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Rettung Rettung: Immer der Nase nach

Von ANTONIE STÄDTER 05.01.2009, 17:48

KRUMPA/NAUMBURG/MZ. - Schwere Betonbrocken und verrostete Eisendrähte liegen verstreut auf dem Areal. "Platz!", hat sein Herrchen Matthias Richter befohlen. Es ist trübe und neblig an diesem Vormittag - und bitterkalt. Doch das interessiert Botha nicht im Geringsten. Fleischwurst, das ist sein unangefochtenes Lieblingsleckerli. Deshalb gibt es sie auch nur im Training. Als sich Richter endlich zu dem Hund beugt und "Such!" ruft, flitzt Botha los. Er weiß genau, was er finden soll: Irgendwo inmitten der Trümmer muss ein Mensch sein.

"Wir arbeiten im Training mit positiver Reiz-Setzung", sagt Matthias Richter, der vor zwei Jahren in Naumburg den Verein "Rettungshunde Burgenlandkreis" ins Leben gerufen hat. Wenn der Hund fündig wird, bekommt er einen Leckerbissen oder ein Spielzeug. Schwieriger wird es da für den Hundeführer, falls die Spürnase versagt: "Man muss erst einmal lernen, wie man seinen Hund richtig ignoriert", sagt der Rettungshunde-Ausbilder mit einem Lächeln. Doch es dauert keine fünf Minuten, da bellt es hinter einem Trümmerhaufen. Botha hat gefunden, was er suchen sollte: Die stellvertretende Staffelführerin des Vereins, Corina Heyder, kriecht aus ihrem Versteck, einer Betonröhre. Und Botha verputzt Fleischwurst-Häppchen.

Das Gelände des ehemaligen Addinol-Werkes in Krumpa ist für die Mitglieder der freien Rettungshundestaffel ein Glücksfall. "Hier gibt es Trümmer, Abbruchhäuser, Freiflächen, Bäume - das ist alles sehr realitätsnah", sagt Heyder. Mit den Grundstücksverwaltern laufen Gespräche, damit sie das Gelände künftig für Übungszwecke nutzen dürfen. "Wegen versicherungstechnischer Bedenken ist es sonst sehr schwer, eine Firma zu finden, die uns das erlaubt", sagt Richter. Dabei gebe es stets einen Haftungsausschluss. Es sei wichtig, an verschiedenen Orten zu trainieren, betont die stellvertretende Ausbildungsleiterin der Staffel, Sandra Hiemisch: "Sonst kennen die Hunde alle Verstecke."

Acht aktive Mitglieder hat der kleine Verein heute, der gänzlich ohne Förderung auskommt. Helme, Einsatzkleidung und Schuhe bezahlen die Mitglieder selbst. Einen speziellen Einsatzwagen gibt es nicht. Corina Heyder ist die einzige von ihnen, die keinen Hund besitzt. Das ist kein Problem: Bei Einsätzen ist sie als Helferin unterwegs - hält die Funkverbindung und achtet auf Wege. "Wir brauchen weitere Mitglieder", betont sie - egal, ob mit Hund oder ohne.

"Wir haben uns gegründet, um im südlichen Sachsen-Anhalt eine Ergänzung zu den bestehenden Hundestaffeln zu schaffen", sagt Richter, der bereits seit dem Jahr 2000 im Rettungshundewesen tätig ist und für sein Engagement jüngst von der Landesregierung Sachsen-Anhalts geehrt wurde. "Allerdings werden wir oft gar nicht oder zu spät alarmiert", beklagt er. Dabei könne ein Gelände mit Hunden schneller abgesucht werden als von Menschen.

Angefordert wird die Staffel bei Bedarf von der zuständigen Polizeidirektion. Einen Einsatz habe man durchschnittlich pro Monat. Derzeit besitzt der Verein einen geprüften - also einsatzfähigen - Flächen- und Trümmersuchhund sowie sieben weitere in der Ausbildung.

Bei Einsätzen arbeiten die Naumburger stets mit der Staffel des Kreisverbands Erfurt des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) zusammen, in der es sieben geprüfte Hunde gibt. So fahren sie nicht nur zu Einsätzen in den Burgenlandkreis, den Saalekreis oder Orte im Kreis Mansfeld-Südharz, sondern auch nach Thüringen. Eine Eingliederung in den ASB Burgenlandkreis ist geplant.

Die Suche nach Verschütteten ist in der Region selten, will im Ernstfall aber gekonnt sein. Fast immer wird die Naumburger Hundestaffel jedoch zu Einsätzen in der Fläche gerufen. Dabei werden Felder oder Waldflächen durchkämmt. "Meist suchen wir vermisste Kindern, Suizidgefährdete oder Demenzkranke", so Richter. Dafür müssen die Hundeführer nicht nur fit in Sachen Karte und Kompass sein - sondern auch, was die medizinische und psychologische Betreuung der Opfer betrifft.

Die Hunde müssen in einer praktischen Prüfung Gehorsam und Fertigkeiten an Geräten und in einem Verweistest nachweisen. Deshalb trainieren die Naumburger Hundeführer dreimal wöchentlich mit ihren Tieren - meist auf dem Naumburger Hundeplatz "Am Blütengrund". Der sechsjährige Botha soll die Prüfung im April ablegen. Und dann ganz ohne Fleischwurst.