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"Einmalig in Sachsen-Anhalt" "Einmalig in Sachsen-Anhalt": Beringung in der Möwenkolonie am Geiseltalsee

Von Diana Dünschel 14.06.2019, 10:30
Die Halbinsel im Geiseltalsee ist ein Naturparadies. Unter anderem findet eine ganze Möwenkolonie hier Brutplätze. Jetzt wurden die Tiere beringt.  
Die Halbinsel im Geiseltalsee ist ein Naturparadies. Unter anderem findet eine ganze Möwenkolonie hier Brutplätze. Jetzt wurden die Tiere beringt.   Katrin Sieler

Stöbnitz - Das Naturschutzgebiet auf der Geiseltalsee-Halbinsel hat für Vogelkundler viel zu bieten. So wissen sie seit vergangenem Jahr, dass hier gleich drei Großmöwen-Arten brüten. Die Silbermöwe aus dem Baltikum trifft auf die am Schwarzen Meer heimische Steppenmöwe und die Mittelmeer-Möwe. Warum gerade die Region eine gute Brutstätte für die Flugtiere zu sein scheint, will ein Forscher nun herausfinden.

Möwenkolonie ist etwas Besonderes in der Region

„Das ist einmalig in Sachsen-Anhalt“, sagt Martin Schulze, der Vorsitzende des Regionalverbandes Merseburg-Querfurt des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Sein Forscherdrang ist geweckt. Er möchte wissen, wohin die am See geschlüpften Möwenkinder welcher Art im Herbst ziehen und ob sich die drei Arten vielleicht sogar mischen.

So bricht er mit Gleichgesinnten zur zweiten Möwen-Beringungsaktion auf. Natürlich ist das mit den Naturschutzbehörden, der Beringungszentrale auf der Insel Hiddensee und dem Bergbausanierer LMBV abgesprochen.

Möwen: „Sie haben Angst vor uns“

2018 hatten die Ornithologen 60 Vögel markiert und dann von Beobachtern Rückmeldungen über Sichtungen an der englischen Küste oder aus Holland erhalten. Die Vogelkundler möchten nun noch mehr herausfinden. Deshalb fahren sie mit Schlauchbooten zu den Brutplätzen.

Natürlich bemerken die Möwen sofort uns Eindringlinge. Sie steigen in Scharen in die Luft, umkreisen uns und machen einen Heidenlärm. Das wird sich auch bis zu unserem Rückzug nicht ändern. Doch angegriffen werden wir nicht. „Sie haben Angst vor uns“, erklärt Martin Schulze. Ich bin erleichtert. Die langen Schnäbel sehen so aus, als könnten sie ganz schön zwacken.

Die Halbinsel ist aus der Nähe als solche nicht zu erkennen. Viele kleine Inseln ragen vielmehr aus dem Flachwasser heraus, das uns bis zu den Knöcheln reicht. Wir waten von einer zur anderen. Gott sei Dank ist das Wasser angenehm warm. Überall befinden sich Nester. „Das Gebiet ist ideal zum Brüten“, erklärt Martin Schulze. „Menschen sind hier nicht und auch keine Fressfeinde wie Füchse oder Waschbären.“

Und auch wir wollen so wenig und so kurz wie möglich stören. Nicht dass die Eier noch kalt werden oder die Jungen heute kein Abendbrot bekommen. Alle machen sich an ihre Arbeit. Die einen fangen die Jungtiere ein. Die anderen beringen sie und messen für wissenschaftliche Auswertungen ihre Flügelspannweite. Ringnummer und Flügellänge werden sorgsam in einer Tabelle notiert. Schon ist die nächste Möwe an der Reihe. Die meisten sind ganz still und stellen sich reflexartig tot. Doch die Vogelkundler mit ihren geübten Augen finden sie in ihren Verstecken.

Geiseltalsee: Paradies für Wasservögel

Es ist faszinierend zu sehen, wie die Natur die Jungtiere zu tarnen weiß. Die Eier sind grün-gesprenkelt und passen sich der Umgebung mit dem Gras und den Büschen perfekt an. Auf die Jungtiere mit dem grauen Flaum und den Punkten auf dem Kopf trifft das genau so zu. Sie können ja noch nicht fliegen und auch nicht sehr weit in den See hinaus schwimmen. Dort ist das Wasser auch zu kalt für einen längeren Aufenthalt der Kleinen.

Wir sehen sie in allen Entwicklungsstadien. Da gibt es die, die sich gerade aus der Eischale frei picken. Oder die winzigen frisch geschlüpften Flauschbällchen, kaum so groß wie eine Hand. Beringt werden aber nur die größeren Exemplare. Schließlich muss der Ring auf den Fuß passen und darf für das Tier als nicht so schwer und damit als Hindernis empfunden werden.

50 bis 100 Brutpaare seien auf dem Großmöwen-Territorium auf der Halbinsel zu Hause, schätzt Martin Schulze. Dass viel mehr Möwen über uns kreisen, liege an den „Gästen“. Das seien etwa Junggesellen, die sich schon mal umgucken wollen, wo sie später am besten eine Familie gründen können. Abends würden auch die kommen, die nur einen sicheren Schlafplatz suchen.

Dass sie alle genug zum Fressen haben, sehen wir bei jedem Schritt. Überall liegen kleine Knochen. Ich erfahre, dass die Möwen natürlich Fisch fressen. Aber auch Mülldeponien oder Komposthaufen böten ihnen Nahrung oder sie würden Regenwürmer von frisch gepflügten Feldern picken.

Selbst andere Vogelküken seien nicht vor ihnen sicher. Die wesentlich kleineren Lachmöwen, die nebenan brüten, müssen sich also in Acht nehmen und halten sich abseits. Als wir schließlich die Schlauchboote wieder klar machen, sind 95 Jungtiere beringt. Im Herbst erwartet Martin Schulze erste Rückmeldungen. (mz)

Tier für Tier wurde markiert und von den Naturschützern registriert.
Tier für Tier wurde markiert und von den Naturschützern registriert.
Katrin Sieler 
Die Prozedur der Beringung ist für die Tiere nicht schmerzhaft.
Die Prozedur der Beringung ist für die Tiere nicht schmerzhaft.
Katrin Sieler