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Saale-Mühlgraben Saale-Mühlgraben: Fluss der Zeit an der Kaiser-Mauer

19.04.2013, 15:40
Ansicht des Mühlgrabens in Halle mit der Neuen Residenz (rechts)
Ansicht des Mühlgrabens in Halle mit der Neuen Residenz (rechts) Thomas Meinicke Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Die Rückseite des riesigen Gemäuers wirkt zunächst etwas schroff - und geheimnisvoll. Wer es nicht weiß, welches Ausmaß an deutscher Geschichte sich mit Halles „Neuer Residenz“ verbindet, der spürt hier zumindest etwas von der Aura des Bedeutenden. Vielleicht auch deshalb, weil - quasi als Fluss der Zeit - ein kleiner Nebenarm der Saale namens Mühlgraben kaum merklich darunter fließt. Die „Wasserkunst“ einschließlich der Rohrsysteme an der Residenz, die einst dieser Mühlgraben speiste, hat aber der Künstler Matthias Grünewald konzipiert - in einer Zeit, als in Halle Weltgeschichte geschrieben wurde.


Denn der Kaiser war hier - um Politik zu machen. Hinter der Mauer über dem Mühlgraben saß im Jahr 1545 Karl V. über Philipp von Hessen zu Gericht - und der protestantische Landesherr musste vor dem katholischen Reichsherren einen Kniefall machen. Der nützte ihm freilich nichts, denn der Hesse musste gleich anschließend ins Gefängnis - nebenan in der Moritzburg. Einige Kurfürsten sollen ihn in der ersten Nacht zum Trost und zwecks eines gemeinsamen Besäufnisses begleitet haben. Geschichte muss ja nicht immer staubtrocken sein.


Und wie ging es weiter am Fluss der Zeit? Hundert Jahre später residierte in der von Kardinal Albrecht (Luthers Gegenspieler) erbauten Neuen Residenz mit August von Sachsen-Weißenfels sozusagen der erste Landesherr des Gebiets, das heute Sachsen-Anhalt heißt. Im 19. Jahrhundert war dieses Schloss nach italienischem Vorbild dann Museum, und im 20. Jahrhundert wurde es von der Universität genutzt. Momentan gibt es hier gelegentlich Aktionen im Hof oder in den unteren Räumen Weihnachts - oder Sommerausstellungen als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Und die Zukunft? Die weiß gegenwärtig wohl nur der Fluss der Zeit. Detlef Färber