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"Einer der schwersten Jobs" "Einer der schwersten Jobs": MZ-Redakteur wird einen Tag zum bärenstarken Möbelmonteur

Von Robert Briest 14.07.2019, 14:00
Hände hoch und los: Es sei besser sich die Last auf den Rücken zu packen, erklären mir die Profis.
Hände hoch und los: Es sei besser sich die Last auf den Rücken zu packen, erklären mir die Profis. Katrin Sieler

Günthersdorf - „Heute ist großer Couchtag“, begrüßt mich Thomas Nitzsch. Der Mittvierziger trägt khakifarbene Arbeitshosen und ein rotes T-Shirt, so wie fast alle Männer, die jetzt, morgens halb sieben, am Eingang der Translogistik Service in Günthersdorf unterwegs sind. Es sind die knapp 120 Möbel- und Küchenmonteure, die von hier aus Möbel von Ketten wie Höffner und Kraft in die nähere und weitere Umgebung liefern und, wenn der Kunde wünscht, aufbauen.

Möbelmonteure: Je schneller Auftrag abgearbeitet, desto eher ist Feierabend

Auch ich bin heute Teil dieser rot-khaki Menge. Thomas Nitzsch, der mir schnell das Du anbietet, ist einer meiner zwei Begleiter. Der andere, Chris Neubert, kommt gerade mit unserer heutigen Arbeit vorgefahren. Während ich eingekleidet wurde, war er schon am Lager. Mitarbeiter haben dort entsprechend der Bestellungen die Waren aus den riesigen Hochregallagern an der Autobahn zusammengesucht und hinter Lagertor 126 bereitgestellt. Es sind vor allem Sofas. Neubert hat sie in umgekehrter Reihenfolge unserer heutigen Tour durch Leipzig verladen. Das gelbe Sofa für den ersten Kunden kam also als letztes rein.

Ein Programm schlägt die beste Route vor. Nitzsch und Neubert können sich die Arbeit aber auch anders einteilen. Je schneller sie alle Aufträge abgearbeitet haben, desto eher ist Feierabend. „Im Schnitt sind wir erst gegen 16 Uhr wieder da“, sagt Nitzsch. Ein Zehnstundentag also. Heute hätten wir aber eine kurze Tour bekommen, sagt er und zeigt den Papierstapel mit den zehn Aufträgen. Darauf vermerkt die ungefähre Lieferzeit – vormittags oder nachmittags – und ob der Kunde vorher angerufen werden will.

Möbelmonteur: Wenig Aufzüge, viele Treppenhäuser

Der Käufer des gelben Sofas wollte keine Vorwarnung und so stehen wir Schlag acht bei ihm vor dem Haus an einer Hauptverkehrsader im Leipziger Osten. Sofort kommt eine Frau, die uns auf eine Einfahrt hinweist. Meine Begleiter hatten schon auf der Hinfahrt von den Schwierigkeiten berichtet, mit dem Lkw in Wohngebieten einen Parkplatz zu finden. Der Kunde, ein junger Mann im schwarzen T-Shirt ist nach unten gekommen, bietet an mitzuhelfen. Nitzsch drückt ihm das leichteste Teil in die Hand, während sich Neubert einen der Bettkästen auf den Rücken wuchtet und abdüst. Zweiter Stock, die kleinere Teile passen in den Aufzug. Es ist ein leichter Aufgalopp.

Mehr Aufzüge werde ich heute allerdings nicht sehen, dafür viele Treppenhäuser. Das beim zweiten Kunden will gar kein Ende nehmen. Er hat eine schöne Wohnung, nur leider unter dem Dach eines vierstöckigen Altbaus. Bestellt hat er eine Sofalandschaft, deren Ausmaße gefühlt dem des halben Saarland gleichkommen. Ich bringe ihm den entsprechend dimensionierten Hocker dazu.

