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Saalekreis Saalekreis: Flugzeuge, Lastwagen, Züge

Von JULIA REINARD 12.08.2010, 20:34

KABELSKETAL/MZ. - Zwei Autobahnen, eine Bundesstraße, Gleise und ein Flughafen: Die Bürger der Gemeinde Kabelsketal im Saalekreis leben an einem der lautesten Orte Sachsen-Anhalts. Stille - das ist in ihrem Alltag seit Jahren ein Fremdwort. Landende und startende Flugzeuge vom Airport Halle / Leipzig donnern regelmäßig über die Köpfe der 9 100 Einwohner.

Doch das ist noch nicht alles. Unentwegt rollen Lastwagen über die zwei Autobahnen am Schkeuditzer Kreuz sowie über die Bundesstraße 6, die direkt durch die Gemeinde mit ihren insgesamt zwölf Ortsteilen führt. Und Entlastung ist für die Bewohner nicht in Sicht - im Gegenteil. Denn während sie den Lärm der S-Bahn-Strecke von Leipzig nach Halle aushalten müssen, donnern in einigen Jahren auch die ICE-Züge auf der neuen Trasse Richtung Erfurt vorbei.

Die Lärmbelästigung habe in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, beklagt Bürgermeister Kurt Hambacher (parteilos). In einem Brief an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erklärte sogar Flughafenchef Dierk Näther, die Gesamtlärm-Belästigung für die Menschen am Flughafen sei "unerträglich". Doch der Bürgermeister ist skeptisch, was eine mögliche Abhilfe betrifft. Tempolimits und Tonnenbegrenzungen für Lkw seien bereits länger im Gespräch, passiert sei jedoch bisher nichts. Stattdessen nehmen die Klagen der Anwohner zu. "Es gibt inzwischen jeden Tag eine Beschwerde", erzählt der 55-jährige Bürgermeister.

Im Ortsteil Zwintschöna verursachen Brummis und die Eisenbahn den größten Lärm. Hambacher wohnt selbst dort, hat jüngst schalldichte Fenster einbauen lassen, damit er verstehen kann, was im Fernsehen geredet wird, wenn ein Lkw vorbeifährt. Edith Neubert, die in der selben Straße lebt wie der Bürgermeister, hat auch schon einiges probiert, um die Belastung zu senken. Zuletzt schrieb die 69-Jährige an den Verkehrsminister und forderte eine Tempo-30-Zone. In ihrem Schrank, erzählt sie, klirrten die Gläser, wenn tonnenschwere Fahrzeuge mit hohem Tempo über das Pflaster fahren.

Dass alles wackelt und vibriert, kennt auch Rüdiger Schurig. Er wohnt in der Bahnhofstraße von Zwintschöna und hat unter dem Zugverkehr zu leiden. 30 Meter entfernt verlaufen auf einem Wall die Bahngleise. Eine Schallschutzmauer soll die Bewohner schützen, aber Rüdiger Schurig winkt nur ab: "Die Mauer bringt nichts", erklärt der 54-Jährige.

Noch weniger haben andere Zwintschönaer vom Schallschutz. Denn nur zwei weitere Häuser stehen in dem Teil der Bahnhofstraße, in dem Familie Schurig wohnt. Jenseits von Mauer und Gleisen befindet sich das Dorf. Dorthin wirft die Mauer die Geräusche der Züge zurück - und verstärkt sie damit.

Kann man gegen den Lärm also nichts unternehmen? Der Bürgermeister schüttelt den Kopf. Die betroffene Orte hätten schon damals beim Bau der Gleise und der A 14 Bedenken angemeldet. Berücksichtigt wurden sie nicht. Als Hambacher vor drei Jahren wieder einen Schallschutz forderte, habe die Bahn ein Schallschutzgutachten verlangt, sagt der Bürgermeister. Das würde 20 000 Euro kosten - und das für jeden Ortsteil. Die Bahn verweist derweil darauf, alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten und auch die Öffentlichkeit am damaligen Planungsverfahren beteiligt zu haben.

Die Hoffnung auf Entlastung für seine lärmgeplagten Bürger will Hambacher aber nicht aufgeben. Ganz oben auf seiner Liste steht eine Tempo-30-Zone in Gröbers, "damit die Brummis wenigstens nur 50 fahren". In Dieskau und Zwintschöna hofft er auf die Ortsumgehung, für die es schon lange einen Plan gibt.

Gegen den Fluglärm können die Bewohner der Dörfer im Kabelsketal bisher jedoch nur auf den Wind hoffen. Steht er günstig, so starten nur wenige Flugzeuge über dem Tal, durch das die Kabelske fließt. Andernfalls stört der Fluglärm sogar Telefonate der Verwaltungsmitarbeiter. Den Spruch "Moment, da kommt gerade ein Flugzeug übers Haus" haben schon zahlreiche Anrufer im Gemeindeamt zu hören bekommen.