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Saalekreis Saalekreis: Anschlag ohne ein politisches Motiv?

Von GERT GLOWINSKI 07.10.2008, 18:46

MERSEBURG/MZ. - Der Überfall im Querfurter Ortsteil Lodersleben hatte Ende April bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, auch weil ein ausländerfeindlicher Hintergrund für die Tat vermutet wurde. Jetzt gab es eine überraschende Wende: Nach Angaben des Amtsgerichtes spielte eine politische Gesinnung bei der Tat keine Rolle. Nach einer eingehenden Überprüfung - unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt - könne ein politisches Motiv ausgeschlossen werden. "Die Angeklagten sind nicht rechts", sagte Jugendrichter Steffen Kollewe gegenüber der MZ.

Vor Gericht sollen nun die näheren Umstände der Tat beleuchtet werden. Bei dem nächtlichen Anschlag mit einem Molotow-Cocktail auf die Unterkunft der Polen war nur wegen glücklicher Umstände niemand verletzt worden. Die Stadt Querfurt, die evangelische Kirche, Politiker und Vertreter der Agrargenossenschaft hatten sich nach dem Anschlag um die Erntehelfer bemüht und sich für den Überfall entschuldigt. Bereits zur Apfelernte im September waren die Polen jedoch nicht mehr nach Deutschland gekommen. Nach Angaben der Agrargenossenschaft stehe das aber nicht in Zusammenhang mit dem Anschlag. Vielmehr seien die Verdienstmöglichkeiten im Nachbarland mittlerweile so groß, dass sich die Reise nach Querfurt nicht mehr lohne.

Dass es keinen politischen Hintergrund für die Tat in Lodersleben gibt, daran hat unterdessen die Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein "Miteinander" starke Zweifel. Vor-Ort-Recherchen hätten Hinweise darauf ergeben, dass einige der Angeklagten der rechten Szene zuzuordnen seien. Auch wenn die Namen der jungen Männer nicht auf den Mitgliederlisten rechtsextremer Organisationen zu finden seien, könne eine rechte Gesinnung als Tatmotiv nicht ausgeschlossen werden, sagte Vereinssprecher Torsten Hahnel.

Sollten die vier Tatverdächtigen vom Merseburger Amtsgericht verurteilt werden, drohen ihnen Gefängnisstrafen. Das Gesetz sieht bei versuchter schwerer Brandstiftung Haftstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in besonders schweren Fällen vor. Eine Anklage wegen versuchten Mordes kam im Loderslebener Fall nach juristischer Definition nicht in Betracht: Der Molotow-Cocktail war dem Gericht zufolge nach dem Wurf ins Erdgeschoss des Hauses von selbst verloschen und konnte so keinen größeren Schaden anrichten.