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Rückblick Rückblick: Vietnamesen erinnern sich an die DDR

Von Bernd Kubisch 10.05.2013, 06:26
Der 56 Jahre alte Nguyen Te The, der in Dresden studiert und promoviert hat, spricht am 12.11.2012 in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) im Kinderheim CROM mit einer Familie.
Der 56 Jahre alte Nguyen Te The, der in Dresden studiert und promoviert hat, spricht am 12.11.2012 in Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) im Kinderheim CROM mit einer Familie. dpa Lizenz

Ho-Chi-Minh-Stadt/DPA - Viele Vietnamesen, die zu DDR-Zeiten in Ostdeutschland zur Uni oder in die Lehre gingen, denken gern an ihre Jahre zwischen Rügen und Erzgebirge zurück. „Ich hatte ein eigenes Bett, einen Schreibtisch. Damals war die Gastfreundschaft groß“, sagt Nguyen Te The in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon. „Studenten und auch ältere Leute haben mich in ihre Wohnung oder zum Bier in die Dorfwirtschaft eingeladen.“

Der 56-Jährige hat sein Büro im Rehazentrum für unterernährte und behinderte Kinder (CROM) in Ho-Chi-Minh-Stadt. Es wurde von der deutschen Sektion der Kinderschutzorganisation terre des hommes (tdh/Osnabrück) gebaut. The hat viel Arbeit. Schon wieder klingelt sein Telefon. Er spricht und schreibt fließend Deutsch und sehr gut Englisch und sagt: „Wie ich denken viele Vietnamesen, die vor 30 oder 40 Jahren in die DDR kamen.“

Natürlich weiß The von den Übergriffen auf Ausländer im Osten vor allem kurz nach der Wende; und von der Gewalt auch gegen Vietnamesen - zum Beispiel in Rostock-Lichtenhagen. Er hält auch heute noch Kontakt zu einstigen Kommilitonen in Halle, Dresden, Chemnitz und Stralsund, wie er erzählt. Er selbst war von 1978 bis 1988 im Osten, hat in einem Dorf bei Dresden gelebt, an der Technischen Fakultät studiert und seinen Doktor der Forstwirtschaft gemacht. Nach einem Job als Manager im Forstinstitut in Ho-Chi-Minh-Stadt wechselte er 1994 zu tdh.

Insgesamt etwa 100 000 Studenten, Auszubildende und Arbeiter aus Vietnam waren nach Schätzungen von Experten in der Hauptstadt Hanoi von Anfang der 60er-Jahre bis 1990 in der DDR, meist drei bis vier Jahre. Wenn The von Eltern und anderen gelobt wird, sagt er: „Wir alle machen unseren Job so gut wie möglich.“ Er meint Pfleger, Krankenschwestern, Pädagogen und Therapeuten von CROM. Der 56-Jährige ist für die tdh als Länderkoordinator tätig und für Vietnam verantwortlich.

Beim Gang über den Hof erzählt The weiter von Ostdeutschland. „Natürlich war alles streng sozialistisch geregelt zwischen den beiden Regierungen. Aber jeder, der von uns als Student, Auszubildender oder Gastarbeiter in die DDR geschickt wurde, war froh darüber.“

„Ich auch“, sagt Nguyen Thi Van Ha. Die 54-Jährige ist eine gute Bekannte von The und Chefin des Medizinischen Dienstes in einem anderen Rehazentrum. Für Studium und Ausbildung war sie drei Jahre in Chemnitz. „Karl-Marx-Stadt hieß das früher noch“, erzählt sie schmunzelnd. Betrübt sind beide, dass nach dem Mauerfall in etlichen Orten Ausländer beschimpft, verfolgt und verletzt wurden. Abends beim Bier in Saigon mit Deutschen und Vietnamesen fällt auch das Wort „Fidschis“. Im DDR-Jargon war das ein Schimpfwort für Leute aus Asien. „Wer das damals sagte, hatte gar keine Ahnung von der Welt“, meint ein Freund von The - und hat Recht. Fidschi ist ein Inselstaat im Südpazifik.