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20 Jahre Sprit aus Leuna 20 Jahre Sprit aus Leuna: Warum die Total-Raffinerie neue Wege gehen muss

Von Melain van Alst 02.11.2017, 11:59
Blick über die Raffinerie von Total
Blick über die Raffinerie von Total dpa-Zentralbild

Spergau - Seit zwei Jahrzehnten ist die Total-Raffinerie der Wirtschaftsmotor der Region. Am Mittwoch vor genau 20 Jahren wurde erstmals Rohöl in der Anlage verarbeitet. Es war der Beginn einer neuen Ära, einer neuen hoch modernen Raffinerie und gleichzeitig das Einlösen eines berühmten Versprechens.

Wirtschaftsmotor aus Leuna: Total ist umsatzstärkstes Unternehmen in ganz Sachsen-Anhalt

„Ohne Total wären wir total am Ende“, sagte Landrat Frank Bannert (CDU) bei einer Rede am Mittwoch am Standort. „Die Raffinerie ist ein Ankerpunkt für die Region und ein Zentrum der Innovation. Ohne die Raffinerie wäre der Saalekreis nicht dort, wo er heute steht.“ Und er steht mit Blick auf die Wirtschaftskraft ganz weit oben.

Laut einer Studie der Norddeutschen Landesbank (Nord/LB) war die Total-Raffinerie mit einem Umsatz von fünf Milliarden Euro 2015 das umsatzstärkste Unternehmen in ganz Sachsen-Anhalt. Auf dem zweiten Platz und mit etwas mehr als der Hälfte des Umsatzes rangiert ein weiteres Unternehmen im Saalekreis - 2,7 Milliarden Euro hat die Dow Gruppe in Schkopau umgesetzt.

Total-Raffinerie in Leuna versorgt über 1.000 Tankstellen in Ostdeutschland

Auf dem 500 Fußballfelder großen Gelände ist eine Anlage entstanden, die heute 1.300 Tankstellen in Ostdeutschland mit Kraftstoff versorgt, Grundstoffe für die benachbarten Chemieunternehmen liefert und 630 Mitarbeiter und 50 Auszubildende beschäftigt. „Jede Raffinerie ist ein Unikat“, sagte Geschäftsführer Willi Frantz als die Raffinerie wegen einer turnusmäßigen Wartung im Juni stillstand.

Die Total-Raffinerie gehört zu den 14 größeren Raffinerien in Deutschland und stellt ein Zehntel der Gesamtproduktion. Dabei versorgt das Unternehmen von Spergau vor allem Tankstellen in Ostdeutschland auch von Aral, Shell, Esso und Jet.

Die Fackel, die mit 142 Metern das zweithöchste „Gebäude“ im Saalekreis ist, ist ein untrügliches Zeichen für den Betrieb der Raffinerie. Der täglich auf dem Gelände produzierte Diesel und das Benzin verlässt in bis zu 400 Tankwagenladungen die Raffinerie. Insgesamt 700 Kilometer oberirdische Rohrleitungen sind verbaut.

Und das ist sie nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch wegen ihrer Entstehung. Dank einer politischen Entscheidung, die heute als Kanzlerversprechen bekannt ist, wurde die Chemie erhalten, neu aufgebaut und bleibt ein Markenzeichen der Region, das weit darüber hinaus strahlt.

Was Altkanzler Helmut Kohl mit dem Aufschwung von Total in Leuna zu tun hatte

Auch wenn es bereits 1990 ein erstes Sanierungs- und Entwicklungskonzept gegeben habe, wie Werner Popp, der bis 2016 Prokurist und Leiter der Rechtsabteilung der Infra Leuna war, kürzlich zurückblickend erzählte. Als wegweisend gilt Kohls emotionale Rede 1991 im Buna-Klubhaus, in der er sagte: „Ich werde alles tun, dass dieses Chemiedreieck erhalten bleibt und eine Zukunft hat.“ Er war es auch, der am 25. Mai 1994 mit dem Spaten die erste Erde für den Bau der heutigen Raffinerie lockerte.

Nach gut dreijähriger Bauzeit lief die Raffinerie an und das erste Rohöl wurde verarbeitet. Noch heute gilt der Bau der fünf Milliarden Mark teuren Raffinerie als die größte Direktinvestition des französischen Unternehmens in Ostdeutschland.

Großprojekt Total in Leuna kam nicht ohne Kritik aus

Nicht überall wurde der Bau jedoch von Jubel begleitet. Für das Großprojekt brauchte es Flächen außerhalb des Chemieparks, die in Spergau von zumeist Privatpersonen abgekauft werden sollten. Nur zu gut hatten die Menschen den Lärm und Dreck des benachbarten Chemiestandortes im Kopf. Letztlich überzeugte Elf Aquitaine - später von Total aufgekauft - die Spergauer.

Gleichzeitig machte das Unternehmen negative Schlagzeilen: Bei dem Verkauf der Raffinerie 1992 an den französischen Ölkonzern sollen Schmiergelder in Millionenhöhe geflossen sein.

Schwierige wirtschaftliche Entwicklung: Total in Leuna richtet sich neu aus

So wichtig die Kraftstoffproduktion ist - die Raffinerie stellt ein Zehntel der Gesamtproduktion in Deutschland - so schwierig ist die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre. Die Raffinerie, die jährlich bis zu zwölf Millionen Tonnen Rohöl zu Benzin, Diesel und Flugbenzin verarbeiten kann, musste in den vergangenen Jahren Umsatzeinbußen hinnehmen.

Spritsparende Motoren, ein gestiegener Ölpreis und die Entwicklung hin zu Elektro-Autos wirken sich auf die Produktion aus. Darauf hat das Unternehmen reagiert und sich frühzeitig eine starke Position im Stoffverbund im mitteldeutschen Dreieck gesichert.

Als Grundstofflieferant für Unternehmen besonders am Chemiestandort will die Total einen wichtigen Bereich stärken und ausbauen. Deutlich wird das zunächst am Projekt mit der Domo Caproleuna, die von der Raffinerie über eine Pipeline 70.000 Tonnen Benzol erhalten. Gemeinsam haben die Unternehmen 60 Millionen Euro investiert. Darüber hinaus war 2017 kein leichtes Jahr für die Total-Raffinerie: Am 17. Mai war es zu einem Schwelbrand in der Destillationskolonne gekommen. Dadurch musste die Produktion über mehrere Wochen eingestellt werden und das Unternehmen Verluste in unbekannter Höhe hinnehmen. (mz)

So hell wie 15.000 Lichter leuchtet die Total-Raffinerie bei Nacht.
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Peter Wölk
Beim großen Stillstand alle sechs Jahre, wie zuletzt 2014, werden die Anlagen auf Herz und Nieren geprüft, repariert und gereinigt.
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Helmut Kohl ließ es sich nicht nehmen, beim ersten Spatenstich im Mai 1994 persönlich dabei zu sein.
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