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Quedlinburg Quedlinburg: Vor zehn Jahren kehrte Domschatz zurück

Von Jürgen Korsch 26.04.2002, 08:42

Quedlinburg/dpa. - Dass der Schatz wieder nach Quedlinburg kam, bezeichnet derevangelische Gemeindediakon Werner Bley auch heute noch alsunbeschreibliches Glück. «Die Stimmung war sehr aufgebracht, als wirhörten, der Schatz ist noch vorhanden», erinnert sich der Pfarrer.«Als der Schatz dann zurück kam, herrschte eine wahre Euphorie undriesige Freude unter den Menschen.» Der 56-jährige Pfarrer: «Es warwie Weihnachten für mich.»

Die Odyssee begann in den letzten Kriegstagen: Der QuedlinburgerDomschatz, eine der wichtigsten religiösen Kunstsammlungen aus derZeit des frühen Mittelalters, war in Kisten gut verpackt in einenunterirdischen Stollen ausgelagert worden. Nach Kriegsende wurdeneinige Kisten aufgebrochen und Teile des Schatzes gestohlen. Wie sichspäter herausstellte, hatte der texanische US-Offizier Joe T. MeadorTeile des Schatzes 1945 per Post an seine Mutter in den kleinen OrtWhitewright in der Nähe von Dallas geschickt. Dort blieben diePreziosen jahrzehntelang aufbewahrt, bis Kunstfahnder auf ihre Spurkamen.

Es war im Jahr 1990, als ein ungenannt gebliebener Käufer in derSchweiz das ganz in Gold geschriebene karolingische, um 840geschaffene Samuhel-Evangeliar zum Kauf anbot. Die Kulturstiftung derLänder erwarb das Stück für 2,56 Millionen Euro «Finderlohn». Derwahre Wert der Prunkhandschrift wird um ein vielfaches höhergeschätzt. Als nächstes tauchte ein Evangelistar von 1513 im Wertvon rund 1,02 Millionen Euro wieder auf. Die Spur führte zu demtexanischen Offizier, der 1980 bereits verstorben war. 1992 konnteschließlich der Großteil der fehlenden Stücke zurück erworben werden.Die Kulturstiftung zahlte damals nach langen Verhandlungen mit denErben 2,3 Millionen Mark für die Kunstwerke. Darunter war zumBeispiel ein Reliquienkasten Heinrich I. und ein juwelenbesetztesBibelmanuskript aus dem Jahr 1513.

«Ich war erstaunt, ich war stumm und konnte es gar nicht fassen»,erinnert sich Diakon Bley an seine erste Begegnung am 29. April 1992mit den Schätzen. Bis sie dann schließlich wieder in der Stiftskirchegezeigt werden konnten, sollte noch ein Jahr vergehen. Mit der erstenöffentlichen Ausstellung des Schatzes setzte dann ein wahrerMenschenstrom ein. «Die Besucherzahlen verdoppelten sich», sagtKustos Bley. 1993 und 1994 kamen jeweils 150 000, danach pendeltesich die Zahl auf 110 000 bis 120 000 im Jahr ein. Der Schatz wirdbestaunt und bewundert und viele Besucher sagen, es ist schön dasswir ihn wieder haben.

Die sagenhafte Rückkehr, die vor 10 Jahren durch alle Medienging, blieb unvergessen. Auch heute noch kommen die Touristen in dieHarzstadt, weil sie von der Geschichte des Domschatzes gehört haben.Pfarrer Bley verweist dann immer auf die romanische Stiftskirche inder der Schatz präsentiert wird. Diese sei für ihn von ähnlich großerBedeutung, wie der Schatz, dessen wahren Wert der Pfarrer nicht zubeziffern vermag. Man nehme allein nur den von Legenden umwobenenAlabasterkrug von der Hochzeit zu Kahna, meint der Pfarrer. Er warein Geschenk Ottos des Großen an den Quedlinburger Damenstift undsorgte in der Ottonenausstellung im vergangenen Jahr in Magdeburg fürAufsehen.

Was zum kompletten Schatz noch fehlt, ist eine mit einemBergkristall verzierte Bischofsmütze und ein gleichschenkliges Kreuzbyzantinischer Herkunft aus dem 14. Jahrhundert. Nach diesen Stückenwird auch heute noch gefahndet.