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Anders als in vielen anderen Schulen Anders als in vielen anderen Schulen: Warum Nähe in der Förderschule unverzichtbar ist

Von Robert Briest 03.07.2020, 14:30
Deutschstunde mit Musik in der 4b. Schulleiter Jan Schirmer sagt, im Unterricht werde viel mit unterstützenden Handlungen gearbeitet.
Deutschstunde mit Musik in der 4b. Schulleiter Jan Schirmer sagt, im Unterricht werde viel mit unterstützenden Handlungen gearbeitet. Katrin Sieler

Großkayna - Auf den drei zusammengeschoben Tischen liegen Bildkarten mit sommerlichen Motiven. Leonie nimmt sich eine mit dem Abbild einer Eistüte und bildet einen Satz: „Im Sommer kann ich Eis lecken.“ Ihre beiden Mitschüler Rudi und Jasmin, Lehrerin Annette Schütte und die Pädagogische Mitarbeiter Astrid Reinboth wiederholen ihre Worte laut.

Nur Leonies direkte Sitznachbarin schweigt. Es ist ein Stoffpuppe. Sie trägt eine Maske. Die fünf Menschen im Raum nicht. Sie sitzen eng beieinander. Nach einem passenden Lied zum Sommerthema der Deutschstunde klatscht Reinboth sogar mit den drei Viertklässlern ab.

Strikte Trennung

Abstände, so erklärt Schulleiter Jan Schirmer, ließen sich in seiner Förderschule mit Standorten in Großkayna und derzeit Mücheln schwer einhalten. Zum einen seien die Klassenräume teils klein. Zum anderen bräuchten viele Schüler auch Unterstützung beim Schuhe binden, beim An- und Ausziehen, Essen, aber auch im Unterricht, wo einige Hilfe bei der Handführung benötigten. Die Umsetzung von Hygienevorschriften ist an der Schule deshalb eine besondere Herausforderung.

Schirmen löst die derzeit durch eine strikte Trennung der Klassen und eine Aufteilung in zwei Gruppen, die sich wöchentlich abwechseln. Anders als in regulären Grundschulen, wo mittlerweile alle Schüler wieder täglich kommen, gilt der wöchentliche Wechsel an der Förderschule auch für die Klassen eins bis vier. So sind Rudi, Jasmin und Leonie nur die Hälfte der 4b. Die Splittung hat aber durchaus Vorteile, berichtet Schirmer: „Mir haben alle Kollegen signalisiert, dass die Arbeit so besser ist, weil man mit den Kindern individueller arbeiten könne, deren Förderbedarf besser gerecht wird.“ Der ist von Kind zu Kind verschieden.

Pausenzeiten sind versetzt

Nach dem gemeinsamen Singen geht es auch in der 4b mit Einzelübungen weiter. Rudi soll ein Buchstabenpuzzle lösen, interessiert sich aber mehr für das Tablett der Mitschülerin, die darauf die Wörter zu den Tierfiguren vor ihr sucht. Kontakt zu Schülern aus anderen Klassen sollen sie nach Möglichkeit nicht haben. Darauf werde schon bei der Anreise mit den Transportunternehmen geachtet, sagt der Schulleiter.

Die Pausenzeiten seien versetzt. Ein Flatterband halbiert den Schulhof. „Eine Gruppe geht zudem auf den öffentlichen Spielplatz, eine an den See, damit immer vier Klassen gleichzeitig Pause haben können. Wir begleiten auch alle Schüler auf Toilette, damit sich da keine Gruppen vermischen.“

Lehrer im Home Office

Noch sind auch nicht alle der 180 Kinder und Jugendlichen wieder in den Präsenzunterricht zurückgekehrt. Die Schüler, so erklärt es der Schulleiter, hätten primär eine geistige Entwicklungsstörung. Hinzu kämen aber teilweise körperliche Einschränkungen. Das reiche bis zu Schülern, die im Pflegebett kämen. „Einige der schwerstbehinderten Kinder können nicht kommen, weil sie ein Attest und ihre Eltern Angst vor einer Ansteckung und einem schweren Verlauf haben.“

Diese Sorge könnte sich ins kommende Schuljahr übertragen. Schirmer sagt: „Das Ziel wird sein, da wieder mit allen Schülern zu starten.“ Dann werde man aber wohl die jetzige Trennung zwischen den Klassen nicht mehr aufrecht erhalten können. Dafür würde es schon an ausreichenden Sanitärräumen mangeln.

„Die Personaldecke ist knapp.“

Derzeit fehlen an der Förderschule aber nicht nur einige Schüler, sondern auch Lehrer aus Risikogruppen: „Es gibt einige Kollegen, die nicht im aktiven Dienst sind, sondern im Home Office“, berichtet Schirmer. Dennoch reiche die Besetzung gerade so aus, um alle Lerngruppen mit einem Lehrer und einem Pädagogischen Mitarbeiter zu versorgen. Voraussetzung ist aber, dass niemand krank wird.

„Die Personaldecke ist knapp.“ Denn auch ohne Corona sei die Personalsituation angespannt, sagt der Schulleiter: „Und sie verschärft sich immer mehr.“ Der Lehrermangel im Land, der Bildungsminister Marco Tullner (CDU) in der vergangenen Woche zur Bankrotterklärung in Form von Unterrichtskürzungen bei Sekundar- und Gemeinschaftsschulen bewog, macht auch vor Förderschulen nicht halt. So gibt es in Kayna derzeit zwei offene Stellen für das neue Schuljahr.

Über Apps „schöne digitale Aufgaben“ erarbeitet

Für Jasmin, Leonie, Rudi und die übrigen Schüler heißt es aber erstmal, dass jetzige Schuljahr unter den besonderen Bedingungen erfolgreich zu Ende bringen. Alle gesetzten Förderziele würden sie wegen des langen Schulausfalls wohl nicht schaffen, sagt Schirmer. Zwar gebe es auch an der Förderschule Homeschooling, Lehrer hätten teils über Apps „schöne digitale Aufgaben“ erarbeitet.

Aber wie überall seien die auch in Großkayna und Mücheln in unterschiedlicher Qualität bearbeitet worden. „Das ist abhängig vom Elternhaus und gerade die Kinder, die die meiste Unterstützung bräuchten, haben die wenigste bekommen“, schildert der Schulleiter, der dennoch ein positives Fazit zieht: „Insgesamt funktioniert es gut.“ (mz)