Prozess in Halle Prozess in Halle: Mordkomplott im Rosenkrieg?

Halle (Saale) - Er kommt im dunklen Sakko, die Haare akkurat zum Pferdeschwanz gebunden. Ist das ein Mann, der sich mit einem Auftragsmord seiner ehemaligen Freundin entledigen wollte, um den Streit um die gemeinsame Tochter zu beenden? Marco S., von Beruf ausgerechnet Polizist, bestreitet das. Der Vorwurf wird dem 45-Jährigen im gestern gestarteten Prozess am Landgericht Halle gemacht.
Trotz des schweren Vorwurfs kam der Angeklagte kurz vor Prozessbeginn aus der Untersuchungshaft auf freien Fuß. Zwar war die rechtlich vorgeschriebene Zeitspanne von höchstens sechs Monaten zwischen Verhaftung und Prozessbeginn nicht überschritten. Das Oberlandesgericht Naumburg entschied auf eine Beschwerde der Verteidigung aber, dass in diesem konkreten Fall der Prozess dennoch früher hätte beginnen müssen. In Haftsachen müsse grundsätzlich „so schnell wie möglich“ agiert werden, so ein Sprecher. Anklage war am 8. August erhoben worden.
Zwischen März und Juni habe S. einen Bekannten in Eisleben mehrfach auf unterschiedlichem Weg beauftragen wollen, die Frau zu töten, so Oberstaatsanwältin Silvia Iseler. Ziel sei gewesen, so den Sorgerechtsstreit zu beenden. Als Lohn, so die Anklage, seien zunächst 10.000 Euro, dann ein Grundstück des Angeklagten im Gespräch gewesen. Da das potenzielle Opfer von einem neuen Partner schwanger war, sollte als Bonus ein Pool dazukommen. Statt den Mord auszuführen, ging der vermeintliche Auftragskiller, Peter H., im Juni zur Polizei. Kurz darauf wurde der Angeklagte verhaftet.
Vorwürfe zum Prozessbeginn
Er selbst, zuletzt tätig im Revierkommissariat Halle-Neustadt, weist die Vorwürfe zum Prozessbeginn zurück. Seine Freundin habe sich 2013 aus heiterem Himmel von ihm getrennt und sei mit der heute siebenjährigen Tochter ausgezogen. Noch im gleichen Jahr habe er wegen des Sorgerechts Klage eingereicht. Er habe aber weder H. noch eine andere Person „jemals beauftragt, die Mutter meines Kindes zu töten“, sagt er. „Schon gar nicht aus diesem Grund.“
Bei Kontakten zu dem Mann, der ihn jetzt beschuldigt, sei es um den Verkauf eines Hauses gegangen, das er 2012 bei einer Zwangsversteigerung billig erstanden habe. H. habe ihm erzählt, nur noch eine geringe Lebenserwartung zu haben und seiner Frau etwas hinterlassen zu wollen - habe aber die geforderten 20.000 Euro Kaufpreis nicht sofort aufbringen können. Die Adresse seiner Ex-Freundin habe er ihm zwar gegeben, aber nur weil sie Schlüssel für das Haus hatte. Nicht er, der andere habe bei Gesprächen über sie vom Töten geredet. Er habe das nicht ernst genommen, so der Angeklagte. „Das ist seine Umgangssprache.“
Vermeintlicher Auftragskiller
Die Version des vermeintlichen Auftragskillers klingt vor Gericht ganz anders. Weder sei er krank noch habe er je das Haus kaufen wollen, erklärt der 54-Jährige - ein bulliger Typ mit Stiernacken und alles andere als einer weißen Weste: Nach eigenen Angaben hat er wegen eines Sexualdelikts von 2000 bis 2006 selbst in Haft gesessen. Er erzählt der Kammer, der Angeklagte habe ihn Ende der 1990er Jahre schon einmal beauftragen wollen, eine andere Ex-Freundin und deren neuen Partner zu verprügeln. Zudem schulde S. ihm aus einem gemeinsamen Bankbetrug um die Jahrtausendwende noch 75000 Euro Beute.
Auch in Bezug auf den Mordauftrag belastet der Mann den Angeklagten schwer. Er habe sich jedoch von Anfang an nur zum Schein darauf eingelassen. H. bezeichnet das als „Racheakt“, „damit er auch einmal für das geradesteht, was er anzettelt.“ Anzeige habe er erstattet, als der Polizist ihm per Mail verkündet habe, jemand anderen beauftragen zu wollen. Das letzte Treffen zwischen beiden Männern fand am 17. Juni wenige Tage nach der Anzeige statt - da hatte die Polizei den 54-jährigen Zeugen verkabelt und hörte mit.
„Wenn du mal gehst, bring ich dich um.“
Zwischen dem Angeklagten und seiner früheren Partnerin - so deutet es sich im Prozess an - muss es nach der Trennung einen regelrechten Rosenkrieg um das Sorgerecht für die Tochter gegeben haben - mit beiderseitigen Vorwürfen. Gerichte haben das Sorgerecht im Mai und September 2014 der Mutter zugesprochen.
Teilweise unter Tränen berichtet sie im Prozess, dass eine Welt für sie zusammengebrochen sei, als die Polizei ihr von einem Mordauftrag berichtet habe. Ihr sei sofort der Gedanke an einen Satz gekommen, den S. früher zu ihr gesagt habe: „Wenn du mal gehst, bring ich dich um.“
Das Gericht will bis Januar verhandeln. Dem Angeklagten droht bis zu lebenslängliche Haft. (mz)