Reportage Reportage: Wirbelwind im Spielzeugland
Halle/MZ. - Sie hatte vorgewarnt bei der Ankündigung, ihr die nächsten Stunden auf den Fersen bleiben zu wollen. Hatte ein entschuldigendes Lächeln gezeigt, dieses eine Wort gesagt: "Verkäuferschritt". Und dann fast tröstend hinzugefügt: "Wenn Sie mich nicht sehen, hören Sie mich lachen."
Es ist der dritte Adventssamstag. Um 10 Uhr hat Carola Förster ihre Arbeit in der Spielzeugabteilung bei Galeria Kaufhof in Halle begonnen. Hat Kisten geschleppt, Regale aufgefüllt. "Manche Kollegen fangen um 8 Uhr an, um das Gröbste auszupacken. Sonst wäre das nicht zu schaffen", sagt die 24-jährige Merseburgerin. Schon gar nicht, wenn spätestens mittags der große Trubel einsetzt. "Das Weihnachtsgeschäft ist verhalten angelaufen, aber seit dieser Woche spüren wir echt, dass es eines gibt", sagt Kaufhof-Chef Wolfgang Schmidt.
Und Carola Förster legt den Verkäuferschritt an den Tag. Fegt durch die Gänge, als hätte man ein Spielzeug aufgezogen. Und bremst genau so schnell ab, wenn sie gefragt ist. "Ich will die Kette zu Weihnachten reparieren", sagt Kundin Astrid König und hält ihr ein Glas mit Perlen entgegen. Vier unterschiedlich dicke Perlonfäden probiert Carola Förster vor der untersten Regalreihe kniend, bis der richtige gefunden ist.
Dann eilt sie wieder los. Manchmal will sie sich aus Neugier einen Schrittzähler anheften. "Aber ich glaube, bei dem Ergebnis falle ich in Ohnmacht oder will nach Kilometern bezahlt werden", scherzt sie, während sie die Regale absucht. Es kommt vor, dass Kunden Waren aus anderen Abteilungen ablegen. So wie die Sonnenschutzblenden bei den Puppen. Der Preisscanner kennt das Produkt nicht. "Vielleicht Geschenke, die der Weihnachtsmann heute verteilt. Das müssen wir klären", sagt sie. Später. Zuerst ist da die Kundin, die ein Spiel sucht.
Die Stichworte "Holzbausteine" und "herausziehen" reichen. "Ich staune, dass sie so schnell wusste, was ich meine", sagt Kundin Dagmar Grünke kurz darauf, als sie das Spiel in der Hand hält. Das Angebot auf dem Markt ist riesig. "Viele haben etwas in der Werbung gesehen, wissen aber nicht, wie es heißt", sagt die Verkäuferin. Oder hören von Enkeln einen Wunsch, den sie selbst kaum aussprechen können. Carola Förster sieht extra zu Hause Fernsehwerbung auf dem Kinderkanal, um auf dem Laufenden zu sein, studiert Prospekte.
Das Weihnachtsgeschäft kennt die Merseburgerin. Im Dezember 2005 ist sie über eine Zeitarbeitsfirma zu Kaufhof gekommen. Und erhielt die Chance zu bleiben, ist nun bis zum 15. März direkt beim Warenhaus beschäftigt - als eine von knapp 50 zusätzlichen Aushilfen neben rund 200 Angestellten. Dienste sind wie Pausen genauestens geplant. Wenn jemand ausfällt, muss Carola Förster ein paar Stunden dranhängen.
Die 24-Jährige war nach der Hauswirtschaftsschule zunächst auf Sozialhilfe angewiesen, ehe sie eine Lehrstelle im Einzelhandel bekam. In ihrem Beruf bringt sie mittlerweile nur noch wenig aus dem Konzept. "Manchmal reagiert ein Kunde aggressiv. Da muss man ruhig bleiben", sagt sie. Ruhe, das klingt im Trubel unwirklich. Aber auch solche Momente spürt Carola Förster, als sie sich zu zwei Jungen vor einem Computerspiel gesellt. Toni (4) und Christoph (10) sind konzentriert, Pflegevater Hans-Joachim Witzel aus Quedlinburg steht geduldig daneben. Die meisten Geschenke sind gekauft. Die letzten für die Kinder besorgt seine Frau, während er die Jungen ablenkt. Und Carola Förster? Hat sie schon alle Geschenke? "Nee" sagt sie verschmitzt. Am Dienstag, ihrem freien Tag, wird sie einkaufen.
Inzwischen ist es 17 Uhr, Feierabend. Zeit, um zu Hause bei der Mutter "alle Viere von mir zu strecken". Früher, sagt sie, hat die viele Bewegung sie mehr angestrengt. Dennoch freut sie sich nun darauf, in Ruhe Musik zu hören, sich mit Freunden zu treffen. Noch eine Woche wird der Weihnachtstrubel dauern. "Am 23. wird sicher mit der umsatzstärkste Tag", kündigt Chef Wolfgang Schmidt an. Denn dann kommen die "Panikkäufer".