Rallye in Kenia Rallye in Kenia: Trabi-Team aus Sachsen-Anhalt schlägt Ferrari

Möser/Mombasa - Am vorletzten Tag ist es eng geworden, richtig eng. Etappe Nummer 9 bei der East African Safari Rally durch Kenia und Tansania. Sachsen-Anhalts Mika Team mit Fahrer Michael Kahlfuss und seinem Co-Piloten Ronald Bauer liegt gut im Rennen. „Auf einmal“, erzählt Kahlfuss, „macht es einen Ruck und du spürst, wie der Motor anfängt zu klingeln“.
Kahlfuss, der in Möser bei Magdeburg lebt, wenn er nicht gerade in einem hochgezüchteten Renn-Trabant durch Afrika jagt, wusste sofort, „dass wir ein ernstes Problem haben.“ Wenig später läuft Trabant Fritzi, Baujahr irgendwann Mitte der 70er Jahre, nur auf einem Topf. „Es hieß nur noch, irgendwie ins Ziel kommen.“
Sie schaffen es. Die Mechaniker-Crew mit Tassilo Weiss, Daniel Steinhof, Swen Linss und Daniel Arendt stellt bei der abendlichen Bastelstunde fest, dass ein Kolben ein Loch hat. „Schlechter Sprit“, sagt Kahlfuss. Schlechter Sprit im hinteren, vor dem Start beim härtesten Rallye-Rennen der Welt extra eingebauten Tank, dessen Inhalt Co-Pilot Bauer immer zur Hälfte jeder Strecke nach vorn pumpt.
Es ist der Tag, an dem die große Stunde der Techniker des Mika-Teams schlägt. Alter Motor raus, neuer Motor rein. Am Ende gibt es eine Strafzeit für die Sachsen-Anhalter, weil die Reparatur länger dauert, als das Reglement erlaubt. „Aber das hat uns nur zwei Plätze gekostet“, beschreibt Michael Kahlfuss. Der Trabi steht auf Platz 40 von 53 gestarteten Wagen. „Für uns, die wir uns vor jedem Start sagen, Hauptsache ins Ziel kommen, ein Riesenerfolg.“ Michael Kahlfuss weiß, wovon er spricht.
Die Ideen zu einer Afrika-Rallye hatte der Brite Eric Cecil. 1953 startete die erste Safari-Rallye von Nairobi aus über Uganda und Tansania zurück nach Kenia. 1959 stieg das Rennen zum WM-Lauf auf, diesen Status aber verlor es Anfang der 2000er, nachdem es Kritik an der Organisation gegeben hatte.
In diesem Jahr führte die 9.500-Kilometer-Route 53 Teams aus 15 Ländern über neun Tage in klassischen Wagen von Porsche, Ford und Mercedes durch Ostafrika. Es siegte der Schwede Stig Blomqvist, der schon 1984 gewonnen hatte. (stk)
Der 52-Jährige, der Ende der 80er um die letzten DDR-Meisterschaften mitfuhr und später für Toyota und Mitsubishi die Rallyes in China und in Australien absolvierte, war zuvor schon zweimal bei dem seit 1953 ausgetragenen „Juwel in der Krone der Marathon-Rallyes“ gestartet, wie Renn-Direktor Raju Kishinani seine Rallye nennt. „Beide Male blieb eine Rechnung offen“, sagt er. Beim ersten Anlauf rollt der Trabi zwar ins Ziel, aber das Zeitlimit ist schon um. 2003, beim zweiten Anlauf, langt es dann zeitlich.
Doch ein Unfall im Mika-Team überschattet den Erfolg. „Deshalb hatten wir noch eine Rechnung offen mit dieser Rallye“, beschreibt Michael Kahlfuss, dem Kenia ans Herz gewachsen ist. „Die Menschen dort sind so freundlich, wir haben uns stets sicher und wohl gefühlt.“
Auch die Rallye, neuerdings kein WM-Lauf mehr und deshalb auch wieder für den Trabi befahrbar, sehnte sich nach den Gästen aus Sachsen-Anhalt. Vor ein paar Monaten dann ein Anruf aus Kenia mit der Frage, ob die zwischen Nairobi und dem Kilimandscharo längst legendäre Rennpappe nicht noch einmal an den Start gehen könne. „Die wissen genau, was das für Aufmerksamkeit bringt.“
Michael Kahlfuss, Ronald Bauer Tour-Managerin Annett Lehmann und ihr Team aber wollten nicht nur die Rolle der belächelten Exoten spielen. „Fritzi“ wurde deshalb aufgerüstet. „Zweiter Tank, neuer Motor, Spezialachsen, Sicherheitszelle“, erklärt Kahlfuss, der hauptberuflich eine Fahrschule führt.
Mit mehr als 30 Jahren Motorsporterfahrung weiß der DDR-Vizemeister von 1990, dass sein Trabi eigentlich chancenlos gegen die Konkurrenz der Porsches und Fords ist. „Wir sagen uns deshalb im Team immer, lasst uns das Ding über die Ziellinie bringen“, erklärt Kahlfuss, „und trotzdem hat man im Hinterkopf immer den Gedanken, dass es schön wäre, nicht Letzter zu sein.“
Als schon am zweiten Tag auf den mal knochenhart, mal bis über die Achsen verschlammten Pisten die Kupplung ausfällt, nimmt die Truppe das gelassen. „Komisch war nur, dass bei der Reparatur lauter kenianische Kamerateams neben uns standen, die nur staunten, weil sie in so einen Motorraum noch nie reingeschaut hatten.“
Solches Staunen schlägt dem Trabi und seiner Besatzung überall entgegen. „Wo wir aufgetaucht sind, feierten die Leute“, sagt Kahlfuss, „dem Trabi haben sie gleich den Namen ,Harry Potter’ gegeben.“ Potter? Klar. Zaubern kann er und fliegen auch. „Wir sind die gesamte Rallye mit einem Satz Reifen gefahren, Originale von Pneumant“, Michael Kahlfuss lachend. Der spätere Rallye-Sieger Stig Blomqvist, früherer Welt-Champion, wollte es nicht glauben. An seinem Porsche wurden die Pneus täglich gewechselt. „Für uns war das natürlich die Obergaudi.“
Zumal nach der letzten, mörderischen 104-Kilometer-Schlussetappe mit Unwetter und Regen Platz 37 für Team Mika gesichert ist. Ein Ferrari, ein Mercedes und drei Porsches abgehängt. Zweitbestes deutsches Team. Kahlfuss, Bauer und ihre Mannschaft fliegen auf einer Euphoriewelle nach Hause. Sie haben gezeigt, dass der Trabi durchkommen kann. Sie haben es allen bewiesen, die vorher gegen sie gewettet hatten. Und sie haben Konkurrenten mit besserer Technik und größerem Etat in die Schranken verwiesen. Michael Kahlfuss ist im Moment mehr als glücklich, am Ziel aller Wünsche. „Wir haben uns gesagt, das war’s nun mit Afrika, jetzt sind wir mit der Geschichte im Reinen.“ (mz)