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Ehemaliges Schuhkombinat in Nemsdorf Ehemaliges Schuhkombinat in Nemsdorf: Von Stiefeln bis Sandaletten

Von Anke Losack 23.02.2019, 11:00
Blick in eine Schuhfabrik in Weißenfels - im Betrieb in Nemsdorf hat es so ähnlich ausgesehen, schildern ehemalige Mitarbeiter.
Blick in eine Schuhfabrik in Weißenfels - im Betrieb in Nemsdorf hat es so ähnlich ausgesehen, schildern ehemalige Mitarbeiter. dpa

Nemsdorf - In der Bahnhofstraße in Nemsdorf stehen die zwei Baracken noch, in denen sich früher einmal Stanzerei und Stepperei für die Schuhproduktion sowie ein Sozialtrakt für Mitarbeiter befunden haben. An eine ehemalige Schuhfabrik erinnert dort nun aber nichts mehr. Die beiden Objekte, die fast zwei Jahrzehnte als Außenstelle des VEB Schuhkombinats Weißenfels dienten, werden seit vielen Jahren anderweitig genutzt.

Die Firma Metallbau Kramer in Nemsdorf hat darin Lager und Werkstätten eingerichtet, berichtet Jürgen Kramer, ehemaliger Chef des Unternehmens. Er hat die Baracken 1992 von der Treuhand gekauft, um seinen ein Jahr zuvor gegründeten Betrieb aufzubauen.

Weißenfels war einst Zentrum der Schuhproduktion in der DDR

Weißenfels war einst Zentrum der Schuhproduktion in der DDR und hatte diverse Fabriken. Ein kleiner Abzweigbetrieb wurde Anfang der 1970er Jahre in Nemsdorf eingerichtet. Zwischen 70 und 80 Mitarbeiter waren dort tätig. So zum Beispiel Marianne und Günter Schlegel. Sie arbeitete im Büro und er als Hausmeister. „Ich, ein weiterer Hausmeister und noch ein Elektriker waren die einzigen Männer hier im Betrieb“, erzählt Schlegel. Es gab einen deutlichen Frauenüberschuss. Beispielsweise aus Obhausen, Mücheln, Schmirma, Langeneichstädt, Querfurt oder Schmon kamen Mitarbeiterinnen.

Diverse Modelle von Schuhen wurden in Nemsdorf hergestellt, angefangen von Stiefeln über Halbschuhe bis hin zu Sandaletten. Allerdings fertigte man in dem kleinen Ablegerbetrieb nur die „Oberteile“, wie die Schlegels berichten. „Bei uns wurden die Schuhe ohne Sohlen hergestellt.“ Die Sohlen seien später in einer Fabrik in Naumburg angebracht worden - dorthin wurden die fertig genähten Lederteile aus Nemsdorf geliefert.

Aus Naumburg bekam man auch die Lederbündel zum Verarbeiten

Aus Naumburg bekam man auch die Lederbündel zum Verarbeiten. „Die waren groß und mitunter schwer“, so Günter Schlegel. In der Stanzerei wurde das Leder zugeschnitten und markiert, um spätere Verwechslungen beim Vernähen auszuschließen. In der Stepperei wurden ausgeschnittene Teile vernäht. „Es wurde bei uns gearbeitet wie am Fließband“, sagt eine ehemalige Produktionsmitarbeiterin. Um die 40 Frauen haben in einer Schicht an den Maschinen gesessen.

„Die eine hat die eine Naht gemacht, dann ging es weiter zur nächsten und die hat eine andere Naht gemacht“, schildert die ehemalige Mitarbeiterin. Für Sandalen mussten zum Teil Riemen geflochten werden, was einige Beschäftigte auch in Heimarbeit durchführten.

Guter Zusammenhalt

„Manche Sachen waren aufwendig“, erklärt Marianne Schlegel. Die Mitarbeiterinnen hätten ganz schön ackern müssen. Schließlich wurden sie auch nach Leistung bezahlt. Hunderte Schuhe seien am Tag in einer Doppelschicht hergestellt worden. Manchmal musste auch samstags gearbeitet werden. „Das war, wenn der Plan in Gefahr war. Aber da hat jeder mitgemacht“, sagt sie. Wie ihr Mann anfügt, habe auch er manchmal in der Produktion mithelfen müssen. Es sei ein sehr guter Zusammenhalt unter den Kollegen gewesen, betonen beide. „Das Brigadeleben war einwandfrei“, sagt die Nemsdorferin weiter und lächelt. Gern erinnere sie sich an Faschingsveranstaltungen und Betriebsfahrten zurück.

Ein Lageplan, den der Nemsdorfer Jürgen Kramer noch in seinen Unterlagen hat, zeigt einen damaligen Aufbau der Produktionsstätte. Neben den Baracken ist darauf auch ein Chemikalienbunker eingezeichnet. In dem wurde Kleber und Farbe gelagert. Die beiden Baracken sind im Plan voneinander getrennt. Wie Günter Schlegel erklärt, wurden beide Gebäude später miteinander verbunden.

Anfang der 1990er Jahre wurde in den Baracken in Nemsdorf die Produktion von Schuhteilen für Betriebe des Kombinats Weißenfels beendet. In Nemsdorf haben alle Mitarbeiter die Kündigung bekommen und mussten sich neue Arbeit suchen. Überhaupt ging mit dem Ende der DDR der Absatz von Schuhen aus den Weißenfelser Betrieben rasant zurück. Die Produktion musste zurückgefahren, die Belegschaft reduziert werden. Im Jahr 1992 verließ das letzte Paar Schuhe die Fließbänder des Werkes in Weißenfels. (mz)

In diesen Baracken in der Bahnhofstraße in Nemsdorf wurden einst Schuhe hergestellt.
In diesen Baracken in der Bahnhofstraße in Nemsdorf wurden einst Schuhe hergestellt.
Anke Losack
Mitarbeiter des Nemsdorfer Betriebes wurden mit diesen Medaillen ausgezeichnet.
Mitarbeiter des Nemsdorfer Betriebes wurden mit diesen Medaillen ausgezeichnet.
Anke Losack
Ein Lageplan der Gebäude für die Schuhproduktion in Nemsdorf
Ein Lageplan der Gebäude für die Schuhproduktion in Nemsdorf
Anke Losack