Fluch und Segen Fluch und Segen: Rund 300 Jahre wurde im Geiseltal Bergbau betrieben

Braunsbedra/Mücheln - - Der Braunkohlebergbau des Geiseltals ist einer der ältesten in Mitteldeutschland. Seine Geschichte lässt sich sehr weit zurückverfolgen. Der erste urkundliche Nachweis von Bergbau und Kalkbrennerei im Geiseltal findet sich in einer alten Abrechnungsurkunde aus dem Archiv der Stadt Mücheln, in der das Jahr 1698 angegeben wird.
Bis 1906 gab es zwar schon viele Gruben, aber sie waren klein und die Grundbesitzer scheiterten oft aus finanziellen wie technischen Gründen. Großtagebaue und insgesamt neun Brikettfabriken sowie Werkstätten für den Maschinenpark konnten erst entstehen, weil man Erfahrungen in der Entwässerung der nahe der Oberfläche sehr feuchten Kohle und in ihrer Veredlung durch Brikettierung bekam, weil große Gesellschaften das nötige Kapital bereitstellten, die Bahnlinie Mücheln-Merseburg gebaut und 1877 die Straße Mücheln-Merseburg gepflastert wurde.
Geiseltal: Die Gesamtlagerstätte hatte eine Länge von rund 15 und eine Breite von fünf Kilometern
Dazu kamen genauere Erkenntnisse über die Größe des Kohlevorkommens: Die Gesamtlagerstätte hatte eine Länge von rund 15 und eine Breite von fünf Kilometern zwischen Mücheln und Großkayna sowie Beuna und war damit eines der größ-ten Braunkohlevorkommen in Deutschland.
Die Flöze waren bis zu 120 Meter mächtig, wie Tausende von Bohrungen ergaben. Zudem wurde der reine Handbetrieb durch den Einsatz von immer modernerer Technik abgelöst. Auch wuchs der Kohlebedarf durch den zunehmenden Einsatz von Dampfmaschinen. So konnte allein zwischen 1907 und 1915 die Kohleförderung auf das 35-fache gesteigert werden.
Geiseltal: Das Günstige an dieser Lagerstätte war, dass die Kohle nahe der Oberfläche lag
Das Günstige an dieser Lagerstätte war, dass die Kohle nahe der Oberfläche lag und deshalb wenig Abraum bewegt werden musste, um an das „schwarze Gold“ zu gelangen. Insgesamt wurden im Geiseltal 1.400 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt und 1 390 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Dafür mussten aber auch mehr als 929 Millionen Kubikmeter Wasser abgeleitet werden. Bis zum letzten Kohlezug 1993 wurde das Geiseltal zu einer der am meisten ausgebeuteten Lagerstätte der Erde.
Bis zur vollständigen Auskohlung wären nur noch wenige Jahre vergangen. Die mengenmäßig größte Förderung gab es 1957 mit rund 41,1 Millionen Tonnen Kohle. In den 50er Jahren war die Zahl der Beschäftigten auch mit fast 13.500 am höchsten. Der größte Anteil der geförderten Kohle diente dem Eigenverbrauch. Danach folgte der Bedarf in den Chemiewerken Leuna und Buna sowie der Abtransport per Bahn in die gesamte Republik.
Geiseltal: Abbau veränderte die gesamte Region grundlegend
Der Abbau veränderte die gesamte Region grundlegend. Die Bahnstrecke musste viermal verlegt werden. Gleiches galt für den Verlauf von Straßen und der Straßenbahnstrecke Mücheln-Merseburg sowie der Flüsschen Geisel und Leiha. Um die Verbindung zwischen Geiseltal und Merseburg überhaupt halten zu können, wurde 1955 bis 1967 mitten im Tagebau zwischen Frankleben und Braunsbedra der 2.240 Meter lange und 145 Meter hohe sogenannte Kippendamm aufgeschüttet. 16 Orte und mehrere Ortsteile wurden überbaggert und 12.500 Einwohner umgesiedelt. Das Tagebaurestloch umfasst schließlich 2.000 Hektar.
Zwischen 1991 und 2008 wurden die Restlöcher vom Bergbausanierer LMBV in Vorbereitung der Flutung umgestaltet. 65 Millionen Kubikmeter Abraum mussten bewegt werden, um die über 100 Meter tiefen Gruben zu stabilisieren. Eine Fläche von 700 Hektar wurde begrünt oder aufgeforstet. 100 Kilometer Gleisanlagen, Tagebauinfrastruktur und Gebäude sind zurückgebaut worden.
Als Ergebnis der Sanierung ab 1991 entstand bis 2012 der Geiseltalsee
Als Ergebnis der Sanierung ab 1991 entstand bis 2012 der Geiseltalsee. Er ist bis heute Deutschlands größter künstlich angelegter See mit einer Wasserfläche von 18,4 Quadratkilometern, einer Tiefe von bis zu 80 Metern und einer Uferlänge von 41 Kilometern. Darüber hinaus wurde aus dem Tagebaurestloch „Großkayna“ der Runstedter See, aus dem Tagebaurestloch „Kayna-Süd“ der Großkaynaer See und aus dem Tagebaurestloch „Gustav Hasse“ (nach dem gleichnamigen Maurermeister, dem Geschäftspartner des ersten Obersteigers von 1865) das Naherholungsgebiet „Hasse“.
Die Planung dieser Seenlandschaft begann bereits in den 1920er Jahren. Im Querfurter Tageblatt erschien am 22. Dezember 1928 ein Artikel mit dem Titel „Das Geiseltal in 70 bis 80 Jahren“, in dem es hieß: „...Ein fröhliches Badeleben mit allem Drum und Dran, Strandbad usw., wird dort, wo heute noch die schwarzen Diamanten geschürft werden, entstehen.“ (mz)


