. Aber mit mir spricht ja keiner.“ Dann dreht er sich um und verschwindet im Haus. (mz)