Geschäfte mit Derivaten durch ZWA Geschäfte mit Derivaten durch ZWA: Fragen und Antworten zu Folgen der Geldversenkung

Bad Dürrenberg - Die Schlagzeilen werfen kein gutes Licht auf den Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung (ZWA) in Bad Dürrenberg. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass über 11,26 Millionen Euro für komplexe Finanzgeschäfte aufgebracht werden mussten. Doch was bezweckte der Verband damit, was sind Derivate und was bedeutet das für die Bürger? Die MZ gibt einen Überblick.
Warum hat der ZWA Derivate abgeschlossen?
Der Verband hat Derivate abgeschlossen, um nicht mehr Zinsen auf Kredite zahlen zu müssen. Mit den Derivaten wurde eine Art Zinsgrenze festgelegt. Häufig lag die über dem regulären Satz, so dass man am Anfang des abgeschlossenen Derivates etwas mehr Zinsen zahlen musste. Je länger dieses Produkt jedoch lief und je höher die Zinsen stiegen, desto schneller sparten Verbände wie der ZWA Zinsen, dank der vereinbarten Grenze.
Der Verband hatte also auf steigende Zinsen gesetzt und wurde 2008 überrascht, als die Aktienkurse abstürzten, seitdem geht das Zinsniveau nach unten. Dadurch bezahlt der ZWA mehr Zinsen, als er es eigentlich nach dem aktuellen Niveau müsste. Derivate zur Sicherung von Zinsen sind laut Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt auch erlaubt.
Wie ist der Verlust von 11,26 Millionen Euro entstanden?
Die 11,26 Millionen Euro wurden gebraucht, um die aufgelaufenen Zinsen zu bezahlen. Das muss der Verband auch weiterhin machen, weil einige der Derivate noch laufen, eines sogar bis 2041. Deshalb verweist Verbandsgeschäftsführer Franz-Xaver Kunert auch darauf, dass die noch drohenden 6,36 Millionen Euro eine rein fiktive Zahl sei und von der Entwicklung des Zinsniveaus abhängt.
Konkret hat der ZWA 51 Derivate zwischen 1999 und 2011 abgeschlossen. 43 davon sind ausgelaufen, acht laufen dagegen noch und verursachen weitere Kosten. Aufgefallen waren die Geschäfte bei einer Prüfung des Verbandes durch den Landesrechnungshof in Sachsen-Anhalt. Der Bericht wurde im Frühjahr übergeben. Danach hat der Verbandsgeschäftsführer eine Revision beauftragt, deren erste Ergebnisse nun bekannt geworden sind. Der Landesrechnungshof geht derzeit davon aus, dass die Hälfte aller 50 Abwasserzweckverbände in Sachsen-Anhalt spekuliert haben.
Hergeleitet wurde die Summe ausgehend vom jetzigen Zinsstand und der Dauer der Geschäfte. Wie genau, der Verlust entstanden ist, muss noch weiter geprüft werden. Einige der Derivate sind abgelaufen. „Sie haben teils mit positiven und negativen Werten abgeschlossen, die in den jüngeren Verträgen berücksichtigt worden sind“, sagt Kunert. Derivate mit einem Minus seien durch Umschichtung und Umstrukturierung in neue Finanzprodukte übergegangen. „Wo genau etwas Problematisches passiert ist, muss noch geprüft werden.“
Wie wurden und werden die Derivate finanziert?
Einnahmen erhält der Verband nur aus Gebühren und Beiträgen seiner Kunden sowie Umlagen der Mitgliedsgemeinden aus dem Saalekreis und dem Burgenlandkreis. In den Gebühren und Beiträgen waren die Zinsen enthalten und werden es auch weiterhin sein. Es klafft kein Loch in der Kasse, der Verband arbeite kostendeckend, so Kunert.
Was bedeutet das für die Gebühren- und Beitragsbescheide der vergangenen Jahre und für zukünftige Kalkulationen?
„Nach derzeitigem Kenntnisstand und aus Sicht des ZWA sind die Gebühren- und Beitragsbescheide rechtskräftig und es gibt momentan keine Anhaltspunkte, etwas anderes anzunehmen“, sagt Kunert. Auch was das für die Kalkulation der zukünftigen Gebühren bedeute, könne er noch nicht sagen. Regulär müsse der Verband die Kalkulation im kommenden Jahr für die Periode 2020 bis 2022 überarbeiten. Daran wolle der Geschäftsführer festhalten.
Sind die Derivate ausschließlich vom ZWA oder auch vom ehemaligen AZV Saale-Rippachtal?
Die bislang vom Landesrechnungshof bezifferten 51 Derivate wurden vom ZWA abgeschlossen. „Beim ehemaligen AZV gibt es zwei Derivate, die auch noch laufen und für die wir Zinsen bezahlen“, sagt Kunert. Auch sie seien Teil der Prüfung durch die externen Berater gewesen. Es seien jedoch keine regressrelevanten Sachverhalte ermittelt worden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die nächsten Schritte befassen sich vor allem mit Regressansprüchen und strafrechtliche Maßnahmen, die der Verband einleiten will. Richten werden sich diese sowohl gegen die Bank, die alle Derivatgeschäfte mit dem ZWA abgeschlossen hat, als auch gegen die seinerzeit Verantwortlichen beim Verband. (mz)
