Rechnungshof Sachsen-Anhalt Rechnungshof Sachsen-Anhalt: Die Abwasser-Schulden der Anderen
Magdeburg/MZ - Auf die Abwasserzweckverbände in Sachsen-Anhalt könnte in den kommenden Jahren eine Klagewelle ihrer Kunden zurollen. Ursache sind nach Ansicht des Landesrechnungshofes dabei Umlagen von Einnahmeausfällen der Verbände auf ihre Beitragszahler, die „durch rechtliche Regelungen nicht gedeckt sind“, sagte Präsident Ralf Seibicke. Klagenden rechnet er daher gute Chancen aus.
Verzicht auf Einnahmen
Die Zweckverbände haben nach Ansicht der Prüfer fehlende Einnahmen von Beitragsschuldnern, Zinsen aus Darlehen und vorzeitige Abschreibungen auf die Abwasserrechnungen der übrigen Gebührenzahler abgewälzt. Üblicherweise ist es aber Sache der Mitgliedskommunen der Verbände, die Fehlbeträge auszugleichen. Doch genau dies sei nicht geschehen, bemängelte Seibicke. „Die Beitragsausfälle wurden auf die Gebührenzahler verlagert.“ Im Klartext: Der Ehrliche ist der Dumme. Wer ordnungsgemäß zahlte, bekam über einen Gebührenumlage noch jene Summen aufgebürdet, die der Verband bei anderen Zahlern nicht eintreiben konnte oder wollte.
Seibicke nannte dies eine „besonders kritikwürdige Regelung“, die so etwa in Sachsen nicht mehr möglich ist. Dort hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass eine Umlage von Beitragsausfällen auf andere Gebührenzahler gegen das Doppelbelastungsverbot und denn Gleichheitsgrundsatz verstößt. Auf die Frage, ob er eine ähnliche Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt erwarte, sagte Seibicke: „Wir schätzen das so ein, unserer Ansicht nach hätte der Gebührenzahler gute Karten.“ Bislang habe der Rechnungshof aber keine Hinweise darauf, dass entsprechende Klagen anhängig sind.
Dass die Verbände nicht soviel Geld einnehmen würden, wie sie eigentlich könnten, ist nach Ansicht des Rechnungshofes oft selbst verschuldet. Nach der Prüfung mehrerer Verbände in den vergangenen Jahren seien zum Teil „gravierende Mängel“ bei der Beitragserhebung festgestellt worden. So seien Anschlussgebühren „sehr oft mangelhaft festgesetzt und erhoben worden“, sagte Seibicke. Die zuständigen Verwaltungen würden Beitragsbescheide nicht zeitnah erheben oder fällige Zahlungen nicht konsequent durchsetzen - am Ende seien die Bescheide verjährt. Erhebliche Beitragsausfälle seien die Folge. So habe der Zweckverband „Huy-Fallstein“ (Harz) von 1993 bis 2010 von 75 Millionen Euro an möglichen Einnahmen gerade die Hälfte - 37 Millionen Euro - tatsächlich erzielt. Der infolge dessen in Zahlungsschwierigkeiten geratene Verband habe inzwischen 60,5 Millionen Euro staatlicher Hilfen in Anspruch nehmen müssen.
Kein Einzelfall
Der in Halberstadt ansässige Verband sei zwar ein herausragendes Beispiel, beileibe aber kein Einzelfall. „Wir wissen, dass einige Zweckverbände Probleme bei der Beitragserhebung haben“, sagte der Sprecher des Umweltministeriums, Detlef Thiel. Und nicht nur das - es hapert schon bei der Dokumentation. „Kein Zweckverband hat eine hinreichende Dokumentation der Beitragserhebung, insbesondere der Beitragsausfälle und deren Gründe, vorgenommen“, kritisierte Seibicke. Dass diese Praxis offenbar seit Jahren möglich ist, liege auch daran, dass die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden und die Fachaufsicht des Umweltministeriums versäumt hätten, auf die Beseitigung der Mängel hinzuwirken.