Neubert hat mir gezeigt, wie ich den nehmen kann, zwei Schlitze, in die Verpackungsfolie schneiden, die Arme nach oben durchstrecken und sich die schwere Last dann auf den Rücken heben. Der Profi empfiehlt eine möglichst aufrechte Haltung. Spätestens ab dem zweiten Stock mache ich allerdings einen Buckel, der mir die Aufnahme in jeden Hexenclub garantieren würde, damit mich das Gewicht des Hockers nicht nach hinten zieht. Die Ellbogen schmerzen.

Möbelmonteur, einer der schwersten Jobs

Oben stelle ich mit Erleichterung fest, dass auch die Berufsmonteure ins Schwitzen geraten sind. Ihre Last war allerdings auch ungleich schwerer. „Es ist ein Knochenjob. Das dürfte einer der schwersten Berufe sein“, sagt Nitzsch, eigentlich gelernter Maurer. Deswegen sei es schwer, motivierte Mitarbeiter zu finden. Sein Arbeitgeber setzt deshalb auf Ausbildung, hat eine eigene Lehrlingswerkstatt und will bis September 40 neue Azubis für den Beruf Fachkraft für Möbel, Küchen und Umzugservice gewinnen.

Trotz der physischen Herausforderungen mag Nitzsch seinen Job. Er sei abwechslungsreich. Schließlich würden sie normalerweise nicht wie heute nur eine reine „Abwurfrunde“ (alias Liefertour) fahren, sondern auch oft Möbel montieren. „Und man lernt viele Leute kennen. Manche sind erfreut, dass wir kommen, andere vielleicht auch mal erbost, weil sie warten mussten.“ Der Käufer der Sofalandschaft zählt zu den fürsorglichen Kunden, bietet uns Bier an. Wir belassen es halb neun Uhr morgens doch bei Wasser, schließlich stehen noch acht Kunden auf der Liste und bezahlt wird Provision pro ausgelieferter Ware. Also rauf auf den Lkw und weiter.

Bei der nächsten Station in einem Wohnblock können wir nur 200 Meter entfernt parken. Ich packe mir einen Sessel auf den Rücken, muss an der Wohnungstür aber warten. Nitzsch und Neubert müssen noch die neue Couch ins Wohnzimmer manövrieren. Ich sammle den wie an jeder Station reichlich anfallenden Verpackungsmüll ein und sortiere ihn im Lkw schonmal vor.

Trinkgeld ist heute selten

Als wir kurz gegen 12 Uhr bei der vorletzten Kundin in Leipzig-Engelsdorf ankommen, stehen auf der Ladefläche schon sechs gefüllte Abfallkisten. Die ältere Dame hat das letzte Sofa des Tages bestellt. Rotes Leder. Passend dazu einen Sessel. Der wandert wieder auf meinen Rücken. Die Technik fühlt sich jetzt besser an. Die Arme brennen trotzdem als ich endlich im Wohnzimmer ankomme. Die Kundin ist dankbar, gibt den Kollegen Trinkgeld. Das sei heute selten, berichtet Nitzsch: „Diese Generation stirbt leider aus.“

Nach einem letzten Stopp in Reudnitz geht es auf die Autobahn und zurück nach Günthersdorf. Muskelkater bekomme er eigentlich nur, wenn er nach dem Urlaub wieder anfängt, erzählt der Leunaer Neubert. Aber nein, pumpen gehen müssten sie wirklich nicht. Gegen halb zwei rollen wir wieder auf das Betriebsgelände in Günthersdorf. Nitzsch nimmt die Auftragsbögen und Kreditkartenbons der Kunden und steigt aus. Er macht noch die Abrechnung. In der Zeit bringt sein Kollege den Müll weg. Dann ist Feierabend. Ich fühle mich nach diesem „Couchtag“ sehr reif für mein eigenes Sofa. (mz)

Im Gegensatz zu mir haben Thomas Nitzsch (l.) und Chris Neubert aber Muskeln.
Im Gegensatz zu mir haben Thomas Nitzsch (l.) und Chris Neubert aber Muskeln.
Katrin Sieler